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Kultur: Kampf um die „Festung Breslau“

Auch der DDR-Maler Bernhard Heisig bekannte erst spät seine Mitgliedschaft in der Waffen-SS

Der Besuch von Bundeskanzler Kohl mit US-Präsident Reagan auf dem Soldatenfriedhof von Bitburg 1985, so ein Argument der Debatte um das späte Bekenntnis von Günter Grass, sei der richtige Zeitpunkt gewesen, die eigene Mitgliedschaft in der Waffen-SS offenzulegen. Für Bernhard Heisig, Jahrgang 1925 und einer der Protagonisten der „Leipziger Schule“ der DDR-Malerei, gilt das wohl kaum – er war zu diesem Zeitpunkt von den SED-Oberen zwar misstrauisch beargwöhnt, aber doch als Parteifunktionär und zweimaliger Rektor der Leipziger Kunsthochschule ein reputierliches Mitglied des Kulturbetriebs. Später, zur Zeit der Wende, wurde er zu einem Hauptkritiker eben dieses parteigelenkten Betriebs. Der Schock kam später: 1998, als er einräumte, in jungen Jahren Mitglied der Waffen-SS gewesen zu sein. Was Günter Grass heute an Unverständnis und Kritik entgegenschlägt, prasselte seinerzeit auf Heisig nieder.

Dabei war die Waffen-SS-Vergangenheit bereits 1989 in einer Katalog-Biografie vermerkt worden. Doch erst als Heisig 1998 für die künstlerische Ausgestaltung des umgebauten Reichstagsgebäudes nominiert wurde, kam es zu öffentlichem Protest. Heisig erläuterte, als Kriegsfreiwilliger 1942 eingezogen und 1943 der Panzerdivision „Hitlerjugend“ der Waffen-SS zugeteilt worden zu sein.

In seinen Bildern hat er stets gegen den Krieg angemalt; das kam auch in der DDR gut an, die ihn lange für ihr Selbstverständnis als „antifaschistischer“ Staat vereinnahmte. Immer wieder hat Heisig seine schrecklichen Erlebnisse bei der Verteidigung der „Festung Breslau“ Anfang 1945 verarbeitet, in vielschichtigen Bildkompositionen, die die NS-Barbarei mit dem Militarismus Preußens in Verbindung brachten. Man konnte diese Bilder als politische Anklage verstehen, aus ihnen aber auch die Beschwörung der Apokalypse schlechthin herauslesen. Dass Heisig nicht nur Opfer war, sondern zugleich Mittäter, gab dem Verständnis seiner Bilder später eine neue Dimension.

In der DDR war die Verurteilung „des Faschismus“ allgegegenwärtig, die Auseinandersetzung mit der persönlichen Vergangenheit indessen Tabu. Für Heisig, der seine Erfahrungen mit der Staatspartei bereits 1964 machen musste, als ihn die SED-Führung wegen dessen Kritik am „Bitterfelder Weg“ als Rektor der Leipziger Hochschule absetzte, muss es undenkbar gewesen sein, die Vergangenheit als 17- bis 20-Jähriger, zudem 1947 aus seiner Heimatstadt Breslau Vertriebener öffentlich aufzuarbeiten.

Umso schwerer wog, dass er die Gelegenheit der Wende und der von ihm mitbetriebenen Abrechnung mit der SED-Kulturpolitik verstreichen ließ, ohne die eigene Verstrickung in totalitäre Regimes zu thematisieren. Zumal Heisig in den Achtzigerjahren zu einer Art gesamtdeutschem Maler wurde, mit Ausstellungen im Westen seit seinem Erstauftritt bei der Kasseler documenta von 1977, mit einer Retrospektive 1989 im damaligen West-Berlin, die noch im ersten Arbeitsprogramm des deutsch-deutschen Kulturabkommens vereinbart worden war. 2005 erhielt er erneut eine Retrospektive in Berlin. Im Gespräch mit dem Tagesspiegel meinte er damals, erst „nach und nach“ sei beim ihm ein „Schuldgefühl“ gewachsen. Lieber sprach er von „Verstricktheit“ ins „Schicksal“.

Die Kritik an Krieg und NS-Diktatur kam auch im Westen gut an – und die DDR ließ Heisig, wie auch seinem Leipziger Kollegen Wolfgang Mattheuer, den quasi-dissidentischen Status gern durchgehen, verschaffte er ihr doch zugleich Reputation beim „Klassenfeind“, so, als er 1986 Helmut Schmidt porträtierte.

Auch dieser Dialektik hatte sich Heisig, der 1989 seine beiden DDR-Nationalpreise aus Protest gegen „Machtmissbrauch und Korruption“ zurückgab, nicht stellen mögen. Er wand sich unter dem Vorwurf, nie Anlass und Notwendigkeit gesehen zu haben, seine Vergangenheit zur Gänze in den Blick zu nehmen.

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