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Freund oder Feind? Ein mysteriöser Fremder bedroht die Erde.

© Promo

Manga: Mörderische Freundschaft

Naoki Urasawas Manga-Thriller „20th Century Boys“ begeistert Fans und Kritiker gleichermaßen. Jetzt wurde die Reihe mit einem Eisner Award geehrt. Mangazeichnerin Inga Steinmetz erklärt, was das Besondere an der Serie ist.

Kindheitserinnerungen kommen in vielen Facetten: Süß und klebrig wie die Unmengen an Schokolade, die man damals verdrückt hat, oder bitter wie der Nachgeschmack einer verlorenen ersten Liebe. Die damaligen Berufswünsche kamen und gingen: Astronaut, Doktor, Feuerwehrmann. Viele Kinder wollen etwas Besonderes werden, Menschen helfen, etwas Heldenhaftes tun.

Auch der japanische Junge Kenji träumt in den 70ern von einer außergewöhnlichen Karriere: Er möchte Rockstar werden. Doch Kenji kommt aus einer armen Familie, ist ein Faulpelz und Nichtsnutz, seine erste Gitarre schenkt ihm daher seine gutmütige Schwester.

Doch selbst viele Jahre später ist nichts aus seiner Karriere geworden, Kenji jobbt weiter mehr schlecht als recht in dem kleinen Laden seiner Eltern, weit entfernt davon, etwas Heldenhaftes zu tun.

Was ist aus seinen Träumen geworden? Aus den Geheimnisbasis im hohen Gras, in der er zusammen mit seinen Freunden die Menschheit vor dem Untergang retten wollte?

Kenji lässt sich treiben, das Baby seiner Schwester auf dem Rücken, die unter mysteriösen Umständen verschwunden ist.

Ein Selbstmord, der keiner ist

Doch langsam schleicht sich das Außergewöhnliche in Kenjis Leben. Einer seiner alten Schulkameraden nimmt sich scheinbar grundlos das Leben, doch es steckt mehr dahinter. Aus einer Ahnung heraus, beginnt sich Kenji mit dem Vorfall zu beschäftigen. Und obwohl seine anderen Schulfreunde abwinken, ist Kenjis Tatendrang aus vergangenen Tagen erneut geweckt. Vielleicht ist dies seine letzte Chance, etwas zu bewegen. Bei seinen Nachforschungen stolpert er über eine Menge Ungereimtheiten. Und immer wieder über ein seltsames Symbol, einen erhobenen Zeigefinger umrahmt von einem Auge.

Wettlauf mit der Zeit: Eine Szene aus dem Thriller.
Wettlauf mit der Zeit: Eine Szene aus dem Thriller.

© Panini

Und hier beginnt der eigentliche Kern der Geschichte: Kenji kennt dieses Symbol, denn er war derjenige, der sich das Zeigefinger-Auge als Kind ausgedacht hat.

Damals in ihrer Blätter-Geheimbasis entwarf er zusammen mit seinen Freunden ein Weltuntergangsszenario: Strahlenpistolen, Giftgas und Riesenroboter sollten die Menschheit bedrohen. All das wurde in einem Malbuch festgehalten, und Kenji und seine Freunden waren diejenigen, die die Erde retten wollten.

Könnte es sein, dass jemand dieses Szenario nachempfinden will? Die Hinweise darauf verdichten sich.

Weltherrschaft um jeden Preis

Währenddessen formiert sich im Land eine wachsende Gruppierung, eine Art Sekte, die einen mysteriösen Anführer hat: Den „Freund“. Diese Person hat scheinbar nichts Geringeres als Ziel als die Weltherrschaft und ist bereit, dafür über Millionen von Leichen zu gehen.

Die Vorgehensweise des „Freundes“ richtet sich dabei strikt nach dem „Buch der Prophezeiungen“ und zur Jahrtausendwende schreibt dieses Buch einen furchtbaren Giftgasanschlag vor. Spätestens hier wird dem Leser klar: Einer von Kenjis Freunden steckt hinter dem furchterregendem Anführer, denn wer sonst sollte Kenntnis von Kenjis Kinderphantasien haben. Doch wer ist es?

Es beginnt ein Wettlauf mit der Zeit, denn Kenjis Erinnerungen an seine Jugend sind bruchstückhaft. Wird es ihm gelingen, die Welt vor dem mysteriösen „Freund“ zu retten? Kenji hat die Chance, ein echter Held zu werden. Oder alles zu verlieren.

Komplett: Der Abschlussband der Serie.
Komplett: Der Abschlussband der Serie.

© Panini

Naoki Urasawa ist sowohl ein Liebling der Fans, als auch der Kritiker und wurde mit vielen Preisen ausgezeichnet – zuletzt am Wochenende mit einem Eisner Award, dem Oscar der US-Comicbranche (mehr dazu unter diesem Link). „20th Century Boys“ reiht sich nahtlos in sein übriges Werk ein und ist gewohnt meisterhaft erzählt. Nimmt man einen Band zur Hand, kann man nicht mehr aufhören, so flüssig kommt die Geschichte daher. Die Abfolge der Bilder ist ruhig und geordnet und macht den Manga auch für Neulinge geeignet. Die vielen Figuren sind gut voneinander zu unterscheiden und Naoki Urasawa arbeitet mit sicherem Strich. Beachtlich sind auch die Hintergründe, die besonders in den Rückblenden in Kenjis Kindheit viel zur Atmosphäre beitragen.

Die große Anzahl der Bände sollte nicht abschrecken. Erschreckend ist eher die Geschwindigkeit, mit der man über die Seiten fliegt, um dann festzustellen, dass draußen bereits die Sonne untergegangen ist.

Naoki Urasawa: „20th Century Boys“, auf Deutsch bei Panini – hier geht es zur Verlags-Website. Die ersten Bände der inzwischen auf Deutsch komplett vorliegenden Serie sind zwar beim Verlag vergriffen, aber auch heute noch mit etwas Geduld gut zu bekommen.

Unsere Gastautorin Inga Steinmetz lebt in Berlin und zeichnet unter anderem die Serie „Freche Mädchen - freche Manga!" (Tokyopop). Mehr über Inga Steinmetz findet man auf ihrer Website. Und Ingas andere Mangarezensionen für den Tagesspiegel finden sich unter diesem Link.

Inga Steinmetz

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