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Flüchtlingskinder in ihrem vorläufigen Heim im ehemaligen Flughafen Tempelhof im Dezember 2015.

© Fabrizio Bensch/Reuters

Bericht für den Bundestag: Menschenrechtsinstitut kritisiert Sammelunterkünfte

Im Jahresbericht für den Bundestag kritisiert das Deutsche Institut für Menschenrechte die Lage vieler Geflüchteter - aber auch Deutsche mit Behinderung sieht es nicht genug geschützt.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) hat die Lage von hunderttausenden Flüchtlingen vor allem in Sammelunterkünften kritisiert. “Zentrale Menschenrechte”, stellt das Institut in seinem aktuellen Bericht für den Bundestag über die Menschenrechtslage in Deutschland fest, würden “bei der Unterbringung Geflüchteter nach wie vor nicht ausreichend geachtet”. Die hygienischen Bedingungen in den Unterkünften seien oft mangelhaft, es fehle an Privatsphäre. Auch Behinderte und andere besonders schutzbedürftige Geflüchtete würden nicht untergebracht und versorgt, wie dies nötig sei. Weil Handicaps nicht einmal systematisch erfasst würden, blieben sie unerkannt und unversorgt und verschlimmerten sich.

Der Bericht ist der zweite, den das Institut dem Bundestag vorlegt. Das DIMR ist seit 2001 Deutschlands nationale Menschenrechtsinstitution nach den Regeln der Vereinten Nationen. Vor zwei Jahren erhielt es die von den UN vorgeschriebene gesetzliche Grundlage; damit wurde auch der jährliche Bericht ans Parlament vorgeschrieben.  

 Asylverfahren - Mängel nicht erst seit 2015

Der aktuelle Bericht widmet sich wieder schwerpunktmäßig der Lage Geflüchteter und hier vor allem den vielen, die nach wie vor in Sammelunterkünften leben – Ende 2016 waren dies 400.000 Menschen. In einer Auswertung der Hausordnungen stellte das DIMR fest, dass etliche Regelungen zu Hausverboten oder wann Personal die Zimmer betreten,  ob Besucher, auch Angehörige, übernachten dürften, “teilweise… nicht mit menschenrechtlichen Standards vereinbar” seien. Beschwerdestellen gebe es kaum oder sie würden als unzugänglich erlebt.

Außerdem beklagt der Bericht “gravierende Mängel” der Asylverfahren, wobei er sich teils auf aktuelle Studien bezieht. Es gebe sie “sowohl bei der Anhörung als auch bei der Prüfung und Entscheidung” der Verfahren. Der Erfolg der Verfahren sei zudem je nach Bundesland “sehr unterschiedlich”. Es gebe inzwischen Belege dafür, dass “diese Mängel bereits vor 2015 auftraten und sich somit nicht allein mit der hohen Zahl der Asylsuchenden begründen lassen”, heißt es.

 Behinderte und Straftäter ohne Wahlrecht

Starke Unterschiede gebe es auch weiterhin zulasten von geflüchteten Kindern, deren Schulbesuch von Land zu Land unterschiedlich geregelt sei. Für Bayern stellt das DIMR für den aktuellen Untersuchungszeitraum Mitte 2016 bis Mitte 2017 eine verschlechterte Rechtslage fest, weil Kinder in Erstaufnahmeeinrichtungen dort nicht mehr nach drei Monaten zur Schule gehen müssen, sondern “nur noch in Ausnahmefällen”. In den übrigen Bundesländern beginnt die Schulpflicht teils schon mit der Registrierung als Flüchtling, teils erst, wenn das Kind einer Kommune zugewiesen wurde. 

Der DIMR-Bericht widmet sich aber auch der Lage der Menschenrechte der übrigen Bevölkerung – auch hier der von verletzlichen Personen. So beklagt er, dass sich auch zwischen 2016 und 2017 nichts daran geändert habe, dass mehrere zehntausend Deutsche mit Behinderungen per Gesetz weder wählen dürfen noch gewählt werden können.  Das betrifft Behinderte, deren Betreuer alle ihre Angelegenheiten regeln, aber auch Straftäter in der Psychiatrie, die als gefährlich gelten.

Der Bericht rügt zudem die Lage der geschätzt 10.000 Kinder in Deutschland,  deren Eltern im Gefängnis sitzen. Eine Analyse der Besuchszeiten in den Ländern durch das DIMR ergab, dass es dabei regelmäßig um die Rechte der inhaftierten Eltern ging, nicht aber um die Kinder. Für die sei der regelmäßige Kontakt aber sehr wichtig, sie litten ohnedies unter der Situation und hätten ein größeres Risiko, psychisch krank zu werden. Nach der DIMR-Auswertung gewähren einige Länder nur eine Stunde monatliche Mindestbesuchszeit, andere vier.

 Menschen aus Afrika in Deutschland stärker diskriminiert

Das  europäische Schwesterinstitut der DIMR hat sich, vier Tage vor dem Internationalen Tag der Menschenrechte, dem 10. Dezember, ebenfalls mit einem Bericht zu Wort gemeldet. Die in Wien ansässige Europäische Menschenrechtsagentur (FRA) veröffentlichte am Mittwoch ihre zweite Untersuchung zur Diskriminierung von Minderheiten in EU-Ländern. Die erste erschien vor zehn Jahren.

Daraus geht unter anderem hervor, dass Afrikanerinnen und Afrikaner in Deutschland deutlich stärker diskriminiert werden als im europäischen Schnitt. Mehr als die Hälfte der Menschen, die aus Ländern südlich der Sahara stammten (52 Prozent) berichtete von entsprechenden Erfahrungen in den letzten fünf Jahren. In ganz Europa waren es 39 Prozent. 35 Prozent (in Europa: 21 Prozent) berichteten von hasserfüllten Belästigungen aus dem letzten Jahr. Die entsprechenden Diskriminierungserfahrungen von Menschen aus der Türkei lagen für Deutschland jeweils ein bis zwei Prozentpunkte unter dem EU-Schnitt.

Der Direktor der Agentur, Michael O’Flaherty erklärte dazu, dass Gesetze und politische Maßnahmen gegen Diskriminierung offensichtlich nicht ausreichten, um die zu schützen, die Schutz brauchten. Das müsse sich ändern, denn mit jedem Fall “unterhöhlen wir den sozialen Zusammenhalt weiter und schaffen Ungleichheiten, die Generationen verderben”, so O’Flaherty. Die Entfremdung die so entstehe, können verheerende Folgen haben.

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