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Nachruf: Jörg Hube: Der Moralist

Der Schauspieler und Rezitator Jörg Hube ist tot. Nachruf auf einen Zweifler, der eins mit sich war.

Jeder, der ihn einmal gesehen habe, wisse, „dass man sich die Karten für seine Vorstellungen blind kaufen kann“, hat Georg Ringsgwandl einmal über Jörg Hube geschrieben, und damit wäre ja eigentlich fast alles gesagt. Und doch nicht so ganz. Denn das eine am bayerischen Schauspieler Jörg Hube war, dass er einen gleich auf seiner Seite hatte, wenn er eine Bühne betrat: als Klosterbruder im „Nathan“, Polymestor in „Hekabe“, als „Sugardaddy“ oder eben als „Puntila“. Das andere war, dass er einen nicht nur sofort mitriss, sondern jedes Mal die Figuren aufbrach: Man sah dann ins Herz der Inszenierung hinein. Deshalb waren es die ambivalenten Charaktere, die Jörg Hube interessierten, denen konnte er ihr Geheimnis erspielen. Während er wie ein Monolith da stand und trotzdem immer ganz leicht schien, öffneten sich die doppelten Böden der jeweiligen Konstruktion. Dieses Spiel beherrschte Hube und am allerbesten lagen ihm die neurotisch-bayerischen Elemente, wie sie sich zum Beispiel in der Figur des Karl Grandauer versammelten, den er für die Familienserie „Löwengrube“ des Bayerischen Fernsehens verkörperte. Der Grandauer, meinte Hube, sei ein bisschen wie er: „Ein Moralist, der zur Intoleranz neigt und der die Ordnung braucht, um angesichts des großen Chaos ringsum nicht hysterisch zu werden – und eben deswegen hysterisch wird.“

Ja, er konnte laut werden: im Radio, das ihn prägte und seine Stimmenvielfalt beförderte, aber auch bei der Probe als Regisseur, Schauspieler und Kabarettist. Wenn er aber außer sich geriet, war er richtig bei sich, und die Einfälle sprühten nur so aus ihm heraus. Was er ganz und gar nicht konnte, war Taktieren. Und so kam es nicht zufällig, dass Jörg Hube, geboren 1943 in Neuruppin, aufgewachsen am Ammersee, die Leitung der Otto-Falckenberg-Schule, an der er ausgebildet worden war, Anfang der Neunziger zwar übernahm, aber auch nach zwei Jahren wieder abgab. Hube wollte spielen und spielen lassen, handeln, nicht verhandeln. Wahrscheinlich aber hat es nie einen besseren Leiter dieser Schule gegeben.

Ziemlich sicher hat es auch in den letzten Jahrzehnten keinen besseren Rezitator gegeben als Hube, dem man nur ein Buch geben musste (Karl Kraus, Oskar Maria Graf, ja, vor allem den!) und schon glühten die Zeilen vor Bedeutung und Hube konnte sich daran machen, die Temperatur immer noch zu steigern. Danach, im Wirtshaus, schmeckte er den Auftritten hinterher und war, wiewohl ein Zweifler, eins mit sich. Jörg Hube konnte, zum Beispiel als Frosch in der „Fledermaus“, einen Saal zum Toben bringen, aber auch dafür sorgen, dass Besinnung einkehrte. Seine schwere Krankheit ertrug Jörg Hube, ein feiner Mensch und großer, weil wahrhaftiger Schauspieler, mit fast heiterer Würde. Nun ist er im Alter von 65 Jahren in München gestorben.Mirko Weber

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