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Manfred Rettig, hier noch als Vorstand der Stiftung Berliner Schloss.

© dpa

Manfred Rettig und das Humboldt-Forum: Auf der Welle der Grundsatzkritik

Nach Klaus Lederer kritisiert jetzt auch Manfred Rettig die Pläne fürs Humboldt-Forum. Der plötzliche Wunsch des ehemaligen Schlossstiftungschefs nach Visionen erstaunt einen dann doch.

Nach der Kreuz-Debatte ist vor der Humboldt-Debatte. Ein bisschen Sommerloch gibt’s in der Kultur durchaus, trotz Documenta, Salzburg und Waldbühne. Und weil der Volksbühnen-Zoff alleine nicht lochfüllend ist, sorgen jetzt die Humboldt-Forum-Kritiker für Wirbel im Wasserglas. Nach Berlins Kultursenator Klaus Lederer, der von einem drohenden Desaster im Schloss spricht, meldete sich nun Manfred Rettig zu Wort. Der ehemalige Schloss-Stiftungschef fordert im „Morgenpost“-Interview Kanzlerin Merkel auf, das Humboldt-Forum zur Chefsache zu erklären. Ausgerechnet der Mann, der als Schlossbaustellenmeister auf die strikte Einhaltung des Zeit- und Kostenplans gepocht hatte und nicht zufällig genau in dem Moment ging, als der frisch installierte Gründungsintendant Neil MacGregor die festgezurrten Vorplanungen für die Präsentation der außereuropäischen Sammlungen mit ein paar klugen Fragen aufschnürte – ausgerechnet der Pragmatiker Rettig wünscht sich jetzt eine „übergeordnete Vision“.

Und entwickelt selber eine: Das Schloss solle nicht lediglich ein besseres Museum werden, sondern ein Haus der Weltkulturen für „Friedenskonferenzen oder Nachhaltigkeitsgipfel“, ein Alternativ-G 20-Gipfel mit „bürgerlichen Stimmen aus Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik“ alle zwei Jahre. Bei den Gründungsintendanten MacGregor, Hermann Parzinger und Horst Bredekamp handele es sich um Museumsleute (stimmt nicht ganz, Bredekamp ist Wissenschaftler): Da bestehe die Gefahr, dass der museale Aspekt überbetont und das Dialog-Zentrum (also der Veranstaltungsbereich im Erdgeschoss) ein Anhängsel werde.

Das Dilemma der vielen Chefs

Manfred Rettig sitzt im Kuratorium der Schloss-Stiftung. Nach seinen Mahnungen wegen der finanziellen Folgen kleinster Umplanungen kann ihm das Neudenken plötzlich nicht grundstürzend genug ausfallen. Wobei der Gedanke, dass Berlin einen Palaver- und Panel-Ort zu den vielen vorhandenen dazu bekommt, ja nicht gerade revolutionär ist.

Wie Klaus Lederer, der sich in den „Stuttgarter Nachrichten“ einen „diskursiven Neuanfang“ wünscht, surft Rettig auf der Welle der Grundsatzkritik, die der lautstarke Abgang der Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy aus der Expertenkommission ausgelöst hat. Und wie bei Savoy und Lederer ist zwar das Dilemma zu vieler Chefs – die beteiligten Museumsdirektoren, das Intendantentrio, die mehrköpfige Stiftungsleitung – richtig benannt. Aber die Konsequenz müsste lauten: Die Frage der künftigen Leitung des Hybrid-Orts zwischen Museum, Wissenschaft und Forum sollte ins Visier genommen werden. Weniger Chefs, eine Intendantin oder ein Intendant, das hilft bei Profilschärfung.

Ein Job für die Kulturstaatsministerin - oder wer immer in der Kulturpolitik das Sagen hat nach der Wahl. Kultursenator Lederer könnte derweil seinen Beobachterposten verlassen und sich als einer der mitverantwortlichen Player einmischen, der er ist: Berlin ist Schloss-Mitbewohner, das Land bespielt die Beletage. Oder Klaus Lederer soll sich offensiv distanzieren und den Ausstieg Berlins erklären, zugunsten einer großzügigeren Sammlungspräsentation. Der Regierende Michael Müller hatte Berlins Engagement im Schloss 2015 noch zur Chefsache erklärt.

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