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Ermittlungen: Vereinsvorsitzender von "Hatun & Can" verhaftet

Der Vorsitzende des Berliner Frauenhilfevereins "Hatun & Can" sitzt wegen Betrugsverdachts in Untersuchungshaft. Er soll Spendengelder unter anderem für einen privat genutzten Oberklassewagen ausgegeben haben.

Von Sabine Beikler

Seit Dezember hat die Staatsanwaltschaft Berlin gegen den Verein „Hatun und Can Frauennothilfe“ wegen Verdachts der Untreue und des Betruges ermittelt. Am Mittwoch wurde Vereinschef Udo D., der sich Andreas Becker nennt, wegen Betrugsverdachts in zwei Fällen verhaftet. Laut Behördensprecher Martin Steltner soll D. Vereinsspenden im Wesentlichen für eigene Zwecke verwendet haben: Er soll einen 60 000 Euro teuren BMW für den Verein ausschließlich privat genutzt haben und mit Spendengeldern Renovierungsarbeiten in der Wohnung seiner Lebensgefährtin, eine 5000 Euro teure Uhr sowie einen Kurzurlaub in einem Fünf-Sterne-Hotel in Madrid bezahlt haben.

Laut Steltner liegt der derzeitige Betrugsschaden bei rund 144.000 Euro. Und statt mit Spendengeldern Frauen in Not zu unterstützen, sollen diese „ausschließlich durch Dritte“, sagt Steltner, wie durch Gelder der Opferhilfsorganisation „Weißer Ring“ finanziert worden sein. Allein im Jahr 2009 erhielt der Verein 62.000 Euro Spenden.

Hinzu kam im September ein Betrag von 500 000 Euro: Frauenrechtlerin und Emma-Chefredakteurin Alice Schwarzer spendete den Gewinn bei einer Jubiläumssendung von „Wer wird Millionär?“ dem Verein. „Ich war keinesfalls blauäugig, als ich dem Verein den Betrag von 500.000 Euro gespendet habe. Aber meine Bedenken wurden bei näherem Hinsehen so groß“, sagte Schwarzer am Mittwoch dem Tagesspiegel. Sie erstattete gemeinsam mit dem Sender RTL und Buchautorin Necla Kelek Strafanzeige. „Die Staatsanwaltschaft hat dann auch sehr beherzt gehandelt“, sagt Schwarzer. Im Dezember folgten Wohnungsdurchsuchungen von Wohnungen, die Spendengelder wurden eingefroren, und die Staatsanwaltschaft begann mit den Ermittlungen. Gestern erließ die Staatsanwaltschaft erneut sechs Durchsuchungsbeschlüsse von Wohnungen.

Anwalt weist Vorwürfe zurück

Schwarzer wirft dem Verein vor, dass er „offensiv Täuschungsmanöver“ getätigt habe, obwohl RTL bereits „aus begründeter Sorge“ die Rücküberweisung der Spende gefordert habe. Sie hofft nun, dass sie die Gewinnsumme von 500 000 Euro im Ganzen zurückbekommt. Sie werde diese aber „an mehrere Empfänger“ spenden. „Seien Sie gewiss, dass ich mir jetzt noch genauer anschaue, wer Geld erhält. Ich werde Rechenschaft über die Verwendung fordern“, sagte Schwarzer.

Hubert Dreyling, der Berliner Anwalt von Udo D., hält die Vorwürfe gegen seinen Mandanten für „einen Skandal sondergleichen“. Sein Mandant habe das Vereinsauto nicht privat genutzt, da er keinen Führerschein besitze und nur Taxi fahre. „Andere Behauptungen sind eine bodenlose Frechheit“, sagte Dreyling. Vereinsgelder, mit denen er Renovierungsarbeiten gezahlt habe, seien „Aufwandsentschädigungen“ für Udo D. Der sei auch nicht privat in Madrid gewesen, sondern „im Interesse des Vereins“. Es gebe überhaupt „keine objektiven Beweismittel“. Auch der Haftgrund der Fluchtgefahr entbehre jeglicher Grundlage. Dreyling hat Beschwerde gegen den Haftbefehl eingelegt.

Der Verein „Hatun und Can“ wurde 2006 nach dem Mord an Hatun Sürücü gegründet. Er hat als Satzungsziel, Frauen in Not zu helfen. Auf Anfrage war gestern keiner der ehrenamtlich arbeitenden Vereinsmitglieder zu erreichen. Hatun und Can soll zwölf aktive, zwölf passive Mitglieder haben. Der Spendenverein des Tagesspiegels hat Hatun und Can im vergangenen Jahr 4000 Euro bewilligt. Bis Ende März sollte dem Tagesspiegel-Verein die Verwendung nachgewiesen werden. Dieser Nachweis steht aus – das Geld wird zurückgefordert.

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