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Rassismus-Vorwürfe gegen Lehrer: Prozesse ohne Ende

Der Steglitzer Lehrer trägt bereits seit über 20 Jahren Konflikte mit der Schulbehörde aus. Jetzt muss aber das Landeskriminalamt ermitteln, ob der Pädagoge eine Schülerin rassistisch beleidigt hat.

„Vielleicht war es gar nicht so gemeint“, sagt ein 15-jähriger Junge. Ein gleichaltriges Mädchen faucht ihn an: „Klar hat er es so gemeint.“ Alina (Name geändert) sei doch „völlig fertig“ gewesen, sagt das Mädchen. „Sie hat geweint.“

Die Zehntklässler sitzen vor der 7. Integrierten Sekundarschule in Steglitz, an deren dunkelroter Fassade immer noch Friedrich-Bayer-Oberschule steht. Es ist heiß an diesem Montagmittag, aber die hohen Bäume in der Lauenburger Straße spenden Schatten. Die Mädchen und Jungen gehen in die Parallelklasse der 16-Jährigen, die der Lehrer Karl-Heinz Sch. vor einer Woche rassistisch beleidigt haben soll. Das Wort „Nigger“ sei gefallen, heißt es. Viele kennen den Pädagogen gar nicht, er unterrichtet hier erst seit kurzer Zeit.

„Das hat er uns auch als Grund genannt“, erzählt eine Schülerin: „Wir haben ihn am Freitag gefragt, nachdem wir die Vorwürfe im Internet gesehen haben. Aber er hat alles abgestritten und gesagt, das sei eine Kampagne gegen ihn, weil er nur Vertretungslehrer, also Springer, ist.“

Ein andere Schülerin sagt, es seien mindestens noch zwei Mädchen beleidigt worden oder hätten die Beleidigungen gehört. Von den Lehrern möchte sich niemand äußern, man warte jetzt erst einmal die Klärung der Vorwürfe ab, hieß es.

Tatsächlich ist jetzt erstmal das Landeskriminalamt am Zug, das die Vorwürfe prüfen und Zeugen vernehmen muss. Sch. selbst wurde am Montag in die Außenstelle der Bildungsverwaltung in Zehlendorf bestellt, wo ihm offiziell mitgeteilt wurde, dass er vorläufig vom Dienst suspendiert ist – zu seinem eigenen Schutz, wie es hieß. Mit „Gefahr im Verzug“ habe man nicht argumentieren können. Wie Sch. darauf reagiert hat, war nicht zu erfahren.

Auf Anfrage machte er allerdings seiner Empörung darüber Luft, wie die Polizeipressestelle die gegen ihn erhobenen Vorwürfe publik gemacht hat. In der entsprechenden Mitteilung hatte sie getitelt „Schülerin von Lehrer rassistisch beleidigt“. Dem Vernehmen nach hat der Lehrer der Polizei mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde gedroht, weil der Vorwurf als Tatsachenbehauptung an die Öffentlichkeit gelangte.

Sch. liefert sich seit über 20 Jahren Auseinandersetzungen mit den Schulbehörden. Der erste Anlass war die Umbenennung der Lichterfelder Tannenberg- in „Willi-Graf-Oberschule“ zu Ehren des 1943 enthaupteten Widerstandskämpfers. Sch. war sich mit den CDU-Bezirkspolitikern darin einig, den Namen „Tannenberg“ zu erhalten, der seit Frühjahr 1933 an die von Hindenburg gewonnene „Schlacht von Tannenberg“ erinnerte.

Der Namensstreit endete für Sch. mit dem Wechsel an das Gymnasium Steglitz. Dort eskalierte um das Jahr 2000 ein weiterer Konflikt. Es ging um strittige Äußerungen zur NS-Zeit, um Sch.s Buch zur Wehrmachtsausstellung und schließlich auch um sein Verhalten in der Öffentlichkeit in Zusammenhang mit NS-Themen. Später machte der Tagesspiegel noch publik, dass Sch. die Feierstunde anlässlich der Umbenennung eines Platzes in Schlachtensee zur Erinnerung an den deutschen Angriff auf die spanische Stadt Guernica gestört hatte.

Das Oberverwaltungsgericht kam im Jahr 2007 zu dem Schluss, dass die Vorwürfe nicht ausreichten. Deshalb war es beamtenrechtlich weder möglich, Sch. zu entlassen, noch ihn einer anderen Aufgabe zuzuführen, sodass er zurück an die Schule durfte. Einige Jahre verhielt er sich ruhig, dann soll er sich wieder anstößig geäußert haben – zunächst an der Schadow-, dann an der Goethe-Schule.

Die GEW wollte sich zu dem Einzelfall nicht äußern. Der Mann hat in seinen Prozessen aber nicht vom Rechtsschutz der Gewerkschaft profitiert, sondern seinen eigenen Anwalt, den BVV-Abgeordneten Torsten Hippe (CDU) eingeschaltet. Der Bildungsexperte der Grünen, Özcan Mutlu, forderte den Senat auf, das Disziplinarecht so zu ändern, dass derartige Fälle verhindert werden.

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