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Brandenburg: „Leitkultur ist ein Begriff, der niemandem nutzt“ Matthias Platzeck über Koalitionspartner Jörg Schönbohm, den Umgang mit der DVU und die Zusammenarbeit mit Berlin

Herr Ministerpräsident, Sie unterstützen Ihren Stellvertreter und Innenminister Jörg Schönbohm in der Debatte um die deutsche Leitkultur? Ich habe den Standpunkt der Landesregierung verdeutlicht: Jeder Mensch, der in die Bundesrepublik kommt und hier leben will, hat die Pflicht zum Erlernen der deutschen Sprache.

Herr Ministerpräsident, Sie unterstützen Ihren Stellvertreter und Innenminister Jörg Schönbohm in der Debatte um die deutsche Leitkultur?

Ich habe den Standpunkt der Landesregierung verdeutlicht: Jeder Mensch, der in die Bundesrepublik kommt und hier leben will, hat die Pflicht zum Erlernen der deutschen Sprache. Und er hat die im Grundgesetz festgelegten Regeln anzuerkennen und einzuhalten. Für die deutsche Gesellschaft heißt das wiederum: Integration ist tägliche Aufgabe.

Also sollen Ausländer die „deutsche Leitkultur“ übernehmen?

Der Begriff ist nicht hilfreich. Ich bin der festen Überzeugung, dass er missverständlich ist, nur Reflexe hervorruft und letztlich niemandem nützt.

Schönbohm spricht von Ghettos, die Ausländer gegründet hätten, „weil sie Deutsche verachten“.

Noch einmal: Ich kommentiere nicht einzelne Aussagen. Ich habe den Standpunkt der Landesregierung deutlich gemacht, der auch meiner ist.

Schönbohm hat auch erklärt, dass Forderungen der rechtsextremen DVU wie die nach Begrenzung des Ausländeranteils „Allgemeingut“ geworden seien. Eine Position, die Sie mittragen?

Nein, damit gehe ich nicht konform. Wie gesagt, nicht alle Vergleiche und Bemerkungen sind glücklich. Aber ich betone noch einmal ausdrücklich: Herr Schönbohm und ich sind uns in den Grundzügen und Grundanschauungen einig, was in unserer Gesellschaft nötig ist. Gelegentlich differenzierte Sichten liegen in unterschiedlicher Vita und politischer Heimat begründet.

Brandenburgs Parteien streiten über den Umgang mit der rechtsextremen DVU – wertet das die Braunen nicht auf?

Die Gefahr besteht. Das hat man in den letzten vier Wochen erleben können. Meine Position war von Anfang an, dass der Umgang mit der DVU in den letzten fünf Jahren nicht grundsätzlich falsch war. Dass die demokratischen Parteien und die Medien die DVU weitgehend ignoriert haben, war mit Sicherheit nicht der Grund für ihren erneuten Einzug in den Landtag.

Sie plädieren dafür, die Rechtsextremen weiter einfach rechts liegen zu lassen?

Der Ansatz der DVU, ihre politische Qualität, ist meist keine Debatte wert. Ich sage aber genauso deutlich: Wo es nötig ist, wo es sich anbietet, muss man sie entlarven, aber ohne ihr einen Nimbus zu verleihen. Den haben die Rechtsextremen weder von Leistungen noch von den Anschauungen her verdient.

Also sind die verbalen Attacken von SPD-Fraktionschef Günter Baaske, der die DVU als „Nazis“ und „NSDAP-Nachfolger“ bezeichnete, kontraproduktiv?

In Brandenburg gab es nach der Landtagswahl wie in Sachsen, wo die Rechtsextremen ebenfalls Erfolge errangen, eine Phase des Suchens nach den richtigen Reaktionen. Nicht jeder Satz, der da in den ersten Aufwallungen der Gefühle gesprochen wurde, war sinnvoll und glücklich.

Sie haben nach Ihrer Wahl frischen Wind und weniger Reibungsverluste in der Koalitionsregierung versprochen. Stattdessen pflegen SPD- und CDU-Politiker die alte Politik der gegenseitigen Nadelstiche.

Man sollte die Kirche im Dorf lassen. Es gab diese und jene Irritation, die für eine Anfangsphase auch nicht ungewöhnlich, aber gleichwohl entbehrlich sind. Es mag auch daran gelegen haben, dass sich Fraktionen neu konstituiert haben, Posten neu besetzt wurden. Das muss sich einspielen.

Keine Gräben zwischen SPD und CDU?

Sie werden sehen, dass das gewachsene Vertrauensverhältnis beider Seiten noch erhebliche Kräfte freisetzen wird. Kollege Schönbohm und ich werden für ein Gesamtbild sorgen, was deutlich macht, dass zwei Partner miteinander regieren. Die Menschen im Land haben ein Recht darauf, dass wir uns ganz hundertprozentig auf die Lösung der Probleme konzentrieren.

Montag berät das Kabinett den Haushalt 2005/2006. Das Finanzministerium hält Kürzungen auch in Bildung und Wissenschaft für unvermeidlich. Gilt Ihre Regierungserklärung nicht mehr, in der das ausgeschlossen wurde?

Ich will der Spar-Klausur nicht vorgreifen. Aber eins ist klar: Prioritäten bleiben Prioritäten. Das sind für diese Regierung die Bereiche Bildung, Wissenschaft und Technologieförderung.

Aber Sie schließen Kürzungen auch dort nicht mehr definitiv aus?

Ich wiederhole: Prioritäten bleiben Prioritäten.

Wurde der Koalitionsvertrag mit zu heißer Nadel gestrickt?

Der Vertrag ist zügig, aber sehr gründlich ausgearbeitet worden. Er gilt auch weiterhin und wird fünf Jahre tragen. Es war nie ein Geheimnis, dass die Finanzlage außerordentlich schwierig ist.

In Berlin ist die Enttäuschung über Brandenburgs Fusionsabsage groß; teilen Sie die Ansicht des Berliner SPD-Chefs Michael Müller, dass der Zusammenschluss erst in zwei oder drei Generationen wieder Thema wird?

Meine Haltung zur Fusion ist bekannt: Brandenburg geht es jetzt um eine verbesserte Zusammenarbeit. Deshalb habe ich die Staatskanzlei gebeten, weitere praktische Schritte im Miteinander auszuloten. Im Übrigen: Meteorologen hüten sich vor allzu langfristigen Vorhersagen.

Das Interview führten Michael Mara und Thorsten Metzner

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