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Friederike Sander, 18 Jahre.

© Friederike Sander

Zappeln im Netz: Es gibt kein Leben ohne Computer

Ständig online sein hat Vor- und Nachteile. Tatsache ist: Wir haben kaum noch die Wahl. Ein Leben ohne Computer? Nicht vorstellbar! Sechs Jugendliche über die Sehnsucht nach der Offline-Ära.

Friederike Sander, 18, über die Sehnsucht nach der Offline-Ära

Manchmal träume ich mich zurück in eine Zeit, wo Schüler einen Bibliotheksausweis besaßen, wo man seine Unibewerbung noch per Post einsenden musste - in eine Zeit ohne Internet. Ich habe damals nicht gelebt und kann nicht sagen, dass früher alles besser war. Ich kann nur darüber meckern, wie das Leben heute ist.

Eigentlich finde ich es wunderbar, dass viele Schulen und Lehrer versuchen, das Internet als Quelle, Kommunikations- und Informationsmittel in den Schulalltag einzubinden. Über Online-Vertretungspläne wird man davor bewahrt, umsonst zur Schule zu fahren und hat die Möglichkeit, Lehrern per Mail Hausaufgaben zukommen zu lassen.

Aber natürlich hat die Internetnutzung innerhalb unseres Bildungssystems auch fragwürdige Seiten. Das Hauptproblem liegt in der Ausgrenzung derer, die keinen internetfähigen Computer haben. Bibliotheken gibt es natürlich immer noch, und Vertretungspläne kann man auch am Vortag in der Schule einsehen. Schwierig wird es nur, wenn einzelne Lehrer anfangen, ihren Unterrichtsstoff per E-Mail zu übermitteln oder wenn es Einzelpersonen gibt, die während einer Gruppenarbeit nicht permanent in sozialen Netzwerken wie Facebook zur Verfügung stehen. Das ärgert die anderen Gruppenmitglieder und die Lehrer.

Wenn eine Hausaufgabe auf Freitagabend verschoben wird, müssen die Schüler sie dem Lehrer logischerweise zusenden. Dumm nur, wenn so etwas daran scheitert, dass ein einzelner Schüler kein Internet hat. Damit wird der Klassenzusammenhalt nicht gerade gestärkt.

Vor kurzem befand ich mich für einen Monat selber in einem Internet-abstinenten Zustand. Ich habe nicht nur meine sozialen Kontakte vernachlässigt, ich war auch nicht in der Lage, meine Mails zu lesen und im Internet nach Material für meine fünfte Prüfungskomponente zu recherchieren. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass das Leben früher ohne Internet funktioniert hat. Aber seither sind Abhängigkeiten entstanden - durch Gewohnheit und Gruppenzwang.

Friederike Sander, 18 Jahre

Mara Erlenmaier, 15, über das Recht am geistigen Eigentum

Mara Erlenmaier, 15 Jahre.
Mara Erlenmaier, 15 Jahre.

© Mara Erlenmaier

Im Internet sind wir frei - ob wir wollen oder nicht. Virtuell gibt es keinen Besitz, die Regeln der Gesellschaft gelten nicht. Wir, die Generation Internet, hören online Musik und kopieren routiniert Bilder aus dem Internet in unsere Präsentationen für die Schule. Bedenken wegen Urheberrechten oder geistigem Eigentum habe ich dabei eigentlich nie.

Wir alle möchten unbegrenzten Zugriff auf Musik, Filme und Zeitungsartikel - und das natürlich kostenfrei. Dabei kann man sehr leicht vergessen, dass hinter den Inhalten, die im Internet zu finden sind, Menschen stehen - und dass in den Werken teilweise extrem viel Aufwand steckt. Sobald Arbeiten virtuell abrufbar sind, scheinen sie direkt in den öffentlichen Besitz überzugehen. Wir wollen also eine Gesellschaft ohne geistiges Eigentum, in der jeder Zugriff auf Kunst, Musik und Literatur hat, die er uneingeschränkt nutzen kann.

Problematisch wird es interessanterweise, wenn auf einmal die eigene Arbeit von anderen Leuten verwendet wird und man merkt, dass man darüber keine Kontrolle hat. Meine ersten Zweifel an diesem Kreativkommunismus kamen auf, als ich in einem Buch, das meine Schule veröffentlicht hatte, Bilder sah, die von meiner Facebook-Seite stammten. Ich war nicht um Erlaubnis gefragt worden, ich wusste noch nicht einmal von der Veröffentlichung meiner Bilder.

Ich fand die Nutzung meiner Bilder in diesem Fall nicht weiter schlimm, doch mir wurde bewusst, dass ich keinerlei Einfluss darauf habe, was mit den Fotos gemacht wird, die ich im Internet veröffentliche. Jetzt verstehe ich die Künstler ein wenig besser, deren Werke täglich von allen genutzt werden.

Radikale Maßnahmen zum Schutz des Copyrights wie die geplanten Acta-Gesetze lehne ich zwar weiterhin ab, doch ich denke, dass wir dringend Lösungen für den Schutz des geistigen Eigentums im Internet brauchen. Die Grenzen zwischen Freiheit und Gesetzlosigkeit sind fließend. Im Internet herrscht noch eine Art von Anarchismus, die in der realen Welt nicht möglich ist. Freiheit oder Bedrohung? Das liegt im Auge des Betrachters.

Mara Erlenmaier, 17 Jahre

Sonja Radde, 15, über ein Referat ohne Internethilfe

"Nee sorry, da müssten Sie mal im Netz nachgucken!" Was soll man darauf antworten? Heute hat praktisch jeder Internet, und bisher entstanden auch meine Referate, ohne dass ich vom Stuhl aufzustehen brauchte. Wikipedia ist der beste Freund, und dank Google Images entsteht eine Powerpoint-Präsentation in einer halben Stunde. Weswegen auch der Bibliothekar der Stadtbibliothek am Telefon erstaunt klang, als ich ihn bat, mir die Nummer der Staatsbibliothek zu geben.

Ich hatte mich für einen Selbstversuch gemeldet. Meine Aufgabe: ein Referat ohne Internet gestalten.

Damit ich gar nicht erst in Versuchung käme, ließ ich den Computer immer aus. Die Nummer unserer Bibliothek in Rudow fand ich auf einem alten Ausleihzettel. Die Idee mit der Staatsbibliothek musste ich verwerfen, weil man dort erst ab achtzehn ausleihen darf - gut, dass ich angerufen hatte.

Mein nächstes Ziel war die Neuköllner Stadtbibliothek. Höflich fragte ich nach Büchern über das Down-Syndrom. Leider waren alle verliehen, und während die Dame mir nahe legte, in der Kinderabteilung zu schauen, setzte ich gedanklich einen weiteren Pluspunkt für das Internet auf meine Liste.

Langsam wurde die Zeit knapp, fast hätte ich Google Maps geöffnet. Ein Berlin-Reiseführer schlug dann die Amerikanische Gedenkbibliothek vor. Dort wurde ich endlich fündig. In kurzer Zeit hatte ich mein Material zusammen. Schon bald war ich in einen Stapel aus handschriftlichen Notizen, schlechten Kopien und aufgeschlagenen Büchern vertieft. Wo man sonst am Computer nur die wichtigsten Infos herausgeschrieben, verschoben, sortiert und ordentlich gekürzt hätte, hatte ich nach einer Stunde einen wilden Haufen Notizen in der Länge von vielleicht fünf Sprechminuten. Vage sortierte ich die Gedanken auf Karteikarten und schrieb mir ungeklärte Fragen auf. Mithilfe von Biobüchern und einem schlauen großen Bruder reimte ich mir fast alles selbst zusammen, in der Hoffnung, dass das richtig sein würde.

Durch das viele handschriftliche Kopieren und mehrmalige Durchlesen hatte ich dafür nach drei Tagen das Gefühl, alles tatsächlich verstanden zu haben. Anstatt irgendwelches Kauderwelsch von unbekannten Autoren aus dem Internet zu wiederholen, fühlte ich mich so, als wisse ich, worum es geht. Ich konnte Fragen frei beantworten und mir eine fantastische Gliederung einfallen lassen. Alles, was jetzt noch fehlte, waren die Bilder. Ich fuhr mit meinen Büchern und Kopien zum Copyshop und ließ mir die Bilder teuer vergrößern und auf Folie drucken. Ich malte ein Plakat mit den wichtigsten medizinischen Infos und schrieb einige Quellen auf eine Extrafolie.

Am Morgen in der Schule war ich doch aufgeregt: Was, wenn ich was Falsches erzähle? Plötzlich kamen mir die Bücher weniger vertrauenswürdig vor als das Internet. Was, wenn ein Plakat als altmodisch gilt? Doch alles klappte wie am Schnürchen. Während ich sprach, hätte man eine Stecknadel fallen hören können und ich konnte alle Fragen beantworten. Es war perfekt. Ein ganz neues Gefühl ergriff mich: Verständnis. Ich habe für diesen Vortrag gearbeitet, bin dafür raus gegangen und habe alles verstanden.

Ich kann jetzt sagen, dass sich Referate ohne Internet nur lohnen. Klar, wenn man unter Zeitdruck ist und das Thema eh nicht mag, ist Google eine gute Sache. Aber sonst macht es viel mehr Spaß, Bücher durchzuarbeiten, und vor allem hat man dann nicht den ganzen Inhalt am nächsten Morgen wieder vergessen. Mit etwas Kreativität hat man auch andere Medien zur Verfügung als nur den Beamer. Und je weniger Technik im Spiel ist, desto weniger kann hinterher ausfallen.

Sonja Radde, 15 Jahre

Luca Tschiche, 15, über Onlinedemokratie und die Piratenpartei

Luca Tschiche, 15 Jahre.
Luca Tschiche, 15 Jahre.

© Luca Tschiche

In ihrem Wahlprogramm zur Berlin-Wahl 2011 schrieb die Piratenpartei: "Wir streben die Schaffung einer Online-Demokratieplattform an. Damit ist ein System gemeint, in dem alle Bürger die Möglichkeit haben, gemeinsam politische Entscheidungen zu treffen."

Die Piratenpartei fordert also mehr Demokratie durch Internetpräsenz. Aber geht das? Sind Abstimmungen demokratischer, wenn sie im Internet durchgeführt werden? Ist die Piratenpartei durch ihr Mitbestimmungsrecht in öffentlichen Foren eine also demokratischere Partei als die anderen, die eine solche Form der Beteiligung nicht anbieten?

Ich halte es für eine gute Idee, solche Foren einzurichten. Schließlich bieten sie eine Möglichkeit, politische Ansichten auf einer großen Plattform mitzuteilen. Ich frage mich allerdings, wie weit auf Forenbeiträge eingegangen wird. Zwar schreibt die Partei auf ihrer Website, es sei direkt und einfach möglich, auf diesem Weg an der Partei mitzuwirken, aber ich bezweifle, dass auf jeden einzelnen Beitrag gleich stark eingegangen werden kann.

Abstimmungen im Internet sind ein Thema, über das ich lange nachgedacht habe. Ich denke, dass es das Abstimmungssystem zum Beispiel bei Volksentscheiden stark vereinfachen würde. Bisher scheiterten Volksentscheide von großer Bedeutung oft an einer enorm niedrigen Wahlbeteiligung. Das beste Beispiel aus Berlin ist der Volksentscheid zum Flughafen Tempelhof, wo die Wahlbeteiligung bei unter 37 Prozent blieb.

Allgemein denke ich, dass die Piratenpartei und neuerdings auch andere Parteien in ihrem Trend, online zu gehen, richtig liegen. Denn was sie auf jeden Fall erreichen, ist vielleicht nicht mehr Demokratie, aber auf jeden Fall mehr Transparenz. Am besten macht das vorerst die Piratenpartei, über deren Website man unter anderem an jeder einzelnen Vorstandssitzung "teilhaben" und die Ergebnisse einsehen kann. Solche Transparenz wünsche ich mir auch von den anderen Parteien, damit in Zukunft wirklich jeder Wähler weiß, welche Partei ihn gut vertreten würde.

Luca Tschiche, 15 Jahre

Heinrich Sander, 14, über Sorglosigkeit bei persönlichen Daten

Heinrich Sander, 14 Jahre.
Heinrich Sander, 14 Jahre.

© Heinrich Sander

Anna L. postete am 3.12.11 Folgendes: "Gestern Nacht war super, wir ham gefeiert bis zum Umfallen!." Daneben sieht man ein Foto, auf dem Anna mit einem Freund zu sehen ist. Beide halten eine Bierflasche in der Hand und grinsen leicht dämlich.

Genau wie sie präsentieren sich täglich über 840 Millionen Menschen in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Jappy. Auf dem eigenen Profil sind neben Namen, Geburtsdatum und Wohnort meistens auch noch andere Daten angegeben, zum Beispiel Beziehungsstatus. Über die Konsequenzen der Veröffentlichung der Daten sind sich die meisten nicht bewusst. Die sind nämlich im Prinzip für jeden zugänglich. Im Netz kann man meistens entscheiden, welche der eigenen Daten für wen sichtbar sind. Viele meiner Freunde sind damit viel zu unvorsichtig. Sie geben ihren kompletten Namen an. Man braucht sie also nur zu googeln und schon sieht man alles über sie.

Stellen wir uns vor, Anna ist auf Jobsuche und bewirbt sich bei einer Bank. Die Bank recherchiert im Internet und stößt auf ihr Facebook-Profil. Anna wird als Alkoholikerin abgestempelt und fällt durch das Bewerbungsraster. So könnte es weitergehen: Anna fällt bei allen Banken durch. Sie ist arbeitslos. Da Arbeitslosigkeit bekanntlich unzufrieden macht, fängt sie wirklich an zu trinken, wird übergewichtig und depressiv. Irgendwann stürzt sie sich vor einen Zug, um ihrem Scheißleben ein Ende zu machen.

Durch die Profile und Einträge auf Seiten erschafft man sich eine eigene "Cyber-Persönlichkeit". Dieses Ich hat mitunter keine große Ähnlichkeit mit der realen Person. Man versucht natürlich, sich immer besser und cooler zu präsentieren, als man in Wirklichkeit ist. Den Genuss von Alkohol halten viele für sehr cool. Man versucht, sich als draufgängerisch und wild zu präsentieren und möglichst viele Likes zu ergattern.

Zum Schluss möchte ich noch sagen, dass Anna L. eine fiktive Person ist. Allerdings kenne ich viele Leute, die bei Facebook befremdende Sachen über ihre nächtlichen Vergnügungen posten. Diese schlummern dann für immer im digitalen Gedächtnis.

Heinrich Sander, 14 Jahre

Henrik Hölzer, 16, über den Charme handgeschriebener Briefe

Henrik Hölzer, 16 Jahre
Henrik Hölzer, 16 Jahre

© Henrik Hölzer

Generation Internet: Eben habe ich noch den Live-Ticker des Alba-Auswärtsspiels verfolgt, geschaut, was es Neues bei Facebook gibt, und im Hintergrund laufen Musik und Videos. Wir sind mit dieser Technik aufgewachsen, und wir wollen sie natürlich auch nicht mehr hergeben.

Auch meine einen Großeltern sind immer auf dem neuesten Stand und besitzen viele technische Geräte. Bei meinen anderen Großeltern sieht es ganz anders aus. Mein Opa schreibt alles mit der Hand, zeitversetzt kommen seine Nachrichten mit der Post an. Diese Briefe sind für mich etwas ganz Besonderes. Oma schreibt alle Amtspost mit der alten, klickernden Schreibmaschine, die man eher bei Miss Moneypenny als in der Wirklichkeit vermutet. Diese Maschine würde ohne das Internet gar nicht mehr funktionieren. Nur durch das Aufstöbern eines baugleichen Typs im Netz konnte das Gerät, nachdem es altersschwach wurde, wieder funktionsfähig gemacht werden.

Für viele von uns ist das neueste Smartphone überlebenswichtig. In der S-Bahn oder Tram sieht man, wie die Menschen über ihrem internetfähigen Touchscreenhandy hängen und Dinge eintippen. Dabei gibt es echte Freaks, die ihren Namen in kürzester Zeit eine Million Mal aus verschiedensten Orten bei Google eingeben, um den Auto-Vervollständigungs-Algorithmus zu überwinden, und sich damit unheimlich wichtig zu fühlen.

Über das Internet kann man sich streiten. Aber Fakt ist, es wird von Milliarden genutzt. Das hätte Thomas J. Watson, Vorsitzender von IBM, nicht erwartet, als er 1943 sagte: "Ich denke, es gibt weltweit einen Markt für vielleicht fünf Computer."

Henrik Hölzer, 16 Jahre

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