zum Hauptinhalt
Der Winter hat gerade erst begonnen. Die Stadt hat er schon fest im Griff. Berlins Regierender Bürgermeister Wowereit fordert mehr Bürgersinn beim Schneeschippen.

© dpa

Eis auf Gehwegen: Wowereit fordert Berliner zum Schneeräumen auf

Trotz Räumpflicht bleibt der Schnee auf vielen Berliner Gehwegen liegen und wird zu Eis. Fußgänger rutschen. Daraus wird nun ein politischer Streit.

Diese Runde geht klar an den Winter: Während der Berliner Räumdienst nach den chaotischen Erfahrungen des vergangenen Winters beim ersten Schnee dieses Winters noch leidlich funktioniert hatte, macht sich auf Berlins Gehwegen jetzt wieder das Eis breit. In allen Stadtteilen gab es Beschwerden über nicht oder schlecht geräumte Gehwege. Das führt nun am Freitagmorgen zu einer erheblichen Rutschgefahr. Auf bis zu minus fünf Grad ist das Thermometer in der Nacht gefallen - und hat Matsch und Neuschnee in Eisflächen verwandelt.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) forderte die Hauseigentümer auf, die festgetretenen Schneereste auf den Gehwegen zu räumen. Die Berliner müssten aus der Situation des vergangenen Winters lernen, sagte Wowereit am Freitag. Es dürfe sich nicht wiederholen, dass sich die Menschen nur unter großen Gefahren fortbewegen könnten.

Wowereit appellierte an Bürgersinn der Berliner. An der einen oder anderen Stelle könnte sie vielleicht auch selbst "Hand anlegen könnten, um Gefahrenstellen zu beseitigen".

Gesundheits- und Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linkspartei) rief am Freitagmorgen im "Spreeradio" die Berliner auf, nicht geräumte Gehwege den Ordnungsämtern der Bezirke zu melden. Diese würden dann für so genannte Ersatzvornahmen sorgen, das heißt, der Schnee würde von Amts wegen beseitigt. Daraufhin meldete sich der Bezirksstadtrat für das Ordnungsamt in Mitte, Carsten Spallek (CDU) zu Wort: "Im Ordnungsamt in Mitte sind bislang mehr als 150 Anzeigen eingegangen", heißt es in einer Pressemitteilung des Stadtrats. In vielen Fällen seien bereits "Ersatzvornahmen" bei der Berliner Stadtreinigung beauftragt worden.

"Wir müssen allerdings feststellen, dass die BSR häufig mit ihren eigenen Aufgaben ausgelastet ist und daher die Ersatzvornahmen nicht umsetzten kann", heißt es weiter. Die Folge seien weiterhin nicht geräumte Gehwege. "Frau Lompscher sollte sich daher an die Räumpflichtigen, die Hauseigentümer oder Räumdienste, wenden und Beseitigung des unzumutbaren Zustandes einfordern." Den Eindruck zu erwecken, mit der Meldung an das Ordnungsamt sei alles gut, gehe in die falsche Richtung und lenke von den wahren Problemen ab.

Entgegen den Vorschriften haben viele Hausbesitzer keinen Winterdienst beauftragt, oder der beauftragte Streudienst war seinen Aufgaben wie schon im Vorwinter nicht gewachsen. So musste man entlang der Kreuzberger Urbanstraße und der Neuköllner Briesestraße durch den Schnee stapfen, in der Torstraße in Mitte balancierten Passanten über halbherzig mit Splitt gestreute Wege, in der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg gab es rutschige Stellen, für die sich kein Hausverwalter zuständig fühlte. Allein in Friedrichshain-Kreuzberg geht das Ordnungsamt derzeit 225 Beschwerden nach und hat seit voriger Woche 84 Verfahren eingeleitet. „Gerade die privaten Dienste kommen ihrer Pflicht nicht nach“, sagt auch der dortige Ordnungsstadtrat Peter Beckers.

Auch vor einigen Schulen und öffentlichen Einrichtungen blieben die Gehwege erneut ungeräumt. Vor der Kreuzberger Lemgo-Grundschule, der Hermann- Hesse-Oberschule und der Carl-von-Ossietzky-Oberschule mussten die Schüler aufpassen, auf der Schneedecke nicht auszurutschen. Auch unsere Leserkommentatoren wiesen Tagesspiegel.de auf nicht geräumte Gehwege vor Schulen hin, zum Beispiel die Förderschule in der Machonstraße in Mariendorf oder beide Schulen in der Christburger Straße in Prenzlauer Berg.

Immerhin wurde die Bushaltestelle vor der Ossietzky-Schule von zwei Männern im Auftrag der BSR gereinigt. Seit vier Uhr früh fuhren beide durch Kreuzberg und Neukölln, um an Haltestellen Splitt zu streuen und sie freizuschippen. „Es soll noch mehr schneien, da verdienen wir richtig gut“, sagten sie.

Als wenig effektiv erweisen sich bei festgetretenem Schnee auf Gehwegen die Räumfahrzeuge und -geräte mit mechanischem Rollbesen. Statt den Schnee zu beseitigen polieren sie ihn blank und machen den Gehweg nur noch glatter. Da helfen dann auch ein paar Handvoll Splitt nicht mehr. Eine Szene vom frühen Freitagmorgen in der Winterfeldtstraße: Ein Mann schiebt ein solches Räumgerät über den Schnee und rutscht dann selbst auf der von ihm bearbeiteten Fläche aus.

Im selben Schöneberger Kiez ist der Ehrgeiz des Winterdienstes offenbar auch schon in der zweiten Schneerunde erlahmt. Wurde der Winterfeldtplatz beim ersten stärkeren Schnee vergangene Woche noch flugs geräumt, so ist er nun wieder dabei, sich in eine Schnee- und Eiswüste zu verwandeln.

Auch unter unseren Lesern macht sich Unmut breit. In unserer Online-Umfrage entfällt derzeit die Hälfte der abgegebenen Stimmen auf die Noten "Mangelhaft" und "Ungenügend". Immerhin aber erhielten die Noten "Sehr gut" und "Gut" 18 Prozent der Stimmen. Die Umfrage läuft weiter (siehe diese Seite oben rechts).

Mehr Schnee kommt

Wie es mit dem Wetter weitergeht: Ein paar Stunden fällt heute wohl kein Schnee vom Himmel, vielleicht scheint am Nachmittag sogar ganz kurz die Sonne durch, sagt der Wetterdienst Mowis für den heutigen Freitag voraus. Doch spätestens am Freitagabend sollen neue Schneefälle kommen und die ganze Nacht andauern. Am Samstagmorgen könnte der Schnee in Regen übergehen. Bis dahin steht den Berlinern eine weitere Geduldsprobe bevor.

Bis jetzt verhalten sie sich vorbildlich, lobt die Polizei. Am gestrigen Donnerstag zählten die Beamten bis 18 Uhr zwar rund 357 Unfälle, bei den meisten gab es allerdings nur Blechschäden, Verletzte dagegen überhaupt keine. „Die Berliner fahren langsamer und witterungsangepasst“, sagte ein Sprecher. „Die winterliche Routine stellt sich ein.“ Am meisten hatte die Polizei in der Mittagszeit zu tun – hier krachte es bis zu 40 Mal in der Stunde, das ist doppelt so häufig wie bei gutem Wetter. Am frühen Freitagmorgen sprach die Polizei dann aber doch von einer "leicht erhöhten Unfallzahl" für die letzten Tage. Genaue Zahlen lägen noch nicht vor.

Die BVG setzt auf das Verständnis ihrer Fahrgäste: Weil es am Donnerstag auf allen Buslinien zu Verspätungen von 15 bis 20 Minuten kam und keine Besserung in Sicht ist, bittet das Unternehmen seine Fahrgäste, entsprechend „früher aus dem Haus zu gehen“. Die U 7 fiel am Mittag zwischen den Stationen Grenzallee und Möckernbrücke eine Stunde lang aus – nach einem Suizid. Ein Ersatzverkehr mit Bussen kam nicht zustande, die Fahrzeuge kamen nicht durch den zähen Straßenverkehr. Ansonsten fuhren U-Bahnen und Trams planmäßig.

BSR zufrieden

Für die BSR war der Donnerstag aus eigener Sicht ein Erfolg, obwohl neuer Schnee die Straßen zwischendurch immer wieder bedeckte. Insgesamt seien 2100 Mitarbeiter und 470 Räumfahrzeuge im Einsatz gewesen, um das Ergebnis von 20 Stunden Schneefall am Stück zu beseitigen, wie ein Sprecher sagte. Ab zwei Uhr nachts hätte man alle Hauptstraßen freigeräumt, eine Stunde später habe man begonnen, sich auch um die Nebenstraßen zu kümmern.

Dass die Straßen schneller frei waren als nach dem ersten Schneefall in der vergangenen Woche, liege an den höheren Temperaturen, hieß es. Dann wirkten die Auftaumittel schneller. Dass einige Bus- und Tramhaltestellen nur schlecht geräumt waren, ist dem Unternehmen bewusst. „Manche Stellen sind nicht erkennbar geräumt“, gab der Sprecher zu. Dennoch überwache man die zur Räumung der Haltestellen beauftragten Drittfirmen, erst am Donnerstagmorgen habe man sie nochmals instruiert.

Viele Berliner ließen sich von den Schneemassen kaum beeindrucken. Zum Beispiel am U-Bahnhof Südstern, wo sich Passanten extra vorsichtig bewegten, um nicht auf den dicken Brocken Hartschnee umzuknicken. „Es ist nun mal Winter, und die Räumdienste können auch nur arbeiten“, sagte Fußgängerin Ingrid Müller. Vergangene Woche sei sie in Nürnberg gewesen, wo es weitaus schlimmer zugegangen sei.

Andernorts schien das Freischaufeln besser zu klappen. Vor dem Amtsgericht Tiergarten waren die Gehwege am Donnerstagmorgen bereits vor Prozessbeginn um neun Uhr nur mit wenigen Schneeresten und Splitt belegt, die Treppen waren blitzblank und eisfrei. Am vergangenen Donnerstag hatten sich Tagesspiegel-Leser beschwert, dass sich vor dem Gebäude der Schnee getürmt habe und nur ein schmaler Trampelpfad frei gewesen sei.

Wie sind Ihre Erfahrungen? Helfen Sie uns, ein korrektes Bild der Situation in der Stadt abzubilden! Wo ist geräumt, wo ist es glatt? Kommt die Stadt langsam mit dem Winter besser klar? Bitte nutzen Sie die Kommentarfunktion etwas weiter unten auf dieser Seite und diskutieren Sie mit! Und stimmen Sie ab in unserer Winterdienst-Umfrage, die noch einige Zeit auf dieser Seite oben rechts stehen wird.

Zur Startseite