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Probleme im Nahverkehr: Berlin ist ein "failing state"

Eine überforderte S-Bahn, brennende Busse und jetzt noch ein fehlendes Rad: Berlin hat nach 1989 einen ähnlichen Weg genommen wie viele afrikanische Staaten nach dem Ende der Kolonialherrschaft und ist ein "failing state".

Wegen der S-Bahn-Krise besteht die Gefahr, dass man der BVG zu wenig Aufmerksamkeit schenkt. Bekanntlich sind in den vergangenen Monaten zahlreiche BVG-Busse während der Fahrt in Flammen aufgegangen. Man kann der S-Bahn vieles Schlechte nachsagen, aber die S-Bahn-Wagen brennen, explodieren oder verpuffen eigentlich nie. In der vergangenen Woche hat nun erstmals ein Bus der BVG – Linie 154 – in voller Fahrt ein Rad verloren, und zwar in der Bitterfelder Straße. Erstaunlich ist die Tatsache, dass der Busfahrer das fehlende Rad nicht bemerkt hat. Er fuhr weiter. Der Bus, der immerhin noch drei Räder hatte, rumpelte zwar, aber zahlreiche Berliner Straßen sind längst in einem ähnlichen Zustand wie die S-Bahn, deswegen dachte sich der Busfahrer nichts dabei. Er wurde offenbar erst nach einer gewissen Zeit durch Passagiere auf das fehlende Rad aufmerksam gemacht. Die BVG-Sprecherin betont, laut Zeitungsmeldungen, dass der Bus in eine der noch bestehenden Werkstätten gebracht wurde, man versuche, das Rad wieder anzumontieren.

Noch erstaunlicher ist, wie gelassen Berliner Politiker auf das allmähliche Verschwinden der Infrastruktur reagieren. Der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Gaebler stellt zum Beispiel folgende Forderung: Die Bahn müsse die Bestellung neuer S-Bahn-Fahrzeuge „vorbereiten“. Sie müssen keine neuen Fahrzeuge bestellen – das nicht. Aber sie sollen wenigstens mal in den Katalogen blättern.

Dies ist die größte Misswirtschaft, die es seit 1871 im Verkehrswesen einer europäischen Stadt gegeben hat. Rollen Köpfe? Nein. Bläst die Opposition zum Generalangriff? Nein, sie macht Urlaub. Man muss auch daran erinnern, dass die S-Bahn zu Mauerzeiten in beiden Stadthälften von der DDR betrieben wurde. Und die S-Bahn fuhr. Sie kam fast immer. Vermutlich auf Befehl der Sowjetunion.

Berlin hat, ich vertrete diese These seit Jahren, nach 1989 einen ähnlichen Weg genommen wie viele afrikanische Staaten nach dem Ende der Kolonialherrschaft. Lokale Eliten kommen an die Macht, die ihrer Aufgabe nicht gewachsen sind, Misswirtschaft und Günstlingswirtschaft verbreiten sich, die Infrastruktur verfällt, während die Kaste der Mächtigen Partys feiert. Berlin ist ein sogenannter „failing state“, ein Staat, der seine Aufgaben nicht mehr erfüllen kann. Eine Rückkehr der Alliierten wäre sicher die beste Lösung, ist aber unrealistisch. Denkbar wäre die Übernahme der Regierung durch einen vom Bund ernannten Hochkommissar, etwa Heiner Geißler oder Peer Steinbrück. Für Grundvoraussetzungen städtischen Lebens wie den öffentlichen Nahverkehr, benutzbare Straßen, funktionierende Schulen und Gehwege müsste im Mogadischu Europas vorübergehend die Bundeswehr sorgen, oder Blauhelme.

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