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Bamberg

© dpa

Missbrauch: Wenn der Glaube weh tut

Im Bistum Bamberg soll der ehemalige Personalchef mehrere Jungen missbraucht haben, doch der will sich an nichts erinnern können. Der Beschuldigte war früher Rektor im Knabeninternat. Die Opfer leiden noch 25 Jahre danach. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Berlin - Er hatte auf eine Entschuldigung gehofft. Sie würde es leichter machen, mit dem Geschehenen umzugehen. Nun wurde seine Geschichte öffentlich, und es geht ihm schlechter als vorher, sagen Menschen, die ihm nahe stehen. Der Mann, von dem hier die Rede ist, und dessen Namen nicht genannt werden soll, wurde sexuell missbraucht – von einem Priester der katholischen Kirche.

Heute ist der Mann 41 Jahre alt. Was geschehen ist, liegt mehr als 25 Jahre zurück. Dennoch quält es ihn immer noch. So sehr, dass er sich im Herbst 2007 an das Erzbistum Bamberg wandte. Denn der Mann, der ihn missbraucht haben soll, ist Domkapitular und war bis vor kurzem Personalchef des Bistums. Der 63-jährige Otto Münkemer ist in hierzulande der höchstrangigste Geistliche, dem sexuelle Übergriffe an Minderjährigen zur Last gelegt werden. Von 1976 bis 1991 arbeitete er im Erzbischöflichen Knabenseminar Ottonianum in Bamberg, 13 Jahre leitete er die Einrichtung. In dieser Zeit soll es zu Übergriffen gekommen sein. Das Erzbistum hat mittlerweile Kontakt zu vier ehemaligen Schülern, die davon berichtet haben, dass sie von Münkemer bei „Untersuchungen“ unsittlich berührt worden seien. Es gehe um „Manipulationen im Intimbereich“, sagt Bistumssprecher Michael Kleiner.

Das Bamberger Bistum hat – wie es die Bischofskonferenz allen Bistümern empfohlen hat – bereits 2002 eine Untersuchungskommission zur Aufdeckung und Verhütung von sexuellem Missbrauch ins Leben gerufen, die von einem externen Psychotherapeuten und Moraltheologen geleitet wird. Dieser ging den Vorwürfen vergangenen Herbst nach. Der Beschuldigte stritt alles ab. Dann hätten sich die Vorwürfe aber erhärtet, sagt der Bistumssprecher. Der Domkapitular könne sich „an nichts mehr erinnern“. Er wurde beurlaubt, mittlerweile sei er von seinem Amt zurückgetreten. Mit ihm zu sprechen, ist nicht möglich. Nach Auskunft des Bistums hält er sich in einer therapeutischen Einrichtung auf.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt und hat bislang zwei mutmaßliche Opfer vernommen. Gerüchte, wonach sich Männer vor 20 Jahren das Leben genommen hätten, weil sie von Münkemer missbraucht worden seien, könne er nicht bestätigen, sagt der Bamberger Oberstaatsanwalt Joseph Düsel. Er selbst habe damals die Ermittlungen nach den Suiziden geleitet. Auf einen Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch sei er nicht gestoßen. Dennoch steht für Düsel fest: „In dem Internat ist etwas vorgefallen.“ Zu einer Anklage werde es aber wohl nicht kommen, die Taten seien verjährt.

Ende Juli sicherte der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick in einem Brief an die Bistumsmitarbeiter zu, dass man alles tun werde, um den Fall aufzuklären und dass man sich dabei streng an die Vorgaben der Bischofskonferenz halte. Auch rief er potenzielle Zeugen auf, sich zu melden.

Trotz dieser Offenheit steht das Bistum in der Kritik. Denn auf Einladung der Untersuchungskommission kam es zur Gegenüberstellung des 41-jährigen, früheren Internatsschülers mit seinem mutmaßlichen Peiniger – ein Verstoß gegen die Richtlinien der Bischofskonferenz, die empfiehlt, Opfer und Beschuldigte getrennt voneinander anzuhören. Die Konfrontation mit dem mutmaßlichen Täter sei auf Wunsch des Opfers zustande gekommen, sagt Bistumssprecher Kleiner. Der 41-jährige Mann sagt, er sei zu dem Gespräch „gelockt“ worden, man habe ihm Hoffnung auf eine Entschuldigung seitens des Bistums gemacht. Aussage steht gegen Aussage.

Nach den Vorgaben der Bischofskonferenz hätte das Bistum Münkemer anzeigen müssen, als sich die Vorwürfe verdichteten. Oberstaatsanwalt Düsel erfuhr von dem Fall aus der Zeitung. Wollte das Bistum den Fall vertuschen? Man habe von einer Anzeige abgesehen, sagt der Bistumssprecher, da nach Auskunft eines unabhängigen Juristen „keiner der Vorwürfe heute noch justiziabel ist“.

Bleibt die Frage, warum Bischof Schick gerade Münkemer 2004 zum Personalchef machte. Gerüchte über dessen Zeit am Ottonianum soll es schon lange geben. „Diese Gerüchte gab es, sogar Witzchen“, sagt Bistumssprecher Kleiner, „aber die Gerüchte haben den Kreis der ehemaligen Internatsschüler nicht verlassen“. Schick, der erst 2002 Bamberger Erzbischof wurde, habe davon nichts gewusst. Außerdem sei Münkemer sehr beliebt gewesen. „Ein richtiger Pfundskerl“, wie es heißt.

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