zum Hauptinhalt
Mehr Grün am Oranienplatz. Mit einem größeren Aufgebot forderte die Polizei die Aktivisten und wenigen Flüchtlinge in Kreuzberg auf, am Donnerstagmorgen ihr Schlaflager aufzulösen. Dabei kam es auch zum Streit.

© dpa

Protestierende Flüchtlinge in Berlin: Demonstrieren erlaubt, kampieren verboten

Die protestierenden Flüchtlinge bleiben das Dauerthema der Stadt. Am Oranienplatz schreitet die Polizei am Donnerstag ein, kurzfristig drohte die Stimmung zu kippen. Auch am Alexanderplatz gibt es nach wie vor keine Entspannung.

Die Sorge in der Berliner Politik war groß, dass sich der andauernde Protest der kleinen Flüchtlingsgruppe am Oranienplatz wieder verfestigt und sich erneut ein Camp dort bildet. Seit der freiwilligen Räumung des Platzes vor vier Wochen harrten noch einige Aktivisten auf der anderen Straßenseite in einer Dauermahnwache aus. Inzwischen hatten sie auch wieder Matratzen, Schlafsäcke und Zeltplanen dorthin gebracht. Am frühen Donnerstagmorgen griff dann die Polizei ein und überbrachte eine Verfügung der Versammlungsbehörde, dass all diese Gegenstände im Rahmen des Versammlungsgesetzes nicht gestattet seien. Die Anordnung sei sofort umzusetzen.

Am Dienstag erstellte die Versammlungsbehörde nach Angaben der Polizei den Auflagenbescheid. Am selben Tag gab es wie berichtet schon Konflikte im Senat darum, wie die einzelnen Senatsressorts die Probleme mit den Flüchtlingen in den Griff bekommen. Seit Samstag hatte sich zudem am Alexanderplatz eine weitere Flüchtlingsgruppe in den Hungerstreik begeben, um dort ebenso eine Dauermahnwache auf öffentlichem Straßenland abzuhalten. Außerdem sind immer noch nicht alle Flüchtlinge aus dem Camp registriert. Und die Registrierung der Flüchtlinge der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule hat noch nicht einmal begonnen.

Da nicht abschätzbar war, wie die Flüchtlinge am Oranienplatz und die Unterstützerszene auf ein Eingreifen reagieren würde, wurde am Donnerstag eine Hundertschaft an Polizeikräften eingesetzt. Gegen 6.45 Uhr wurden die Kampierenden von der Polizei überrascht. Am Abend zuvor hatten sie noch Gespräche mit den Integrationsbeauftragten für Integration des Bundes und des Senats, Aydan Özoguz und Monika Lüke, geführt.

Vorübergehend blockierten die Flüchtlinge und Unterstützer die weitere Räumung durch eine Sitzblockade

Ein „Kommunikationsteam“ der Polizei übergab am Morgen zunächst ein Schreiben mit den Auflagen der Versammlungsbehörde. „Für ein Schlaflager können sich die Demonstranten nicht auf das Versammlungsrecht berufen“, sagte Polizeisprecher Stefan Redlich. Die Flüchtlinge und ihre Unterstützer könnten aber weiter dort demonstrieren, auch nachts. „Und wenn mal kurz jemand auf einer Bank einnickt, ist das auch kein Problem“, sagte Redlich. Die Räumung verlief zunächst friedlich. Die Flüchtlinge hatten einen Teil ihrer Sachen in einen Laster geschafft, der von der Polizei bereit gestellt wurde. Jeder Demonstrant darf ein Sitzkissen, eine Decke oder einen Schlafsack gegen die Kälte und einen Regenschirm behalten. Irritationen kamen auf, als die Polizei mitteilte, der Lastwagen müsse schnell los. Vorübergehend blockierten die Flüchtlinge und Unterstützer die weitere Räumung durch eine Sitzblockade. Um kurz nach zehn hoben knapp 30 Polizisten etwa zehn Protestierer von der Plane und trugen den Rest in den Lastwagen, der wenige Minuten später zum Haus Bethanien losfuhr, um die Sachen dort abzuladen. Als einer der Flüchtlinge kurzzeitig festgenommen wurde, drohte die Stimmung zu kippen; die Polizei sei gewaltsam gegen den Mann vorgegangen. Gegen ihn gab es eine Anzeige wegen Beleidigung und versuchter Körperverletzung. Inzwischen ist er auf freiem Fuß.

Monika Herrmann wollte die Räumung nur indirekt kommentieren

Die Flüchtlinge wollen sich jetzt an Bundesinnenminister Thomas de Maizière wenden. Auch seien weitere Gespräche mit Özoguz vereinbart. „So lange bleiben wir hier“, hieß es. Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) sagte: „Das Camp haben wir vor vier Wochen gemeinsam mit den Flüchtlingen friedlich aufgelöst. Es ist richtig, dass eine ähnliche Situation nicht noch einmal entstehen darf.“ Innensenator Frank Henkel (CDU) ließ mitteilen, dass die Entscheidung zur Räumung von der polizeilichen Versammlungsbehörde ausgegangen sei. Gleichzeitig begrüßt er diesen Schritt: „Die Polizei hat heute konsequent und richtig gehandelt.“

Die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichhain-Kreuzberg, Monika Herrmann (Grüne), wollte die Räumung nur indirekt kommentieren. „Ich bevorzuge alles, was deeskaliert.“ Wie künftig auf dem Oranienplatz, etwa in dem neuen Infozelt, protestiert wird, sei Sache der Flüchtlinge. Das Infozelt sei vom Bezirk genehmigt und dürfe eine Fläche von 77 Quadratmetern einnehmen. „Die Flüchtlinge dürfen dort aber nicht übernachten.“

Die Flüchtlinge am Alexanderplatz wollen ihren Durststreik auch weiterhin durchziehen – so lange, „bis unsere Forderungen positiv beantwortet werden“, sagte einer der Flüchtlinge. „Oder bis einer stirbt.“ Sieben der 14 Streikenden waren am Mittwoch ins Krankenhaus gebracht worden. Die Flüchtlinge hatten dies selbst entschieden: „Wenn einer von uns umkippt, rufen wir den Rettungswagen.“

Zur Startseite