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Jens Spahn scheut in seiner Partei CDU und der gesamten Union keinen Streit - auch nicht über Flüchtlinge.

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Aufsatzsammlung zu Flüchtlingsdebatte: "Staatsversagen": CDU-Politiker mischt Union auf

Jens Spahn meint, die Flüchtlingsdebatte dürfe sich nicht nur auf "die Bereitstellung von Dixie-Klos und Feldbetten" beschränken. Doch mit seiner Aufsatzsammlung befeuert der Staatssekretär auch die parteiinterne Kritik an der Kanzlerin.

Was politische Karrieren betrifft, gilt hierzulande gewöhnlich die Erzählung von der Mutter mit den zwei Söhnen. „Der eine fuhr zur See, der andere wurde Staatssekretär, von beiden hat man nie mehr etwas gehört.“ Bei Jens Spahn ist das anders. Der 35-Jährige tauschte im Sommer seinen Posten als gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion mit dem eines Parlamentarischen Finanzstaatssekretärs – und tummelt sich wie eh und je auf allen Kanälen.

Das mag am Kaliber seines Chef liegen. Ein Wolfgang Schäuble neidet seinem Untergebenen, sofern er es ordentlich macht, nun mal keinen TV-Auftritt. Es hängt mit Spahns Doppelrolle zusammen, der bullige Westfale sitzt inzwischen ja auch im CDU-Präsidium. Und es hat mit Spahn selber zu tun. Der Parlamentsprofi – seit 2002 viermal per Direktmandat in den Bundestag gewählt – will einfach gestalten, aufmischen, provozieren. Schon als Jungspund hat er keinen Scheinwerfer und keinen Streit gescheut, auch nicht mit den Altvorderen der eigenen Partei.

"Schaffen wir das oder schafft es uns?"

Da wundert es wenig, dass sich der Mann nun auch federführend des Themas annehmen muss, das Gesellschaft und Regierende umtreibt wie kein anderes. „Ins Offene“ lautet der programmatische Titel einer frisch von ihm herausgegebenen Aufsatzsammlung zur Flüchtlingskrise, die am Donnerstag in Berlin präsentiert wurde. Auf der Rückseite die Kernfragen, an denen sich 20 Autoren aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft abarbeiten – darunter CSU-Scharfmacher Markus Söder und die rheinland-pfälzische CDU-Hoffnungsträgerin Julia Klöckner, aber auch Grünen-Provokateur Boris Palmer: „Grenzen öffnen oder schließen? Zukunftsinvestition oder Kostenfaktor? Schaffen wir das oder schafft es uns?“ Und im Innern Antwortversuche, Bestandsaufnahmen und Warnungen, die das unionsinterne Rumoren über den Kurs der Kanzlerin belegen. Und weiter befeuern.

Nicht bloß über Dixie-Klos nachdenken

Man dürfe eben "nicht bloß über die Bereitstellung von Dixie-Klos und Feldbetten nachdenken", begründet Spahn seine Buch-Offensive. Der Flüchtlingsstrom und seine Folgen änderten das Land von Grund auf, „das fordert völlig neues Denken“ – in Wirtschaft, Bildungspolitik, innerer Sicherheit. Viel zu lang habe man sich in Sorglosigkeit gesonnt. „Ordnung muss her.“ Gleichzeitig gelte es kühlen Kopf zu wahren für „das größte gesellschaftliche Experiment seit Jahrzehnten“.

Einerseits vernichtende Analyse eines „Staatsversagens“, andererseits der Appell, die Notsituation für überfällige Umstrukturierungen zu nutzen. Mit seinem Kompendium versucht Spahn in schwierigen Zeiten einmal mehr, ein Vakuum seiner Partei zu füllen: die Rolle des Vordenkers. Seinem Mentor Schäuble dürfte das gefallen. Der Kanzlerin wohl weniger.

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