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Der Pflanzenhüter. Carsten Rujner bringt in einem riesigen Gewächshaus am Britzer Garten rund 1000 Kübelpflanzen aus Privatgärten, von Hotels und öffentlichen Gebäuden über den Winter. Etliche Prominente gehören zu seinen Kunden. Er ist auch zuständig für die Überwinterung der kälteempfindlichen Pflanzen des Britzer Gartens und der Gärten der Kulturen der Welt in Marzahn.

© DAVIDS

Wetter im Herbst: Der November ist zu warm

Der warme November bringt Mensch, Tier und Pflanzenwelt ziemlich durcheinander: eine Suche nach den Auswirkungen des milden Spätherbstes.

Alles noch im milden Bereich. Aber Gärtnermeister Carsten Rujner hat schon so viel zu tun, als wäre es draußen bitterkalt. Jetzt läuft er gerade unter den Wedeln meterhoher Hanfpalmen hindurch, bewässert Grapefruitsträucher der Potsdamer Villa Wunderkind von Modezar Wolfgang Joop, kontrolliert die 35 Hortensien vom Ehrenhof des Bundesrates auf Läuse und arbeitet sich so in seinem mediterranen Dschungel voran. Bei Carsten Rujner klappt alles trotz des viel zu warmen Novembers nach Plan. Im Gewächshaus seiner Parkgärtnerei Britz hat er gut 1000 Kübelpflanzen aus privaten und öffentlichen Gärten über den Winter in Obhut genommen. Doch drumherum in Berlin bringen die Wetterkapriolen Flora und Fauna total durcheinander. Und auch viele Berliner – bei allem, was man zu dieser Jahreszeit so üblicherweise anpackt. Wir haben uns umgehört.

DIE METEOROLOGEN

Meteorologin Maria Frädrich vom Berliner Wetterdienst „Meteogroup“ schaut nur kurz auf ihre Aufzeichnungen. „Ganz klar, deutlich zu mild, bis zu fünf Grad über den gewohnten Novembertemperaturen“, sagt sie. Und: 2013 gab’s um diese Zeit schon Nachtfrost. Wie soll man um Himmels willen jetzt, in diesen lauen Zeiten, drei Tage nach St. Martin, zwei Wochen vor dem ersten Advent, so recht in Weihnachtsstimmung kommen? Da nützt auch die Parade der Schoko-Nikoläuse in den Supermärkten nichts. Nur ein bisschen Winter kann Maria Frädrich beim Blick in die kommende Woche entdecken: „Vielleicht nächtlichen Bodenfrost – und sinkende Temperaturen, na ja, so von 10 bis 12 Grad am Wochenende auf 7 bis 8 Grad Celsius am Dienstag.“

Wintersport am Potsdamer Platz. Ein matschiges Vergnügen bei der Wärme. 
Wintersport am Potsdamer Platz. Ein matschiges Vergnügen bei der Wärme. 

© Thomas Loy

Dennoch sind schon viele Berliner weihnachtlich unterwegs – mit starrem Blick auf den Kalender. Vor allem, um Säckchen zu füllen. „Solche Adventskalender sind absolut Mode“, heißt es bei „Spielen. Werken, Schenken“ an der Steglitzer Schloßstraße. „Kleine Überraschungen suchen die Leute schon wie verrückt.“

DIE BIKER

„Ganz schön ärgerlich“, sagt Detlef Hopf, Chef des Motorradclubs Nord Berlin. „Viele Saisonfahrer hätten mit ihren Bikes noch eine ganze Weile Spaß haben können.“ Aber wer für seine Maschine nur von März bis Oktober eine Zulassung erworben hat und sie danach gewohnterweise in der Garage überwintern lässt, muss nun den Frust ertragen. Dafür sind alle Arbeiten zum Saisonschluss schon erledigt: Batterie aufladen, das Motorrad waschen und am besten in der Werkstatt durchchecken lassen, damit man im nächsten Frühjahr gleich starten kann. Detlef Hopf allerdings fährt mit seiner Suzuki 1200 Bandit auch durch den Winter. Er hat Kennzeichen fürs ganze Jahr.

DIE RADLER

Noch sind sie in Scharen auf Tour, „Aber so langsam sollte man doch an den Wintercheck denken, falls man überhaupt weiterfahren will“, rät Rosana Hopp vom Kreuzberger „Fahrradladen Mehringhof“. Was gehört zu einem solchen Service, den inzwischen viele Händler anbieten?

Noch unterwegs. Radler brauchen bislang nicht mal Handschuhe.
Noch unterwegs. Radler brauchen bislang nicht mal Handschuhe.

© dpa

Besonders die Bremszüge müssen geschützt werden. Sind sie schon älter und deshalb möglicherweise porös, kann Kondenswasser in ihrer Ummantelung gefrieren. Nichts geht dann mehr. „Gefährlich“, warnt Hopp. Deshalb sprüht ihre Werkstatt die Züge mit Spezialwachs ein. Und ebenso die Gangschaltung. Rund 50 Euro kostet eine solche Inspektion. Wer noch sicherer unterwegs sein will, kann heutzutage sogar Winterreifen mit Spikes ans Rad montieren lassen.

DIE AUTOFAHRER

An die Winterreifen denkt noch kaum jemand, heißt es unisono bei den Werkstätten. Die sind seit 2010 ja auch erst Pflicht bei Eis- und Schneeglätte, also nicht ab einem bestimmten Datum. Zur gewohnten Winterinspektion sollte man aber möglichst bald vorfahren, rät ein Werkstattleiter bei Peugeot in Mitte. „Jetzt bekommen Sie noch rasch einen Termin. Nach dem ersten Kälteeinbruch stehen bei uns alle Schlange.“

DIE BOOTSFAHRER

„Spazieren Sie mal die Havel oder Spree entlang, da liegt kaum mehr ein Sportboot im Wasser“, sagt Hafenmeister Wolfgang Bigesse vom Bootsclub „Pro-Sport -Berlin 24“ am Stößensee. Alle sind schon geschützt in der Halle oder aufgebockt am Ufer. Traditionell haben die meisten Vereine ihre Boote am 2. November per Kran oder über die Rampe aus dem Wasser geholt. Eigentlich schade. „Wir könnten bis jetzt noch so schön herumschippern“, seufzt Bigesse. Stattdessen haben sie die Rümpfe schon geschrubbt, Rohre entwässert, Frostschutzmittel eingefüllt, Planen übergeworfen.

Nichts wie raus aus’m Wannsee. Boote sind an Land, Fußgänger am Ufer.
Nichts wie raus aus’m Wannsee. Boote sind an Land, Fußgänger am Ufer.

© dpa

DIE GÄRTNER

Beim Verband der Berliner Kleingärtner wird schon mahnend der Zeigefinger erhoben. „Sehr verführerisch, dieses milde Wetter.“ Aber Gartenfreunde sollten sich nicht einlullen lassen, sondern sich beeilen mit den „Saisonschluss-Arbeiten“. Und das heißt: Den Rasen ein letztes Mal „tief runtermähen, damit sich keine feuchten Halme im Winter berühren, was Pilzbefall fördert. Und einen kalibetonten Herbstdünger ausstreuen, um die Halme zu kräftigen. „Ein wachstumsfördernder Stickstoffdünger wäre jetzt grundfalsch“,sagt der Landesfachberater der Schrebergärtner, Sven Wachtmann. Was noch? Sträucher zurückschneiden, Dahlienknollen ausgraben und im Keller lagern, Kübelpflanzen ins Haus holen, möglichst kühl und hell abstellen und die Wurzelballen durchgängig ein wenig feucht halten. Und, „ganz wichtig“, so Wachtmann: Laub auf den Beeten lassen, nicht picobello aufräumen. Damit Kleintiere wie Igel gut überwintern können.

Das beherzigen auch die Stadtgärtner im Großen Tiergarten. Obwohl sie derzeit tonnenweise das gerechte Laub zur Kompostierungsanlage der BSR fahren.

DIE IMKER UND TIERFREUNDE

Rundherum um Johannes den Täufer unter der Kuppel des Berliner Doms ist noch ein lautes Gesummse. Zu Füßen der Statue stehen drei Bienenvölker. Und die sind noch emsig unterwegs. „Obwohl im November ja kaum mehr etwas blüht“, wundert sich Imker Uwe Marth. Nur beim Efeu sei noch ein bisschen Nektar zu holen. „Der hat derzeit gelbe Blüten“. Marth gehört zur Initiative „Berlin summt“, die auf den Dächern etlicher hoher Gebäude Bienenvölker betreut. Normalerweise haben die Imker um diese Zeit nichts mehr zu tun, die Immen ziehen sich im Oktober in ihre Bauten zurück. Doch in diesen Tagen muss Uwe Marth sogar Nährlösung zufüttern. „Weil sie so aktiv sind, sogar noch brüten und viel Energie verbrauchen.“

Winterruhe? Von wegen! Die Schildkröten von Peter Prinz sind um den Schlaf gebracht.
Winterruhe? Von wegen! Die Schildkröten von Peter Prinz sind um den Schlaf gebracht.

© Mike Wolff

Nicht zur Ruhe kommen auch die Landschildkröten von Peter Prinz in Lübars – und damit auch ihr Pfleger. Prinz ist Liebhaber und Züchter, hat rund 60 Schildkröten, die sich im Garten ab Oktober in eine große, in die Erde eingelassene Überwinterungskiste einbuddeln. Aber derzeit wachen sie immer wieder auf, „rumoren, sind nervös“, ebenso wie die von Schlaflosigkeit geplagten Igel in den Berliner Gärten. Peter Prinz muss ständig nach seinen Kröten gucken und zufüttern.

DIE EIS- UND SKILÄUFER

Winterfeeling in Berlin – das gibt’s bisher nur in den schon geöffneten Eisstadien Neukölln, Wedding, Wilmersdorf und Lankwitz. Doch die Eisflächen sind recht leer. Wer denkt denn an seine Schlittschuhe bei 10 Grad plus? Das genießen die mehr als 500 Schüler der „Ungewöhnlichen Eislaufschule“ von Petra und Dirk Beyer. Sie fegen bereits durch alle Stadien in diversen Kursen und haben jede Menge Platz. Geschäftlich macht der nahende Winter dagegen noch gar nichts her. Skier, Snowboards und Schlitten – alles Ladenhüter. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt, sagen sich die Verkäufer im Ski-Shop. „Es muss ja mal kälter werden. Und dann geht’s hier los.“

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