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Berlin: Spaghetti für alle

Ihre Konterfeis hängen an der Siegessäule – nun tafelten Ehrenamtliche mit Berliner Bürgern

Die Touristen guckten verblüfft. Wo sonst nur ihre Kameras den Gendarmenmarkt in all seiner Beschaulichkeit ablichten, futterten am Samstagnachmittag mehrere hundert Berliner Spaghetti. Unter ihnen 180 der 204 Menschen, deren überlebensgroße Bilder seit dem 11. August auf einem riesigen Plakat an der Siegessäule hängen. Sie sind allesamt Gewinner der Aktion „Berlin, dein Gesicht“ der Hauptstadtkampagne „Be Berlin“. Die ehrte damit Menschen, die sich ehrenamtlich oder im Job für die Stadt aufopfern.

Eine von ihnen ist die Künstlerin Isabella Mamatis; sie rief das große Spaghetti-Essen ins Leben. Sie wollte, dass sich die Menschen kennenlernen, die sich an der Siegessäule umarmen, im wahren Leben aber meist unbekannt sind. Also schlug sie der Hauptstadtkampagne vor, eine „Lange Tafel“ für sie und deren Freunde zu veranstalten. Für 500 war gestern gedeckt. „Es wäre doch schade, sich nicht zu treffen“, sagt sie. „Alle zusammen besitzen ein so hohes Potenzial, diese Ressource darf man nicht ungenutzt lassen. Vielleicht ergeben sich neue Netzwerke.“

Lange Tafeln organisiert Mamatis bereits seit 2006. Mehrmals im Jahr bringt sie an verschiedenen Orten in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern Menschen zusammen, die sich kennenlernen und über ein Thema sprechen sollen. Was die meisten nicht wissen: Die Tafel ist inszenierte Kommunikation. Menschen werden zusammengebracht, um das erlebte Wissen auszutauschen und aufzuschreiben. Diesen Teil erledigte im gestrigen Fall bereits die Aktion „Berlin, dein Gesicht“. Schließlich mussten sich die Berliner mit ihren Geschichten bewerben oder vorgeschlagen werden. Am Gendarmenmarkt nun lenkten Schüler des Leibniz-Gymnasiums in Kreuzberg die Gespräche als Moderatoren, Musiker sangen Lieder über Berlin, ein Geiger spielte orientalische Lieder. 204 rote Ballons flogen in den Himmel, an jedem hing die Geschichte eines der Berliner Vorbilder. Starker Regen unterbrach das Spaghettiessen.

Neben Mamatis’ Abbild auf der Siegessäule stehen Heidemarie Mehlhase, die schwer kranke Kinder im Krankenhaus besucht, und Andreas Breunung, der sterbende Menschen begleitet. „Als ich gelesen habe, auf welche Weise sich viele engagieren, war ich manchmal zu Tränen gerührt“, sagt Mamatis. Noch mehr freut sie sich, dass engagierte Berliner öffentlich Anerkennung bekommen. Ihre Pläne gehen schon weiter. Was „Be Berlin“ mit der Ehrung losgetreten hat, will sie samt Langer Tafel jährlich veranstalten, auch die Hauptstadtkampagne ist nicht abgeneigt. Im Spätherbst will diese zudem neue Engagierte suchen und an Projekte in der Stadt vermitteln. Die Berliner jedenfalls stehen hinter dem Projekt. 400 wollten auf die Siegessäule. Christoph Spangenberg

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