zum Hauptinhalt
Loser im Luxus. Lorenz Brahmkamp (Charly Hübner, links) genießt mit Alexnder Schönleben (Michael Maertens) das schöne Leben.

© ARD

ARD-Komödie "Vorsicht vor Leuten": Lieber hochstapeln als tief fallen

„Vorsicht vor Leuten“ ist eine wundersame Komödie von den "Stromberg"-Machern, in der es ums Lügen und Betrügen geht. Ein Behörden-Loser mausert sich zum großen Geldverdiener.

In den ersten 30 Minuten wird sich der Zuschauer freuen. Dass es die ARD-Mediathek gibt, dass er dort den Film „Vorsicht vor Leuten“ wieder und wieder abspielen kann. Da geht ein solches Pointengewitter auf ihn nieder, dass beim Lachen über die eine die nächste glatt überhört wird. Ralf Husmann hat zusammen mit Peter Güde seine eigene, gleichnamige Romanvorlage zum Drehbuch verarbeitet. Husmann, das ist der „Stromberg“- und „Dr. Psycho“-Autor. Und Arne Feldhusen ist der Regisseur, auch er ein „Stromberg“, ein „Tatortreiniger“, einer, der das intelligente Quotenfestival bei „Mord mit Aussicht“ mitbegründet hat.

„Vorsicht vor Leuten“ ist die Geschichte vom kleinen und vom großen Lügner. Der kleine, das ist Sachbearbeiter Lorenz Brahmkamp (Charly Hübner) im Baureferat der Kleinstadt Osthofen. Er lügt von morgens bis abends. Bei seinem Chef, warum er seine Aufgaben so ungewissenhaft erledigt, bei seiner Frau Katrin (Lina Beckmann), warum er die Dusche immer noch nicht repariert hat, der Kaffee nicht gekauft, die Fortbildung nicht angegangen wurde: „Bier verbessert man nicht, indem man da noch Grapefruit reinpanscht. Und eine Fortbildung wäre für mich wie Grapefruit.“ Mit seinen Notlügen will sich Brahmkamp durchs Leben mogeln, es ist seine Art, auch kleinste Herausforderungen in die Brahmkamp’sche Existenzform der Bequemlichkeit zu verwandeln. Seine Frau verlässt ihn, die Kündigung des eigentlich unkündbaren Jobs droht.

Großer und kleiner Lügner treffen im Film aufeinander

Alexander Schönleben (Michael Maertens) dreht das ganz große Rad des Lebens. Ein Selfmade-Millionär, mit Riesenvilla, Riesenauto, Bling-Bling-Gattin (Natalia Belitski). Einer, der nicht nur sein, sondern zugleich das Leben anderer schöner, auf jeden Fall reicher machen will. Für Osthofen hat er den Plan zum Glück: Eine Bauschuttdeponie will er zum Megapark nebst Golfanlage hochpimpen. Stadtverwaltung und Investoren muss er gewinnen, also malt er beider Zukunft golden aus. Wer jetzt kleinmütig denkt und handelt, der versündigt sich an seinem Safe und an der Sparkasse. Und hat nicht ein schlauer Investor aus Manhattan den ersten Millionenscheck geschickt?

Die Wege vom kleinen und vom großen Lügner kreuzen sich. Lorenz Brahmkamp, der Zwerg aus dem Baureferat, stolpert über die Erkenntnis, dass Schönleben ein Hochstapler und nichts anderes ist. Ein Betrüger, der die Gier der Wohlhabenden zu seinem Gewinn macht. Plündern seine Betrügereien denn Bedürftige? Lorenz Brahmkamp (und damit der Zuschauer) kommt vor die Frage: Ehrlich, aber arm oder verlogen, aber reich?

Diese Filmfrage ist nicht neu. Sie wird in dieser Komödie neu gestellt, das gibt der Produktion Kraft und eigene Qualität. Und das ist es, was „Vorsicht vor Leuten“ über die 90 Minuten trägt. Nach der Entladung des Pointengewitters in der Ouvertüre wird der Film smart. Die Komik wird feiner, dosierter, die zugrunde liegende Frage zwar nicht diskursiv beantwortet, aber die Wandlung und Verwandlung des Lorenz Brahmkamp ins Urteil der Zuschauer gestellt.

Ein Behörden-Loser macht das große Geld

Charly Hübner spielt den Behörden-Loser auf dem Weg zum großen Geldverdiener und charmanten Katrin-Rückgewinner. Der Notlügner, der entdeckt, wie schwer es die Wahrheit hat, wenn sich die Lüge nur attraktiv und anziehend tarnt. Hübner kann das, den schiefen Lorenz zum kreuzgeraden Big Lorenz wachsen zu lassen, ohne dass ihm wie Pinocchio die Nase aus dem Gesicht wächst. Mit dem Schauspieler-Ego, das Figur wird, das so traumwandlerisch sicher den „Entwicklungsroman“ des Lorenz Brahmkamp erzählt. Der Grat einer Komödienrolle ist immer schmal, doch dass die Masse Mensch des Charly Hübner abrutschen könnte, diese Gefahr besteht nicht.

In Michael Maertens hat Hübner seinen Counterpart von ebenbürtiger Gewichtsklasse. Sein Schönleben – „Wenn du die Lüge lange genug lügst, wird sie irgendwann wahr“ – umarmt die Welt, auf dass sie nicht merkt, dass er sie ausquetscht. Wenn ein Hochstapler andere belügen und betrügen will, dann darf er keinen Hochstapler spielen. Sondern den grundehrlichsten Typen, der nur das Glück der anderen im Auge hat. Maertens platziert diese Janusköpfigkeit in seine Rolle.

Die beiden Schauspieler, in selber Manier Lina Beckmann und Natalia Belitski, wissen, was eine Komödie braucht, die mehr Richtung Satire ausgreifen möchte als Richtung Humorfestival. Die Autoren wissen das, Regisseur Arne Feldhusen weiß das. Und schon ist dem Publikum die Angst vor den „Leuten“ genommen.

„Vorsicht vor Leuten“, ARD, Mittwoch, 20 Uhr 15

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false