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Vielfältig: Der Comic-Atlas gibt einen guten ersten Überblick über die finnische Szene.

© Reprodukt

Frankfurter Buchmesse: Die Erben der Mumins

Farbenfroh, jung und lebendig: Finnland, Ehrengast der Frankfurter Buchmesse, fördert Künstler und präsentiert experimentierfreudige Comic-Kunst.

Im hohen Norden gedeiht eine ganz besonders lebendige Comic-Szene: „Wir haben in den letzten zehn Jahren viel dafür getan, finnische Comic-Künstler und ihre Arbeit zu fördern“, sagt Kalle Hakkola. Der engagierte Mittvierziger hat das Comic-Zentrum und die Finnish Comic Society aufgebaut, eine regionale und internationale Plattform. Sie fördert Künstler, vermittelt Stipendien, veranstaltet Tagungen, vermittelt Ausstellungen. Und das Comic Centre Helsinki ist ein Veranstaltungsraum für Ausstellungen und Workshops - mitten im Univiertel, mit einem Café, das ein junges, kunstaffines Publikum anlockt.

Das sind Strukturen, die sich bezahlt machen. „Wenn Comic-Kunst gefördert wird, zieht das weite Kreise“, ist Hakkola überzeugt. Das finnische Kultusministerium investiert 300.000 Euro jährlich in die heimische Comicszene: Viele Künstler bekommen Projektstipendien und könnten sich so gezielt ihrer Arbeit widmen. Zwar sei das Land klein, doch gebe es rund 100 Künstler, die sich ausschließlich mit grafischer Kunst und Comics beschäftigten. „Diese Künstler leben von den Kunstwerken, die bei Ausstellungen verkauft werden, und ihren Publikationen“, sagt Hakkola. Hinzu kämen weitere 300 bis 500 Künstler, die sich immerhin gelegentlich mit der Kunstform des Comics beschäftigten.

Tove Jansson ebnete den Weg

Die Comicszene ist farbenfroh, jung und lebendig. Was mit den kugelrunden „Mumin“-Figuren von Tove Jansson in den 50er Jahren begann, wird heute von modernen Künstlern experimentierfreudig fortgesetzt: Da gibt es den Autodidakten Mika Lietzén und seine Alltagsgeschichten, die historisch orientierten Geschichten der Zeichnerin Tiitu Takalo, die zarten Liebesgeschichten von Reeta Niemensivu. Oder den renommierten Zeichner Ville Tietäväinen, dessen Graphic Novel „Unsichtbare Hände“ von einem marokkanischen Flüchtling erzählt, der illegal in Südspanien Arbeit sucht.

Eine klassische Ausbildung zum Comic-Zeichner gibt es bislang nicht in Finnland. Die meisten Künstler studieren Grafikdesign oder Kunst - oder eignen sich ihre Kenntnisse als Autodidakten an. „Die Kunstformen zwischen Comic, Cartoon und Karikatur sind fließend“, meint Hakkola. Er hält ein eigenes Comic-Studium daher auch nicht für sinnvoll. Allerdings wünscht er sich mehr Kurse an den Universitäten, die sich mit dem Thema beschäftigen. Denn die Kunstform ist gefragt: Knapp 9,7 Millionen Euro wurden im vergangenen Jahr mit finnischen Comics umgesetzt.

Unterstützt wird die Verbreitung durch das Comic-Festival, das einmal jährlich in Helsinki stattfindet. Neben dem offiziellen Ausstellungsprogramm mit Workshops und Veranstaltungen bekommen Künstler in einem bestimmten Areal kostenlos ein Zelt zur Verfügung gestellt. Hier können sie ihr Werk präsentieren und ihre Kunst verkaufen. Das „Finish Literature Exchange“-Programm (FILI) fördert zudem den Export der Comics, indem Übersetzungen und Druckkosten bezuschusst werden.

Besonderen Wert legt das Comiczentrum auf die Bildungsarbeit. Deshalb gibt es Zeichenworkshops für Kinder und Jugendliche, Kurse für Senioren oder für Menschen mit Behinderungen. Sogar ein Kurs für Gehörlose wird angeboten - schließlich spielt die visuelle Darstellung eine besondere Rolle bei dieser Zielgruppe.

Darüber hinaus fördert das Comiczentrum die internationale Vernetzung: Jedes Jahr gastieren vier bis fünf Künstler aus dem Ausland ein paar Monate lang in Finnland. Für den Künstler-Austausch hat Hakkola mit seinem Team ein länderübergreifendes Projekt ins Leben gerufen, das unter anderem mit EU-Fördermitteln finanziert wird. Inzwischen reichen die Kontakte bis nach Osteuropa und Asien: Im kommenden Jahr plant er einen Austausch mit Comic-Künstlern aus Hongkong.

Jetzt aber erst einmal Frankfurt. Der „Comic-Atlas Finnland“ (Reprodukt-Verlag), der samt Ausstellung auf der Buchmesse (8. bis 12. Oktober) präsentiert werden soll, ist 240 Seiten stark. Auf dem Titelbild hat Künstler Marko Turunen ein Flugzeug gezeichnet, aus den Fenstern starren bizarre grüne Wesen: Hei, die Finnen kommen! (epd)

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