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Deutsche Schüler haben nicht nur bei Pisa Probleme sondern auch beim Alltagswissen.

© dpa

Kolumne "Ich habe verstanden": "Selfies machen" als Schulfach

Unser Kolumnist Matthias Kalle macht sich Gedanken über neue, nützliche Schulfächer, die Alltagswissen vermitteln. Wie wäre es zum Beispiel mit dem Fach "Ausruhen" oder - ganz wichtig - "Selfies machen"?

Als Kolumnist gewinnt man keine Beliebtheitswettbewerbe – trotzdem hätten fast alle Journalistenschüler gerne eine Kolumne, denn die sei schnell und leicht geschrieben und man werde quasi über Nacht bekannt. Dabei ist beim Tagesspiegel nur Harald Martenstein ein Star – mich hingegen kennt niemand; aber ich klage nicht, niemals.

20 Prozent scheitern im Alltag

Vielleicht sollte ich mich öfter über die Deutsche Bahn lustig machen – dann bekäme ich mehr zustimmende Leserbriefe. Ich habe stattdessen schon das ein oder andere Mal geschrieben, dass möglicherweise nicht die Deutsche Bahn das Problem sei – sondern die Deutschen, die sich mit der Kulturtechnik des Bahnfahrens schwer täten. Das kam nicht gut an.

Die neue Pisa-Studie, die diese Woche vorgestellt wurde, bestätigt mich jetzt allerdings. Wenigstens ein bisschen. Denn der Studie zufolge scheitern in Deutschland 20 Prozent der 15-jährigen Schüler an so genannten Alltagsproblemen wie zum Beispiel dem Bahnfahren. Erstmals seit 2003 wurde bei dem Test auch abgefragt, wie Schüler Probleme lösen – neben dem klassischen Schulwissen. 20 Prozent – das ist sogar noch ein relativ guter Wert. Spitzenwerte im Lösen von Alltagsproblemen erreichen Schüler aus asiatischen Ländern – Singapur, Korea, Japan.

So wie ich die Studie verstanden habe, gibt es keine Empfehlung dafür, wie man Kindern das Lösen von Alltagsproblemen beibringen könnte. Wahrscheinlich, weil sich Bildungsexperten auch furchtbar darüber streiten würden, was denn eigentlich wichtiger sei im Leben: Binomische Formeln oder das Kaufen eines Zugtickets.

Zugtickets oder Binomische Formeln

Ich bin kein Bildungsexperte, aber das ich weiß, wie man ein Zugticket kauft, nutzt mir momentan mehr als das Lösen einer Binomischen Formel (obwohl ich natürlich ganz genau weiß, wie wichtig auch das ist und dass es im Mathematik-Unterricht eben auch um das Lösen von Problemen geht und um die Schulung des genauen Denkens!). Und wenn man jetzt eh schon darüber debattiert, die Schulzeit doch lieber wieder zu verlängern, könnte man dann nicht auch über neue Fächer nachdenken? Fächer, die die Schüler optimal vorbereiten auf die Anforderungen unserer modernen, unübersichtlichen Welt?

Neues für den Stundenplan

-         Das Fach „Selfies machen“ – klingt zunächst noch etwas irre – könnte sich aber bereits in naher Zukunft auszahlen, wenn diese Bilder, die man mit dem Handy von sich selber macht, für alles möglich verwendet werden können und müssen (Menschen kennenlernen, Fahrkarten kaufen, Bewerbungen).

-         Das Fach „Die 4 Jahreszeiten“ – was eigentlich selbstverständlich ist, muss in Zeiten, in denen man Erdbeeren im Winter kaufen kann, ganz neu gedacht werden, bevor sich Menschen in den 12 Monaten überhaupt nicht mehr zurecht finden.

-         Das Fach „Ausruhen“ – eine Schulstunde, in der man mal gar nichts macht. Absolut nichts. Das Problem hierbei könnte nur sein: Wer kann einem das heutzutage noch beibringen?

-         Das Fach „Anziehen“ – gerade für junge Menschen könnte das eine seltsame Erfahrung sein. Erste Unterrichtseinheit: Erst die Hose, dann die Schuhe. Für viele 15-Jährige ein absoluter Aha-Effekt.

Der Markus Lanz des Journalismus

Zum Schluss wünsche ich mir auch noch das Fach „Medienkompetenz“. In dem man dann beigebracht bekommt, dass es in Deutschland keine linksliberale Medienverschwörung gibt und in dem der Status des Kolumnisten ausführlich erklärt wird. Denn der ist einer, der doch nur unterhalten will und es dabei eh niemandem Recht machen kann.

Ich bin der Markus Lanz des deutschen Journalismus.

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