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Lesewoche in Neukölln: Um kein Wort verlegen

In Neukölln startet die Sprach- und Lesewoche – 900 Schüler haben schon vorab gedichtet. Die meisten haben einen Migrationshintergrund.

„Hammerhart“ seien einige der Gedichte, doch die meisten kleine Schmuckstücke. „Der Großteil der Kinder und Jugendlichen hat Migrationshintergrund, aber sie gehen wunderbar mit Sprache um“, sagt Eduard Heußen, Organisator des Bildungsverbunds Gropiusstadt.

Neun Grund- und Oberschulen nehmen an der dritten Neuköllner „Woche der Sprache und des Lesens“ teil. Bis zum 6. Juni sind Lesungen, Schreibwettbewerbe, Theateraufführungen und Konzerte geplant – im Rathaus, in Cafés, Parks und auf Wochenmärkten genauso wie an Bahnhöfen und in Wartezimmern von Arztpraxen. Klaus Wowereit ist Schirmherr, einen Überblick über das ganze Programm findet man im Internet auf der Seite www.sprachwoche-neukoelln.de.

Die Auftaktveranstaltung findet am morgigen Sonnabend ab 12 Uhr im und vor dem Gemeinschaftshaus Gropiusstadt am Bat-Yam-Platz statt. Dabei sein werden unter anderem der Initiator der Sprachwoche, der Psychologe Kazim Erdogan, und Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD), dazu treten Tanzgruppen, Trommler, mehrere Bands sowie Chöre auf. Und schon jetzt kann man Vorboten der Lesewoche im Stadtbild sehen: Am Mittwoch haben die Initiatoren vom Bildungsverbund bereits zwei auf Großformate gebrachte Slogans an ein Hochhaus der Degewo im Joachim-Gottschalk-Weg und an das Einkaufszentrum Wutzky-Center gehängt. Vier weitere Banner – das größte misst 30 Meter – und fünf Plakatmotive folgen noch. Alle Sprüche haben Jugendliche aus Neukölln über ihren Kiez verfasst, einer heißt „Gropiusstadt: Jeder Frosch kann zu einem Prinzen werden!“, ein anderer: „Willkommen in der Gropiusstadt, wo Ketchup als Tomatensauce nach Familienrezept gilt.“

Rund 900 Schüler zwischen zehn und 19 Jahren haben an dem vom Bildungsverbund konzipierten Projekt teilgenommen. Neben dem Erfinden von Sprüchen konnten sie auch Gedichte schreiben – die gerade so lang sein sollten, dass sie auf Postkarten passen. „Die Postkartengeschichten haben alle mit dem Kiez und seinen Bewohnern zu tun“, erzählt Brodersen. 17 der Werke wurden schließlich auch auf Postkarten gedruckt. Am Sonnabend kann man sie beim Eröffnungsfest kaufen. Außerdem steht im Gemeinschaftshaus Gropiusstadt ein „ Dichter-Casting“ an. Zwei Juroren werden sich die Geschichten von etwa 18 Jugendlichen vorlesen lassen.

„Die Schüler arbeiten seit Anfang des Jahres an ihren Beiträgen“, sagt Ingke Brodersen. „Zuerst mussten die Schüler eine Hemmschwelle überwinden“, erinnert sie sich. Doch dann ließen sie ihrer Fantasie freien Lauf. Heraus kamen auch extreme Sprüche wie „Neukölln – besser mit dem Messer“. Viel öfter seien aber „eindrucksvolle Geschichten“ entstanden. „Die Sprüche zeigen, dass die Kinder und Jugendlichen überwiegend ein emotional positives, liebevolles Verhältnis zu ihrer Umgebung haben, in der sie sich aufgehoben fühlen“, sagt Ingke Brodersen. Oft werde eben nur über diese sogenannten Problemviertel geredet anstatt mit den dort lebenden Menschen. „Es sollte mehr solcher Projekte geben, die von außen in die Schulen schwappen.“ Anja Brandt

Anja Brandt

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