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Bezirkstour: Wowereit: Verständnisvoll in Marzahn

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit setzt seine Bezirkstouren fort und erkundete Marzahn-Hellersdorf. Der Bezirk hat mit Vorurteilen zu kämpfen.

Eine Straße weiter beginnt bereits Brandenburg. Als wollte er zeigen, dass ihm auch noch der allerletzte Winkel Berlins am Herzen liegt, hat der Regierende Bürgermeister, Klaus Wowereit, die Johann-Julius-Hecker-Sekundarschule in Marzahn-Hellersdorf als Auftaktort für seine achte Besuchsfahrt ausgewählt. Gut gelaunt begann er dort am Mittwoch seine Tour durch einen Bezirk, in dem es scheinbar keine Probleme gibt.

„Wowi, ich will ein Kind von dir“, schreit ein Schüler aus dem Klassenzimmer, als der Regierende die Treppen zum Schulgebäude hinaufgeht. Die anderen Kinder drücken sich die Nasen an den Fenstern platt. Spätestens als ein Junge zu ihm durchdringt, darauf mit erhobener Hand über den Pausenhof rennt und schreit: „Ich hab ihn berührt!“, ist klar, dass den Regierenden von Schülerseite hier keine kritischen Fragen erwarten. Die Schule ist vorbildlich. Schulleiterin Gudrun Novak kann stolz die baulichen Veränderungen präsentieren, die aus dem Konjunkturpaket II resultierten. Die Reform zur Sekundarschule sei optimal verlaufen. Einziges Manko: Das Hausaufgabenzimmer werde von den Schülern nicht so häufig genutzt wie erhofft.

Dabei hätte man an einer Schule, an der gut die Hälfte der Schüler aus sozial schwachen Familien stammt, ganz andere Probleme erwartet. Nur in der Fragerunde fürchtet eine Sozialarbeiterin um die freie Jugendarbeit, wenn immer mehr Geld in die Ganztagsschule gesteckt werde. Die müsse eben mit den Schulen zusammenarbeiten, sagt Wowereit. Detailfragen gibt er an die eigens mitgereiste Bildungsstaatssekretärin Claudia Zinke ab. Wowereit ist heute nicht zum Streiten da. Er zeigt nur Verständnis. Von Schülerinnen nimmt er schnell noch einen selbst genähten Topflappen in Empfang. Dann eilt er weiter.

Nächste Station ist der „Cleantech“-Industriepark, wo laut Werbebroschüre die Zukunft produziert wird. Vor dem Eingang des Solartechnikproduzenten Inventux warten bereits die Vorstände Volko Löwenstein und Christian Plesser. Vor zwei Jahren war Wowereit zur Eröffnung schon einmal da. Wieder ein Heimspiel. 100 neue Arbeitsplätze seien hier seit September 2009 geschaffen worden. Die Umsätze hätten sich verdreifacht. Der Regierende nickt anerkennend und lässt sich die Produktionsstätten zeigen. Eine Million Quadratmeter Glas sollen hier verarbeitet worden sein. Die Botschaft ist klar: Mit Marzahn-Hellersdorf ist zu rechnen.

Durch Plattenbausiedlungen geht die Fahrt über notdürftig instand gesetzte Betonstraßen weiter nach Kaulsdorf. Auf dem Gelände des Vivantes-Klinikums Hellersdorf treffen sich die Teilnehmer des Seniorenwandertags bei Erbsensuppe und Bratwürstchen. Die Rentner sind bis zu 87 Jahre alt. Sie freuen sich sichtlich über den Besuch des Bürgermeisters. „Ick staune ja, dass Sie überhaupt Zeit jefunden haben“, sagt einer. „Ich hab nur gehört, hier gibts was zu essen“, grinst Wowereit. Hier kann er seinen Charme versprühen, geht von Tisch zu Tisch. Kein Wunder, hier sitzen seine treuesten Wähler beisammen. „Jeder Politiker ist gut beraten, die Alten nicht zu vergessen“, sagt er in seiner Ansprache. „Denn sie sind in der Mehrheit ...“ Das kommt an. Ob er wieder antrete, wollen seine Wähler wissen? „Natürlich, aller guten Dinge sind drei.“ Und die Grünen, hakt einer nach. Da wolle man doch erst einmal abwarten, beruhigt Wowereit.

Noch ein letzter Abstecher zum Gründerzeit-Museum in Mahlsdorf und die Werbetour durch Marzahn-Hellersdorf neigt sich dem Ende. Bezirksbürgermeisterin Dagmar Pohle (Linke) jedenfalls war sichtlich zufrieden. Und auch Klaus Wowereit kann mit seinem Auftritt zufrieden sein. Die nächste Bezirkstour ist bereits angesetzt. In drei Wochen, durch die Vorzeigeorte von Spandau.Sidney Gennies

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