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Diese Schulkinder haben ihren Ethik-Unterricht noch vor sich. Hoffentlich mit besser ausgebildeten Lehrern.

© Picture Alliance / dpa

Lehrermangel: Kaum ausgebildete Ethik-Lehrer in Berlin

Die peinliche Bilanz nach sieben Jahren Ethikunterricht: Nur jede dritte Stunde hält ein dafür ausgebildeter Lehrer. Das ergab eine kleine Anfrage der Grünen im Abgeordnetenhaus. Auch die entsprechenden Studiengänge an den Berliner Universitäten sind schwach besucht.

Von Sandra Dassler

Eigentlich, sagt Özcan Mutlu, habe er mit seiner Kleinen Anfrage im Abgeordnetenhaus vor einigen Wochen nur erfahren wollen, ob tatsächlich Stellen im Bereich der Lehrerausbildung für das Fach Ethik gestrichen werden sollen. Die Antwort, die der bildungspolitische Sprecher der Berliner Grünen darauf vor einigen Tagen erhielt, lautete zwar nein, schockierte ihn allerdings in ganz anderer Hinsicht: 65 Prozent der Ethikstunden an Sekundarschulen und 35 Prozent an Gymnasien werden immer noch durch Lehrkräfte ohne eine entsprechende Fachausrichtung unterrichtet.

„Das muss man sich mal überlegen“, sagt Mutlu, „Berlin hat so lange für dieses Fach gekämpft, da wurde eine Weiterbildungsoffensive gestartet und jetzt wird es so stiefkindlich behandelt.“

Auch Millionen für Weiterbildung halfen kaum

Tatsächlich hatte der Senat zum Start des lange umstrittenen Ethikunterrichts vor sieben Jahren mehr als drei Millionen Euro für eine entsprechende Weiterbildung der Lehrer bereitgestellt. Etwa 700 Lehrer nutzten das Angebot, viele von ihnen sind aber inzwischen im Ruhestand. Und das bei steigendem Bedarf. Denn Ethik wird inzwischen an allen staatlichen Schulen durchgehend von Klasse 7 bis 10 mit zwei Stunden pro Woche unterrichtet. 1869 Lehrer werden dafür benötigt.

Die Senatsverwaltung für Bildung schätzt selbst ein, dass die personelle Ausstattung des Fachs nicht ausreichend ist und will die Ethik-Weiterbildung ab August von drei auf zwei Semester verkürzen. Außerdem setzt man darauf, dass die beiden Berliner Universitäten den lehramtsbezogenen Masterstudiengang für das Fach Ethik weiter anbieten.

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Besonders gefragt scheint der aber nicht zu sein. In den letzten fünf Jahren haben nur 35 Absolventen einen Master of Education im Fach Ethik an der Freien Universität beziehungsweise Philosophie/Ethik an der Humboldt-Universität erworben – für Özcan Mutlu ist das nicht nachvollziehbar. „Im Ethikunterricht geht es doch sozusagen um Leben und Tod: um Toleranz und Wertvorstellungen und gewaltfreies Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Glaubensvorstellungen. Dazu braucht man besonders gut ausgebildete Lehrer.“

Mutlu fordert nun über die vom Senat angekündigten Maßnahmen hinaus eine nochmalige Weiterbildungsoffensive für den Ethikunterricht. „Wir sehen die Entwicklung durchaus auch selbst kritisch“, sagt der Sprecher der Bildungsverwaltung, Ilja Koschembar. „Deshalb haben wir ja beschlossen, die Ausbildungszeit zum Ethiklehrer zu verkürzen.“

Auf ein weiteres Problem weist der Vorsitzende der Vereinigung Berliner Schulleiter in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Paul Schuknecht, hin. „Ethik hatte es als neues Fach ohne Tradition natürlich erst einmal schwer, sich zu etablieren“, sagte er am Sonntag dem Tagesspiegel. „Viele Lehrer meinten, dass sie die grundlegenden Fragen, die hier behandelt werden, bestenfalls in ihren eigenen Klassen diskutieren wollten. Inzwischen merken aber immer mehr, welch gutes und großes Potenzial in diesem Fach steckt.“

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