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Im Friesennerz macht Katja Suding für die FDP in Hamburg Wahlkampf. Foto: dpa

© picture alliance / dpa

Politik: Die Muntermacherin

Die FDP gilt in Hamburg als chancenlos – jetzt hat sie eine junge Frau an der Spitze und klettert in den Umfragen auf fünf Prozent

Noch steht Katja Suding am Rand, außen vor, neben dem Kuchenbüfett. Draußen kümmert sich die aufgewühlte Elbe nicht um den Hamburger Wahlkampf, aber hier drinnen im gediegenen Hafen-Klub, besucht von vielen Männern über 60, wartet man auf die neue Hoffnung der FDP in Hamburg – ja sogar im Bund!

Die liberale Spitzenkandidatin, 35 Jahre, Mutter zweier Söhne, haushalts- und finanzpolitische Sprecherin ihrer Partei, soll eine Art „Muntermacher“ sein für das schwere Wahljahr, wie ein liberales Mitglied der Bundesregierung sagt. Der Bundespartei passt es gut, dass durch den schwarz-grünen Koalitionsbruch der Wahl-Marathon in einer Stadt beginnt, in der man nichts mehr zu verlieren hat. Zweimal, 2004 und 2008, verpasste die FDP den Einzug in die Bürgerschaft.

Suding, seit fünf Jahren in der Partei und bis vor kurzem selbstständige PR-Frau, tritt in Stiefeln, Rock und Blazer ans Mikrofon. Es ist ein wenig so wie bei der deutschen Grand-Prix-Siegerin Lena Meyer-Landrut, bei der es immer heißt: Kamera an, Mädchen da! Katja Suding kann das auch – nicht singen, aber ein Lächeln anknipsen, das Menschen einfängt. Den Plakatwettbewerb der Gesichter im Hamburger Wahlkampf gewinnt sie spielend. Der bringt sie aber nicht in die Bürgerschaft.

Vor den Vertretern der Hafenwirtschaft betont Suding, dass sie die Themen Familie, frühkindliche Bildung und Schule starkmachen will. Aber weil das hier nicht ganz so gefragt ist, sagt sie artig, was das Publikum gerne hört: „Der Hafen ist die Lebensader der Stadt.“ Applaus. „Ich bin gegen die Frauenquote, weil sich starke Frauen auch so durchsetzen.“ Applaus. Es ist einfach hier, sie läuft nur so nebenbei mit, es fragt sie niemand. Die Männer unterhalten sich lieber über Piraterie.

Ihre Chance in diesem Wahlkampf ist, dass man sie unterschätzt. Dabei verkörpert Suding mit ihrer unkomplizierten Art genau den Typus eines neuen Liberalen, den die jungen Führungskräfte der Partei wie Generalsekretär Christian Lindner immer fordern: Warm, sympathisch, bürgernah. Trotzdem trifft man in Hamburg auf viele Skeptiker, wenn man nach Suding fragt. Einer aus ihrem engeren Bekanntenkreis sagt: „Die Leute mögen Katja, aber sie werden sie nicht wählen.“ Sie sei lieb, fleißig, sympathisch und bodenständig – aber zu naiv und nicht hart genug. Ein Parteimitglied lästert über den aus Berlin verordneten „neuen PR-Gag“. Suding, sagt eine erfahrene FDP-Frau, sei das neue Werbemittel, das funktionieren muss. „Sonst suchen wir uns eine andere Lösung.“

Im persönlichen Gespräch, hoch über der Elbe, in der Lobby eines Hotels, wirkt die 35-Jährige nicht wie ein Opfer übler Parteistrategen. Sie hat Spaß, sie lebt den klassischen FDP-Slogan „Freiheit durch Verantwortung“ selbst; als Bürgerin, als Mutter, die sich gut vernetzen musste, um selbstständig zu sein. Sie sieht die Aufgabe der FDP auch darin, die Menschen darin zu unterstützen, sich selber zu helfen. Engagement, Leistungsbereitschaft, Freiheit klingen bei Suding nach Kiezpolitik und Nachbarschaftshilfe. Bezahlbarer Wohnraum, bezahlbare Kitaplätze, Integration durch frühkindliche Bildung – das sind nicht gerade die klassischen FDP-Themen, aber bei diesen Themen ist Suding authentisch.

Guido Westerwelle hat früh erkannt, welche Chance sich mit ihr bietet. Schon beim Dreikönigstreffen hat er sie an seine Seite geholt, und allein deshalb explodierte die Aufmerksamkeit für Suding. Der FDP-Chef schloss kürzlich in seiner ihm eigenen selbstbewussten Art eine sozial-liberale Koalition nach der Wahl am 20. Februar nicht aus. Da lag die FDP bei vier Prozent. Olaf Scholz, SPD-Spitzenkandidat, lacht darüber, aber seit Donnerstag könnte Katja Suding tatsächlich „zum Schlüsselfaktor bei der Regierungsbildung werden“, wie es Westerwelle wünscht. Die neueste Umfrage von Infratest Dimap sieht die SPD bei 46 Prozent, ganz dicht an der absoluten Mehrheit. Die Grünen sind auf 14 Prozent abgerutscht, die CDU liegt bei 25 und die Linke bei 6. Die FDP kletterte auf fünf Prozent. Jetzt können die Liberalen ohne zu lügen behaupten, nur eine starke FDP werde die Alleinherrschaft der SPD verhindern.

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