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Berlin: Pro & Contra: Schuluniformen

Pro Wie spießig! Reaktionär!

Pro

Wie spießig! Reaktionär! Gleichmacherei! So klingen die Argumente der Gegner von Schuluniformen. Und verhallen gleich. Knöpfen wir uns die Bedenkenträger Punkt für Punkt vor.

Da wäre zunächst der angeblich wiederbelebte Konservatismus. Eine einheitliche Schulkleidung muss nicht aus Faltenrock und Blazer bestehen, das machen die Jugendlichen an Berlins britischen Schulen vor: Sie schlüpfen in schicke Sweatshirts mit buntem Aufdruck. Schuluniformen werden von der aktuellen Mode inspiriert - und umgekehrt. Sogar Hugo Boss klaut an der Schule Ideen und schickt androgyne Models im englischen Uniformen nachempfundenen Look auf den Laufsteg.

Bleibt die Gleichmacherei. Ach was: Wer schon mal in Ländern unterwegs war, wo die Einheitskleidung zum Alltag gehört, erkennt schnell, dass Schüler sehr wohl mit Ketten, Anhängern oder Tüchern ihre Individualität auszudrücken wissen. Es kommt der Gemeinschaft nur zugute, wenn Klassenkameraden mit weniger markenzeichenbestücktem Outfit nicht länger als Außenseiter auffallen, während sich andere mit angesagten Namen profilieren.

Schulen müssen von Senat und Sponsoren alsbald in ihrem Anliegen unterstützt werden, sich eine Corporate Identity stiftende Kluft zuzulegen. Gemeinsamkeit macht stark. Bei Hertha kicken ja schließlich auch nicht alle in einem anderen Trikot. "Wenn ich vergleiche, was für und was gegen die Uniform spricht, komme ich zu dem Schluss, dass es sinnvoll wäre, sie einzuführen", bilanziert ein Schüler im Aufsatz. Schließlich benähmen sich seine Altersgenossen, so die Erfahrungen anderer Länder, "auf der Straße besser als sonst". Wenn einer randaliert oder gegen Minderheiten hetzt, bleibt er nicht länger anonym. Genug Stoff zugunsten der Uniform. Annette Kögel

Ihre Meinung ist gefragt: Sollen Schüler einheitliche Kleidung tragen? Ihre Stimme zählt beim Tagesspiegel-Ted

Contra

Berliner Kinder und Jugendliche gehen gern zur Schule, lautet das Ergebnis einer gerade veröffentlichten Umfrage. Und die Freude am Lernen nimmt in höheren Klassen weniger ab als angenommen. Die Erinnerungen unserer Großväter, die ihre Schulzeit in der Zwangsjacke von unmündigen Untertanen erlebten und durchlitten, hören sich heute wie Schauermärchen an. Es bedurfte eines langen Lernprozesses, Kinder zu selbstständigen, verantwortungsbewussten und kritischen Individuen zu heranzubilden, sie als Träger einer freiheitlich demokratischen Grundordnung zu erziehen. Um diesem Auftrag gerecht zu werden, haben Erziehung und Bildung die freie Entfaltung der Persönlichkeit zu fördern - ein Verfassungsrecht, das kein Mindestalter kennt.

Dazu gehört, Kindern und Jugendlichen die Freiheit zu lassen, Orientierung und Identität auf eigene Weise zu finden - Äußerlichkeiten wie Frisur oder Kleidung spielen da eine wichtige Rolle. Dass selbst als liberal geltende Politiker Gefallen am Gedanken der Gleichmacherei durch Schuluniformen finden, ist schon kurios. Wie viele marode Klassenräume könnten wohl renoviert, wie viele junge Lehrer könnten eingestellt, wie viele Unterrichtsstunden könnten wohl von den Millionen bezahlt werden, die man jetzt bereitwillig für einheitlich bedruckte Sweatshirts ausgeben möchte, die sich die Schüler nach der letzten Unterrichtsstunde noch auf dem Schulhof vom Leib reißen werden, um auf der Straße nicht ausgelacht oder gar verprügelt zu werden.

Statt die Ursachen der Bildungsmisere, die familiären Defizite an Erziehung und die gesellschaftliche Gleichgültigkeit gegenüber kommenden Generationen anzugehen, scheint der Glaube an die Uniform als Identitätsstifter ungebrochen - Jungvolk und FdJ lassen grüßen. Stephan Wiehler

Annette Kögel

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