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Geschichtsbilder: Eine Seite aus dem Album "Die Suche", das die NS-Zeit behandelt.

© Illustration: Anne-Frank-Stiftung

Comics in der Schule: Aus Bildern lernen

Ob in Deutsch, Geschichte, Kunst oder Fremdsprachen: Immer öfter werden Comics im Unterricht eingesetzt. Anregungen für Lehrer gibt es am heutigen Montag bei einer Veranstaltung mit Experten im Tagesspiegel.

Als mittelalterlicher Landsknecht hatte man es nicht leicht. „Immer müssen wir nach der Pfeife von Wallenstein tanzen“, beklagt sich ein bewaffneter Kämpfer bei seinem Gefährten. „Ist doch gut, endlich eine Abwechslung“, entgegnet der. Die Szene hat der Achtklässler Alexander Wuttig gezeichnet, als Teil einer Bildgeschichte zum Dreißigjährigen Krieg. Er besucht die Heinrich-von-Stephan-Schule in Moabit und hat kürzlich mit seinen Mitschülern im Geschichtsunterricht historische Themen als Comic aufgearbeitet – im Rahmen eines Projekts, das seine Schule mit dem Deutschen Historischen Museum veranstaltet.

Das Projekt ist ein Beispiel für einen Trend, der in den vergangenen Jahren in vielen Schulen zu sehen ist: Immer öfter nutzen Lehrer Comics im Unterricht. Und immer mehr Pädagogen, die einst selbst mit Comics aufgewachsen sind und sich die Freude daran auch als Erwachsene bewahrt haben, bauen dabei nicht nur auf „Asterix“, „Vater und Sohn“ oder andere Genreklassiker, die in früheren Jahrzehnten meist die einzigen Comics im Schulunterricht waren, sondern setzen modernere Werke ein.

Von wegen tote Sprache: Flix' Cartoons gibt es auch auf Latein.
Von wegen tote Sprache: Flix' Cartoons gibt es auch auf Latein.

© Carlsen

„Mittlerweile wird dem Comic mehr zugetraut, als Schüler lediglich zu unterhalten, zu belustigen, zu motivieren oder ihnen die Lesearbeit abzunehmen. Mit ihm kann fachlich Relevantes gelernt werden“, sagt der Historiker und Germanist René Mounajed. Der Studienrat hat zum Thema Comics in der Schule promoviert („Geschichte in Sequenzen“, Verlag Peter Lang, 300 Seiten, 49,80 Euro). Zusammen mit Stefan Semel hat er kürzlich zudem eine illustrierte Handreichung veröffentlicht, in der er Geschichtscomics vorstellt und didaktisch aufbereitet hat („Comics erzählen Geschichte“, 76 Seiten mit Bilder-CD, Verlag C.C. Buchner, 24 Euro).

„Comics lassen sich als Unterrichtsmittel in fast allen Fächern sinnvoll einsetzen “, sagt Dietrich Grünewald, Professor für Kunstwissenschaft und einer der führenden Experten bei der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Comics. Er hat sich dem Thema zuletzt in einem Aufsatz im Sammelband „Medien im Deutschunterricht - Comics und Animationsfilme“ gewidmet (Kopaed-Verlag, 230 Seiten inkl. CD mit Illustrationen, 16,80 Euro).

Der praktische Nutzen von Comics variiert von Fach zu Fach: Für Deutsch zum Beispiel kann die Vermittlung von Literatur vereinfacht und vertieft werden, indem Schüler zu ausgewählten Werken einen Comic erarbeiten, wie der Zeichner Stefan Dinter festgestellt hat. Er vermittelt über das Projekt „Unterricht im Dialog“ Profis aus verschiedenen Literaturbereichen als Dozenten an Schulen. Geschichtscomics können Schülern wiederum das zeigen, was Historiker Mounajed als „De-Konstruktionskompetenz“ bezeichnet – also das Verständnis dafür fördern, wie Geschichte geschrieben wird. Und beim Erlernen von Fremdsprachen, so hat Sprachwissenschaftler Xavier Bihan von der Humboldt-Universität festgestellt, können Schüler „über einen spielerischen, unterhaltsamen Umgang mit der Materie auch mit einem geringen Wortschatz schon sehr schnell erste Erfolgserlebnisse erzielen“.

Fächerübergreifend geeignet: Shaun Tans Erzählung "Die Suche" erzählt vom Thema Migration.
Fächerübergreifend geeignet: Shaun Tans Erzählung "Die Suche" erzählt vom Thema Migration.

© Illustration: Carlsen

„Comics sind ein ideales Medium, um Themen fächerübergreifend zu behandeln“, sagt auch Stefan Neuhaus, Kunstlehrer am Leonardo-da-Vinci-Gymnasium in Neukölln. Er hat kürzlich mit seinen Schülern die preisgekrönte Bildgeschichte „Ein Neues Land“ des australischen Zeichners Shaun Tan im Unterricht analysiert und als Grundlage für eigene Bildgeschichten genutzt. In dem Buch geht es um die Erfahrungen einer Einwandererfamilie. Zeitgleich behandelten die Schüler im Englischunterricht das Thema Emigration. Neuhaus sitzt dem Berliner Landesverband des Fachverbands für Kunstpädagogik (BDK) vor, der die Veranstaltung zum Thema am 21. Februar (siehe unten) mit dem Tagesspiegel organisiert.

Die neue Wertschätzung des einst als trivial verpönten Mediums im Unterricht, die sich auch in mehreren Comicveröffentlichungen der Bundeszentrale für politische Bildung zeigt, geht mit einer Vielzahl an Fachliteratur einher. So hat die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur eine Wanderausstellung für Schulen zum Thema deutsch-deutsche Teilung konzipiert, die aus Episoden des Zeichners Flix besteht. Die erschienen unter dem Titel „Da war mal was…“ im Tagesspiegel und sind inzwischen als Buch ein Bestseller.

Kriegsgeschichten: Eine Zeichnung des Berliner Achtklässlers Alexander Wuttig aus einem Projekt zum Dreißigjährigen Krieg.
Kriegsgeschichten: Eine Zeichnung des Berliner Achtklässlers Alexander Wuttig aus einem Projekt zum Dreißigjährigen Krieg.

© Illustration: Privat

Tagesspiegel-Akademie - Informationen

DIE VERANSTALTUNG
Wie lassen sich Comics im Unterricht einsetzen? Welche Comics sind für welche Fächer geeignet? Wie können Schüler damit kreativ umgehen? Darüber können sich Lehrer und Lehrerinnen sowie allgemein Interessierte bei einem Abend der Tagesspiegel-Akademie und des Fachverbands für Kunstpädagogik informieren.

DIE EXPERTEN
Am 21. Februar von 18–20 Uhr berichten vier Experten mit vielen Bildbeispielen über verschiedene Fächer: Professor Dietrich Grünewald, einer der führenden deutschen Comicwissenschaftler, spricht über „Kunst und Comic“, René Mounajed über „Geschichtsvermittlung im Comic“, Zeichner Stefan Dinter über „Deutsch und Comic“ und der Sprachwissenschaftler Xavier Bihan über Sprachvermittlung des Französischen im Comic. Außerdem wird Felix Görmann alias Flix, einer der produktivsten deutschen Comiczeichner und regelmäßig im Tagesspiegel vertreten, Einblicke in seine Arbeit geben. Tagesspiegel-Redakteur Lars von Törne wird die Veranstaltung moderieren.

DER ORT
Die Veranstaltung findet im Tagesspiegel-Gebäude (Askanischer Platz 3, 10963 Berlin) statt, Eintritt 12 Euro (BDK-Mitglieder 10 Euro). Anmeldung unter Tel. 29021-520.

Am 11. November ist eine ganztätige Fachtagung in der Kunstschule „Atrium“ in Reinickendorf geplant. Mehr Informationen per E-mail unter: stfneuhaus@aol.com

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