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Jogger vor dem Thälman-Denkmal in der Greifswalder Straße in Berlin-Prenzlauer Berg.

© dpa

Gastbeitrag: Warum wir Thälmann nicht ehren sollten

Straßen, Kitas und Schulen ehren den KPD-Führer. Warum? Ernst Thälmann war ein Gegner der Demokratie, der den bürgerlichen Staat zerschlagen wollte. Sein Name sollte aus dem Straßenbild deutscher Städte und Gemeinden getilgt werden.

Der Kommunist Ernst „Teddy“ Thälmann ist im Stadtbild der neuen Länder und auch in Ostberlin nach wie vor nahezu allgegenwärtig. Es wimmelt nur so von Thälmann- Straßen und -Plätzen und im Bezirk Prenzlauer Berg steht ein gewaltiges Thälmann-Denkmal.

In der DDR wurde Thälmann als Held und Märtyrer verehrt. Nahezu alle Kinder traten ab der ersten Klasse in die Pionierorganisation „Ernst Thälmann“ ein und gelobten, in seinem Sinne zu lernen, zu arbeiten und zu kämpfen. Doch wer war Thälmann und was bedeutet es, in seinem Sinne wogegen und wofür zu kämpfen?

Bilder: Berlin - Ecke Greifswalder: Der Thälmann-Park

Thälmann war ein KPD-Funktionär der ersten Stunde; schon unmittelbar nach der Gründung der Partei wurde er in den Zentralausschuss gewählt. Knapp drei Jahre später beteiligte er sich – wenn auch nicht als Barrikadenkämpfer – am sogenannten Hamburger Aufstand, einem gewaltsamen Putschversuch der KPD gegen die junge Weimarer Republik. 1925 übernahm er den Vorsitz der KPD und kandidierte bei der Reichspräsidentenwahl. Mit seiner Kandidatur im zweiten Wahlgang verhinderte er einen Wahlsieg des demokratischen Zentrumpolitikers Wilhelm Marx und verhalf Hindenburg zum Sieg.

Noch gibt es im Osten viele Ernst-Thälmann-Straßen.
Noch gibt es im Osten viele Ernst-Thälmann-Straßen.

© dpa

In den nachfolgenden Jahren bekämpften Thälmann und die KPD die Demokratie, wo immer sie eine Möglichkeit hierfür sahen. Dabei scheute Thälmann auch nicht die Zusammenarbeit mit den erstarkenden Nationalsozialisten. Im August 1931 versuchten NSDAP und KPD gemeinsam, durch einen Volksentscheid die sozialdemokratische Landesregierung Preußens zu stürzen. Ein Jahr später organisierten die beiden antidemokratischen Parteien gemeinsam einen BVG-Streik. Thälmann sah kein Problem in der Zusammenarbeit von Kommunisten und Nationalsozialisten in Streikkomitees. Sein vorrangiges Ziel war die Zerschlagung des bürgerlichen Staates.

Für Thälmann waren nicht Nationalsozialisten die Hauptfeinde, sondern Sozialdemokraten, die er als Sozialfaschisten bezeichnete. Die SPD würde die Arbeiter vom Klassenkampf abhalten und an das bestehende System binden. „Faschismus und Sozialfaschismus stehen in einer Klassenfront und arbeiten beide an der Durchführung der faschistischen Diktatur mit“ – so Thälmann, der 1931 forderte: „Man kann den Kapitalismus nicht schlagen, ohne die Sozialdemokratie zu vernichten.“ Dies gelang bekanntlich erst 1946 in der SBZ mit der Gründung der SED. Wenn Sozialdemokraten heute noch Thälmann für „ehrenwert“ halten, ist das ein trauriger Beleg für ihre Ignoranz auch gegenüber ihrer eigenen Geschichte.

Bildergalerie: Der Thälmann-Park

Die KPD, die die von der NSDAP ausgehende Gefahr unterschätzte, wurde nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten schnell zerschlagen und Thälmann am 3. März 1933 verhaftet. Gut ein Jahrzehnt später wurde er im KZ Buchenwald ermordet.

Thälmanns Tod hätte freilich verhindert werden können. Wenn Stalin 1939 nach Abschluss seines Paktes mit Hitler auf der Freilassung des KPD-Führers bestanden hätte, wäre er vermutlich in die Sowjetunion entlassen worden. Doch die Kommunisten brauchten einen Märtyrer und verzichteten auf diese Forderung.

Klaus Schroeder leitet den Forschungsverbund SED-Staat an der Freien Universität Berlin.
Klaus Schroeder leitet den Forschungsverbund SED-Staat an der Freien Universität Berlin.

© promo

Thälmann war in seinem politischen Wirken in erster Linie nicht Antifaschist, sondern Antidemokrat. Mit der von ihm geführten kommunistischen Partei bemühte er sich nach Kräften, die Weimarer Republik zu zerstören und an ihrer Stelle eine kommunistische Diktatur nach sowjetischem Vorbild zu errichten.

Wer Thälmann durch Straßen, Plätze, Kindertagesstätten, Schulen und Denkmäler ehrt und in seinem Sinne „kämpft“, möchte die freiheitliche Demokratie in Deutschland abschaffen oder steht ihr gleichgültig gegenüber. Wer sich aber den Werten dieser Demokratie verpflichtet fühlt, kann nur fordern, den Namen „Thälmann“ aus dem Straßenbild deutscher Städte und Gemeinden zu tilgen.

Der Autor leitet den Forschungsverbund SED-Staat an der Freien Universität Berlin.

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