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Der Berliner Comedy-Künstler und frühere Polizist Murat Topal antwortet der Schrifstellerin Monika Maron und kritisiert deren Forderung, Politiker müssten Muslimen Grenzen aufzeigen.

© promo

Murat Topal antwortet: Danke, Monika Maron!

Politiker müssten Muslimen die Grenzen aufzeigen, fordert die Schriftstellerin Monika Maron. Der Comedy-Künstler Murat Topal sieht darin das beste Beispiel für die schrille und schräge "Islamdebatte" in Deutschland.

Ich bin Monika Maron von ganzem Herzen dankbar. Ein besseres Beispiel dafür, wie schräg und schrill die so genannte Islamdebatte in Deutschland geführt wird, hätte es momentan wohl nicht geben können. Mit ihrem Meinungsbeitrag in der "WamS" bringt sie das ständige Vermischen der Ebenen bezüglich Islam, Muslim sowie ethnischer und sozialer Herkunft ungewollt auf den Punkt. Sie bemüht sich darum, nicht pauschalisierend zu wirken und verallgemeinert doch.

Dabei greift sie leider keine neuen Aspekte der an sich wichtigen Debatte über die Trennung von Staat und Religion auf, sondern setzt die undifferenzierte und wenig zielführende Diskussion der letzten Jahre fort.

Das Kuddelmuddel ist perfekt

Es beginnt schon mit der Überschrift. Wenn es lediglich um die Forderungen von Verbandsvertretern geht, warum sollen dann Politiker „Muslimen die Grenzen aufzeigen“ und nicht den Lobbyisten?

Kenan Kolat, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland, sowie Aydan Özoguz, Staatsministerin für Integration, werden in einem Atemzug mit denen genannt, die die islamischen Verbände in Deutschland repräsentieren. Maron weist zu Recht darauf hin, dass die Verbände lediglich für einen kleinen Teil der Muslime die Stimme erheben. Dennoch bezeichnet sie alle zusammen als „Wortführer der Muslime“.

Özoguz wirft sie vor, sich darüber beklagt zu haben, dass Deutsche mangelnde Kenntnisse über Islam und Islamkonferenz hätten und dass sie sich anschließend für die doppelte Staatsbürgerschaft stark gemacht habe. Was bitte hat die Staatsbürgerschaft mit der Thematik zu tun? Oder geht es hier um die Angst vor dem wahlberechtigten Muselmanen?

2006 wurde die Islamkonferenz vom damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble ins Leben gerufen. Dabei spielte vor allem der Sicherheitsaspekt eine Rolle. Neben den Themen „Integration“ und „Islamunterricht an deutschen Schulen“ sollte vor allem auch der „Kampf gegen islamistischen Extremismus“ im Mittelpunkt stehen. Das Gremium ist also nicht auf Druck irgendwelcher Islamverbände entstanden. Zu Beginn der Konferenz gab es sogar Kritik von den Verbänden, weil sie nur vier der 15 Teilnehmer auf muslimischer Seite stellen durften.

Karneval der Kulturen als Konferenz

Spätestens an folgender Stelle könnte man Marons Text für Satire halten. Sie stellt die Frage, warum neben oder statt einer Islamkonferenz keine „Hindu-, griechisch-orthodoxe, russisch-orthodoxe Konferenz, warum nicht eine Polen-, Vietnamesen-, Afrikanerkonferenz“ existieren würde.

Traurig genug, dass sie bei solch einer wichtigen Debatte im gesamten Text Religionen, Nationalitäten und „Ethnien“ nach Lust und Laune durcheinander wirbelt, aber „Afrikanerkonferenz“? Wie könnte die denn bitte aussehen? Soweit mir bekannt, ist Afrika weder ein Land noch eine Religion.

Wer Partizipation von Migranten wünscht, muss auch mit Forderungen klarkommen

Provoziert mit ihren Thesen: Die Schriftstellerin Monika Maron.
Provoziert mit ihren Thesen: Die Schriftstellerin Monika Maron.

© dpa

Und überhaupt, warum sollen die Größe einer Minderheit und die Geschichte ihrer Einwanderung keine Rolle spielen? Türken und Deutsche mit türkischen Wurzeln stellen nun mal die größte Gruppe unter den Einwanderern in der Bundesrepublik. Das deutsch-türkische Anwerbeabkommen, infolge dessen auch mein Vater nach Deutschland kam, ist mittlerweile über 50 Jahre alt.

In dieser Zeitspanne wurde den türkischen Gastarbeitern und ihren Nachfahren oft genug vorgehalten, sie würden sich nicht am öffentlichen Leben beteiligen und sich in irgendwelche Hinterhofmoscheen zurückziehen. Beteiligen sie sich dann endlich, ist auch das ein Problem.

Forderungen sind keine Realitäten

Wer politische Partizipation von Migranten wünscht, muss auch mit deren Forderungen klarkommen. Das bedeutet wohlgemerkt nicht, sie für richtig zu halten und sie nicht kritisch zu kommentieren. Aber Politiker dazu aufzufordern, sie mögen Muslimen die Grenzen aufzeigen, wenn diese am politischen Geschehen teilnehmen, gleicht einem Maulkorb. Soll das gelebte Demokratie sein?

Außerdem sind Forderungen noch lange keine Realitäten. Würden wir uns ständig über die noch so abstrusesten Forderungen von irgendwelchen Interessensgruppen oder Einzelpersonen ärgern, könnten wir womöglich gar nicht mehr schlafen vor lauter Adrenalin im Blut. Deshalb, liebe Frau Maron, haben Sie keine Angst. Durch bloßes Fordern ist noch kein Staat untergegangen, schon gar nicht wird er dadurch islamisiert.

Zum Schluss eine Forderung von mir. Ich spreche dabei als Individuum. Wie wäre es mit einer Säkularismus-Konferenz? Ein Gremium, das sich auf staatlicher Ebene mit den entsprechenden Vertretern der Religionen und Konfessionslosen, mit Humanisten und Atheisten darüber streitet, wie wir in Deutschland Religion zu einer echten Privatsache machen können. Keine vom Staat eingezogene Kirchensteuer, keine Körperschaften des Öffentlichen Rechts, keine bundesweiten religiösen Feiertage.

Wir würden den Fokus nicht auf bestimmte Minderheiten richten, jedenfalls nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Religion. Wir würden Pauschalisierungen und Diskriminierungen entgegenwirken und wir wären den Prinzipien unseres Grundgesetztes noch ein ganzes Stück näher.

Albern? Finden Sie? Schade, dann sollte man aber auch die Forderungen muslimischer Vertreter aushalten können.

Murat Topal, Deutsch-Türke und gebürtiger Berliner, arbeitete zehn Jahre lang als Polizist in Berlin-Kreuzberg, bevor er sich ganz dem Dasein als Comedy-Künstler widmete. Seit 2008 engagiert sich der in Neukölln aufgewachsene Ex-Polizist zusammen mit seinen ehemaligen Kollegen gegen Gewalt an Kreuzberger Schulen mit dem prämierten Projekt „Stopp Tokat“ und „School Talks“. Des Weiteren ist er u.a. Botschafter des Kinderhilfsprojekt „Notinsel“, sowie jährlich Juror und Laudator für den Preis „Berliner Tulpe für deutsch-türkischen Gemeinsinn“ (ausführliche Vita hier).

Murat Topal

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