Online-Comics: Reich und berühmt durchs Internet
Die digitale Revolution hat den Comic verändert. Für Zeichner und Verleger bedeutet das neue Chancen, aber auch neue Herausforderungen, wie bei einer Diskussion beim Comicfestival München deutlich wurde.
Kreative Ideen lassen sich schnell und einfach umsetzen und sofort veröffentlichen – das ist einer der Vorteile der leicht zu handhabenden Technik, die Comicmachern heutzutage zur Verfügung steht. Danach tauchen jedoch die Probleme auf: Wie lässt sich damit verdienen? Wie lassen sich Produkte jenseits der digitalen Welt vertreiben? Um derartige Fragen ging es bei einer Veranstaltung unter dem Titel „Webcomics 2.0 – Veröffentlichungsmöglichkeiten und Marketing im Web“ beim Comicfestival München, das am Wochenende zu Ende ging.
Unter der Moderation von Anne Delseit äußerten sich die Künstler Johanna „Schlogger“ Baumann, Sarah „La“ Burrini, Mario „Maobul“ Bühling, ‚Doppel’-Tim Gaedke und Stefan Dinter, Mitinhaber des Zwerchfell-Verlags, sowie der Betreiber des Webcomic-Versands „Kwimbi“, Jörg Faßbender, zu den Möglichkeiten, die sich Künstlern und Verlegern durch die neuen Technologien des Web 2.0 eröffnen.
Was das liebe Geld angeht, liegt ein Problem darin, dass sich Inhalte im Internet zwar theoretisch mit der Installation von Bezahlsystemen wie Flattr oder PayPal honorieren lassen, jedoch schlagen sich diese in der Praxis oft nur in mageren Gewinnmargen für den Ersteller der Inhalte nieder. So stellt sich die Frage nach einer gedruckten Variante der Online eingestellten Inhalte oder der Vermarktung derselben in Form von Merchandise. Hier kommen Verlage wie Zwerchfell oder ein Vertrieb wie Kwimbi ins Spiel. Letzterer widmet sich vorwiegend der Betreuung von Künstlern aus dem Bereich Webcomic.
Sarah Burrini, Autorin und Zeichnerin des Strips von „Das Leben ist kein Ponyhof“, ist sowohl bei Kwimbi als auch beim Zwerchfell-Verlag vertreten. Bei Kwimbi werden in erster Linie Merchandise-Produkte wie Tassen, Drucke oder Buttons zu ihrer Webcomic-Serie um eine mitten im Leben stehende Nerd-Frau und ihre skurrilen WG-Mitbewohner vertrieben. Diesen Geschichten entstammendes Personal wie das Pony Butterblume oder der Elefant Ngumbe Tembo gibt es überdies als Plüschfiguren zu erwerben.
Zusätzlich setzt man dort auf spezielle Versionen ihrer beim Zwerchfell-Verlag erschienenen regulären Ausgaben, so kann man unter anderem signierte und auf Wunsch mit Skizzen versehene Editionen erhalten. Es gibt auch Ponyhof-T-Shirts, diese sind allerdings nur über Spreadshirt erhältlich. Das, was sich hier wie ein Imperium anhört, ist in Wirklichkeit bestenfalls ein Kleinunternehmen. Um ihre Existenz zu sichern, muss Sarah Burrini immer wieder Illustrationsaufträge für Zeitschriften und ähnliches übernehmen. Und der gegenwärtige Status Quo nahm viele Jahre Arbeit in Anspruch.
Der Verkauf von „Danach“, der Bachelorarbeit von Johanna Baumann alias schlogger, die im Panini-Verlag veröffentlicht wurde, läuft nicht schlecht und es gab sogar bereits Abschlagszahlungen. Trotzdem möchte Schlogger, die von ihr erdachten „Gehirnfürze“, die parallel auf ihrer Webseite erscheinen, nicht für eventuell lukrativere Printausgaben produzieren, da sie gerne mit Formaten experimentiert, die den herkömmlichen Rahmen dessen, was durch Gedrucktes wiedergeben werden kann, sprengen würden. Die Umsetzung eines „infinite canvas“, einer unendlichen Leinwand, die man ohne Begrenzung nach unten scrollen kann, stellte schon für Tokyopop bei der Umsetzung von Daniel Lieskes „Wormworld“ eine Herausforderung dar. Von der eingeschränkten Farbwiedergabe, animierten Bewegtbildern (GIF) oder auf Cursorklick sich verändernde Farben oder Hinter- und Vordergründe innerhalb eines Panels ganz zu schweigen.
So ist der Webcomic eine Hybridform, nicht nur in seiner Definition, die von der des Printcomic an Hand der eben angeführten Beispiele erkennbar abweicht, sondern auch in seiner Funktion für den Künstler: Einerseits dient er als Starthilfe um sich zu etablieren und seinen Bekanntheitsgrad zu festigen, andererseits kann er hier von redaktionellen Vorgaben oder physikalischen Formatzwängen befreit uneingeschränkt experimentieren. Die Auswirkungen auf den Verkauf der Endprodukte, so vorhanden, sind allerdings marginal, es sei denn, man vertreibt seine Werke im PDF-Format gegen Bezahlung, wie es Tim Gaedke über seine Webseite macht.
Da kommen natürlich Dinge wie eine gelungene Public Relation-Arbeit ins Spiel, die man heutzutage eher mit Social Networking gleichsetzen muss. Soziale Netzwerke wie Twitter, Tumblr oder Facebook bieten eine Möglichkeit, bei geringem Aufwand eine breite Streuung der eigenen Inhalte zu erzielen. Sneak Previews, Art Samples, Ankündigungen von Signierstunden, alles ist in Echtzeit und Unmittelbarkeit für die Fans des Künstlers erfahrbar. Doch derartige Accounts dürfen nicht zu einem reinen Werbewerkzeug verkommen, gerade erst die persönliche Note beziehungsweise Authentizität lässt die Werbung nicht als solche erscheinen. Die Personalisierung des Accounts birgt aber auch die Gefahr verärgerter Fans, die von Künstlern mit 6.000 Freunden oder Followern sofort eine Antwort auf ihre Anfragen erwarten. Im schlimmsten Fall können derartige Verwirrungen in digitalem Stalking enden.
Was aber treibt einen „klassischen“ Print-Verlag wie Zwerchfell dazu, sich ausgerechnet mit Webcomics zu befassen? Stefan Dinter, der noch die Blüte fanproduzierter Magazine der 1970/80er Jahre miterlebt hat, sagt, dass ihn das Gros der gerade populären Graphic Novels langweile. Erst in der seit Mitte/Ende der 1990er Jahre aufblühenden Webcomic-Community fand er den Geist dieser für ihn unangepassten und experimentierfreudigen Fanzine-Szene wieder. Derartige Energien wollte er auch für seinen von ihm in Zusammenarbeit mit Christopher Tauber betriebenen Verlag nutzen. Dinter, der Unternehmen wie Tokyopop oder Panini gern als Kleinverlage verspottet, sieht sich als Mittler zwischen zwei im Umbruch befindlichen Systemen kultureller Mediendistribution, den er gerne möglichst schmerzfrei für alle Beteiligten mitgestalten würde.
Jörg Faßbender, beziehungsweise Kwimbi, setzt an einer ähnlichen Schnittstelle an: Natürlich sollen die Künstler mit ihrer Arbeit Geld verdienen können, was zum Beispiel für Mario Bühling alias Maobul einfacher wird, wenn er auf der eigenen Seite katzenfuttergeleespritzer.de einfach auf seine „Tales from the Web“-Hefte bei Kwimbi verweisen kann. Ebenso bedeutet das von Faßbender gleichfalls mitvertriebene Merchandising oft ein wichtiges Zubrot für die Künstler, welches ihnen die Weiterführung ihrer Arbeit ermöglicht und sie nicht mit zeitraubenden Tätigkeiten wie Versand und der Führung von Kundenkonten konfrontiert. So fasste Sarah Burrini den gegenwärtigen Ist-Zustand treffend zusammen, als sie abschließend bemerkte: „Der digitale Markt ist die Zukunft, aber nicht die Gegenwart.“