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An Schulen ist praktisch kein Platz für Andersdenkende - ein Lehrer wurde wegen seiner kritischen Lehre suspendiert.

© dpa

Politisches Klima: An Israels Schulen ist kaum Platz für Andersdenkende

Während ein Journalist die Palästinenser im Armeeradio mit Menschenfressern vergleicht und dafür nur gerügt wird, bangt ein Lehrer um seine Entlassung. Er hatte seine Schüler zu kritischem Denken ermuntert.

Es ist die Geschichte von zwei Männern, einem alten und einem jungen, die zusammen die Spannungen und die Hitzigkeit der öffentlichen Debatte in Israel aufzeigen. Der alte ist Avshalom Kor, Journalist und Sprachforscher, ein Mann des Establishments, der seit Jahrzehnten für die Erhaltung einer rein-archaischen hebräischen Sprache in seinen Beiträgen in der Presse und den elektronischen Medien ficht. In der letzten Zeit aber sorgt er vor Allem durch Äußerungen, die seine rechtsorientierte politische Gesinnung ausdrücken, für Aufsehen. 

Kor verglich Palästinenser mit Menschenfressern

Seine Sendung im Armeeradio wurde oft wegen Verleumdungen der Palästinenser und Verherrlichung der Siedlungen kritisiert. Seine Vorsteher haben gelassen auf die Kritik reagiert, dass er seine Sendung als politisches Podium nutzt. Vor zwei Wochen aber ging er zu weit als er in seiner Sendung die Palästinenser pauschal als Terroristen bezeichnet hat. Bezugnehmend auf den Tod des palästinensischen Botschafters in Prag bei einer Explosion meinte er, dass dies wenig verwunderlich war, da alle Palästinenser regelmäßig Bomben bei sich trügen. Anschließend verglich er die Palästinenser mit Menschenfressern.

Diese menschenverachtenden Ausdrücke haben besonders starken Protest hervorgerufen. Angesichts der Behauptung Netanjahus gegenüber den EU-Ländern, sie sollten eher aufhetzende Äußerungen über Israel in den palästinensischen Medien als den Siedlungsbau kritisieren, kamen die Äußerungen des politisierten Sprachexperten auch der Regierung ungelegen. Kor wurde nicht suspendiert und wurde auch nicht aufgefordert, sich zu entschuldigen, wurde aber von seinen Vorstehern gebeten, in Zukunft solche radikale politische Äußerungen zu vermeiden. Wie weit er dies auch tut, bleibt noch offen.

Lehrer Adam Verta stellte das Verhalten der Armee in Frage - und wurde suspendiert

Ihm gegenüber steht der junge Realschullehrer Adam Verta, der es wagte, seine Schüler zu kritischem Denken zu ermutigen. Er wurde von einer Schülerin damit beschuldigt, ein Radikallinker zu sein, der das ethische Verhalten der israelischen Armee und das absolute Recht Israels gegenüber den Palästinensern in Zweifel gezogen hätte. Die Schülerin schickte einen Klagebrief an den Erziehungsminister und an die Leitung des Trägers der Schule, das Realschulennetzwerk „Ort“.

Chen Tzoref-Ashkenazi, israelischer Historiker
Chen Tzoref-Ashkenazi, israelischer Historiker

© Privat

Die Leitung hat den Lehrer sofort zu einer Anhörung geladen und ihm vorgeschlagen, zu kündigen. Da der Lehrer dies abgelehnt hatte, wurde er von seiner Arbeit suspendiert und ist mit Entlassung bedroht. Der Leiter des Netzwerks behauptete in den Medien, dass ein Lehrer, der das moralische Verhalten der Armee bezweifelt, keinen Platz in einem Erziehungssystem habe, das es als ein zentrales Ziel betrachte, der Armee die engagierten Rekruten zu liefern, die sie brauche.

Schüler machen sich für Verta stark

Inzwischen aber organisierten sich viele Schüler des Lehrers, die ihn gerade wegen seiner hervorragenden Weise schätzen, ihnen die politische Bildung beizubringen. Er wird auch von vielen seiner Kollegen unterstützt. Eine Demonstration von Schülern gegen das Verfahren der Leitung hat vor der Schule stattgefunden, und auch das Erziehungsministerium hat keine eindeutige Stellung genommen. Angesichts der Unterstützung und der ambivalenten Haltung des Ministeriums hat die Leitung den Lehrer zu einer zweiten Anhörung geladen, und es ist zu hoffen, dass der Lehrer seine Stelle behalten kann.

Der Optimist würde sagen, beide Teile der Geschichte zeigten eine lebendige Demokratie, bei der unterschiedliche Meinungen nach Geltung streben, und die Macht nicht bei einer Behörde liegt. Der rassistische Journalist wurde verwiesen, obwohl seine Meinung eher der offiziellen Linie passte, während der kritisch denkende Lehrer Unterstützung bekam, und womöglich an der Schule bleiben wird. Und dennoch macht die Geschichte deutlich, wie viel schwieriger es im heutigen Israel ist, eine kritische Meinung zu äußern. Besonders besorgniserregend ist, dass es an den Schulen praktisch kaum Platz für Andersdenkende gibt, vor Allem dann, wenn sie nicht nur den Frieden befürworten sondern die Grundsätze des Zionismus oder die Verherrlichung der Armee in Frage stellen. Denn durch rassistische Äußerungen riskiert man nichts, wird höchstens verwiesen, aber sehr viele Lehrer, die bereit wären, ihren Arbeitplatz zu gefährden, gibt es leider nicht.

Der Autor ist ein israelischer Historiker.

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