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Schuleschwänzen

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Schulschwänzen: Blau machen soll teuer werden

5000 Euro Strafe sollen Eltern von Schulschwänzern zahlen. Für diesen Vorschlag des Senats gibt es viel Kritik. Was meinen Sie?

Berlin hat ein Problem mit notorischen Schulschwänzern. Im ersten Schulhalbjahr 2007/2008 fehlten 16 000 Oberschüler bis zu zehn Tage im Unterricht, mehr als 4000 schwänzten noch länger, manche bis zu acht Wochen – ohne Entschuldigung. Bei so langen Fehlzeiten fällt der Blick auf die Eltern, die ihre Aufsichtspflicht vernachlässigt haben. Doch wie Erziehungsberechtigte zur Verantwortung gezogen werden sollen, darüber zerbrechen sich Politiker seit Jahren den Kopf.

Nun bringt ein Vorschlag der Senatsverwaltung für Justiz und Inneres frischen Wind in die Debatte: Um die Jugendkriminalität in der Freizeit einzudämmen, soll das Bußgeld für Eltern von Schulschwänzern auf 5000 Euro erhöht werden. Wer seine Kinder blaumachen lässt, soll in Zukunft richtig blechen, „um den Handlungsdruck auf die Eltern zu erhöhen“, heißt es einem Positionspapier.

Bislang bestimmt jeder Bezirk und jede Schule für sich, wie sie mit unkooperativen Eltern umgeht. Eine Schule kann Dauerschwänzer beim Schulamt melden, das dann mit Psychologen und Sozialpädagogen Kontakt zu den Eltern aufnimmt. Stellen die Eltern sich stur, leitet der Bezirk ein Bußgeldverfahren ein. Über die verhängten Strafen führt Berlin aber keine Statistik, ihr Erfolg ist daher nicht belegt.

In Neukölln, wo die Schüler den Schwänzrekord für Berlin halten, gab es 2007 rund 180 solcher Bußgeldbescheide. „Wir schöpfen die derzeitige Grenze von 2500 Euro nicht aus“, sagt Jugendrichterin Kirsten Heisig. Die meisten Geldstrafen seien nicht höher als 150 Euro. Die Eltern könnten nicht mehr bezahlen. „Und dort, wo Eltern 5000 Euro Strafe begleichen könnten, gibt es so gut wie keine Schwänzer“, so Heisig.

Kritik hagelt es auch aus den Parteien: „Der Senat weiß selbst, dass solche Bußgelder gerade bei Problemfamilien nicht eingetrieben werden können“, sagt Björn Jotzo, innenpolitischer Sprecher der FDP. Stattdessen schlägt er eine zentrale Datei vor, in der auffällige Schulschwänzer erfasst werden. Das soll Jugendämtern helfen, schneller zu reagieren.

Der CDU ist das nicht weitreichend genug. „Es bleibt offen, wie mit zahlungsunfähigen Eltern verfahren wird“, sagt Bildungspolitiker Sascha Steuer. „Wir verlangen, dass sie gemeinnützige Arbeit verrichten müssen, am besten an der Schule ihrer Kinder.“ Die Grünen lehnen Bußgeld-Sanktionen als „Kapitulation vor dem Problem“ ab. „Viel wichtiger ist, sich frühzeitig mit den Kindern zu beschäftigen und die Lust auf Schule und Lernen zu wecken“, sagt der schulpolitische Sprecher Özcan Mutlu. Solche präventiven Projekte gibt es laut Richterin Heisig bereits in großer Zahl. Trotzdem hat Berlin ein Problem mit unbelehrbaren Eltern. „Dem Senat fehlt es an einem repressiven Konzept“, sagt sie. Heisigs Ansatz: „Wenn Eltern keine Hilfe annehmen, muss man darüber nachdenken, die Kinder aus der Familie zu nehmen.“ Dieses Instrument werde kaum genutzt, weil viele Beamten vor dem Schritt zurückschrecken. Doch die Richterin hat oft erlebt, wo Jugendliche aus diesen Familien enden: „Meine Schwerstkriminellen haben alle eine Schulschwänzer-Karriere.“

Ferda Ataman

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