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Kultur: Ich versteh nur Chinglisch

„Found in Translation“: Die Deutsche Guggenheim leistet Übersetzungsarbeit.

In Berlin ist die Arbeitssprache Englisch. Zumindest unter den jungen Künstlern dieser Stadt. Meistens ist es nicht ihre Muttersprache, sie kommen aus der ganzen Welt. Aber wer, wenn nicht sie, könnte besser über Kommunikation in Zeiten der Globalisierung Bescheid wissen. Neun Künstler – von Keren Cytter über Patty Chang und Sharon Hayes – haben sich nun in der Deutschen Guggenheim zu Wort gemeldet. In ihrer eigenen Sprache, der Kunst.

Wenn Worte in eine andere Sprache wandern, dann nehmen sie auf dem Weg vom Absender über den Übersetzer bis zum Adressaten so einiges mit: Die Interpretation des Übersetzers, seinen eigenen kulturellen Hintergrund, seine Absichten. Deshalb lautet der Titel der Ausstellung auch nicht „Lost in Translation“ wie der Film von Sofia Coppola sondern „Found in Translation“.

Die New Yorker Künstlerin Lisa Oppenheim, geboren 1975, war fasziniert von den Übersetzungen chinesischer Gedichte durch den Schriftsteller Ezra Pound, der die Schriftzeichen in sehr bildliches Englisch übertrug – heutige Neuübersetzungen sind wesentlich nüchterner. Oppenheim potenziert Pounds Bildlichkeit, in dem sie einem von ihm übersetzten Gedicht des chinesischen Lyrikers Li Bai aus dem 18. Jahrhundert Filmaufnahmen gegenüberstellt. Sie lässt sie über einen Projektor parallel zu den Worten ablaufen. Gedreht hat sie diese Motive in China Town, an einem Ort also, an dem sich Chinesisch und Englisch ständig mischen und modifiziert werden.

Auch Alejandro Cesarco widmet sich literarischen Vorbildern und hängt zehn englische Übersetzungen von Dantes Gedicht „Inferno“ nebeneinander, die alle ab dem 19. Jahrhundert entstanden sind. Die Sprache wird moderner, klarer, aber Bedeutungen verschieben sich auch. Hier hängen zehn Interpretationen nebeneinander, zehn verschiedene Werke.

Dass Übersetzer auch Autoren sind, diese Erkenntnis ist nicht neu. Immerhin werden Übersetzer für ihre literarische Leistung ausgezeichnet. Interessant wird es erst, wenn die Kunst die Schattenseiten aufzeigt, wenn es um Missverständnis und Instrumentalisierung geht.

Die Mutter des amerikanischen Künstlers Matt Keegan ist Englischlehrerin. Zum Lehren von Vokabeln hat sie Bilder aus Magazinen und Anzeigen ausgeschnitten, die die jeweiligen Worte illustrieren sollen. In einer Videoinstallation zeigt sich, dass ein „Gutes Frühstück“ für sie offensichtlich aus Wurst, Spiegelei und Pancakes besteht, und dass „glücklich“ bei ihr mit einem grinsenden Tom Selleck gleichgesetzt wird. So werden ihre Schüler, meist erwachsene Einwanderer aus Mittel- und Lateinamerika, gleich auf einen vorgeblichen American way of life eingenordet.

Mit dem schiefen Verhältnis zwischen Bild, Schrift und Inhalt arbeitet auch die chinesische Künstlerin O Zhang. Sie hat Mädchen fotografiert, die T-Shirts mit Slogans auf „Chinglisch“ tragen. Die Klamotten sind für den chinesischen Markt produziert, da schleichen sich Druckfehler ein und rauben den Sprüchen jeglichen Sinn. Das ist schon lustig. O Zhang hat zusätzlich Zitate von Mao Zedong darunter drucken lassen. Da steht etwa: „Salutiert den Patrioten“, während ein Teenie auf dem Platz des Himmlischen Friedens in die Kamera lächelt und auf der Brust zu lesen ist: „It’s All Good in the Hood.“ Zynisch, denn die Ordnung auf dem Platz wird durch strenge Kontrollen hergestellt – und von der Niederschlagung der Protestbewegung 1989 scheint das Mädchen auch noch nichts gehört zu haben.

Weil der durchschnittliche Guggenheim-Besucher kein Mandarin beherrscht, muss die Künstlerin Erläuterungen hinzufügen, die nicht nur die Slogans übersetzen, sondern auch den soziokulturellen Hintergrund dazu liefern. An dieser Stelle wächst die Arbeit über sich hinaus. Internationale Kunst, die von einem Kurator des Guggenheim Museum, dem New Yorker Nat Trotman, für Berlin zusammengestellt wurde, bedarf eben der Übersetzung. Das ist noch mal ein Kommentar zur Ausstellung.

Deutsche Guggenheim, bis 9.4., Unter den Linden 13/15, tägl. 10-20 Uhr

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