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Kommt alles wieder: Der Faustkeil.

© Oliver Berg/dpa

Digitalisierung: Der Mensch kehrt zurück

Die Welt ist zu komplex für Computer. Wir werden es noch erleben: Nach den Maschinen und Rechnern kommt die analoge Revolution.

Einst war es ein Menschheitstraum, dass uns Maschinen viel dumpfe, beschwerliche Arbeit abnehmen. Der Traum ist längst Wirklichkeit, die Wäsche oder das schmutzige Geschirr erledigen auf Knopfdruck unsere mechanischen Hausgeister, von der sonstigen industriellen Revolution gar nicht zu reden. Die alten Träume meinten allerdings, uns das Leben zu erleichtern. Nicht aber: dass Maschinen den Menschen abschaffen oder ihn im existenziellen Sinne arbeitslos machen. Zum Letzteren ist es trotzdem oft genug gekommen, das Stichwort heißt dann nicht mehr Humanisierung der Arbeitswelt, sondern: Rationalisierung.

Das Rationalisieren nennt sich heute, euphemistisch abstrahiert, meist Restrukturieren. Wobei nicht ganz klar ist, was das „Re“, also das „Zurück“, überhaupt meint. Es geht ja nicht ums Wiederherstellen einer früheren Struktur, sondern um (oft verständliche) Einsparungen, um Personalabbau. Also weniger Menschen.

Plötzlich sind Menschen wieder gefragt

Plötzlich aber fehlen die Menschen. Auch in Deutschland, wo sich das Problem durch die Demografie, die schrumpfende Bevölkerung, künftig noch sehr verschärft. Der Wirtschaft fehlen Fachkräfte, den Renten- und Pensionskassen die Beitragszahler. Und nehmen wir ganz aktuell zwei Beispiele. Wer mehr Sicherheit will, der braucht vor neuen Gesetzen oder neuen Überwachungstechniken zuerst mal – mehr Polizisten, mehr Ermittler, mehr Justizbeamte, mehr Richter. Und wer eine bessere, schnellere Integration von Einwanderern und Flüchtlingen verspricht, der müsste jetzt nicht nur Behausungen bauen, sondern etliche tausend Sprach- und Deutschlehrer/innen mitsamt Betreuer/innen zusätzlich einstellen. Von der Misere an Berliner und anderen Schulen oder den Baustellen der maroden Infrastruktur ganz zu schweigen. Hier wäre das große „Re“ fast überall angesagt – damit es wieder vorwärts geht.

Das alles kostet Geld. Ist jedoch nötig, hier und heute, damit es morgen nicht noch teurer wird. Das sind natürlich Binsenwahrheiten, und damit könnte diese Kolumne schon enden, sozialpolitisch korrekt. Doch da gibt es schon wieder einen neuen Trend. Die Bahn, die ja nicht nur bei der Berliner S-Bahn die Folgen ihres jahrelangen Personalabbaus gerade bitter bezahlt und re-restrukturieren muss, die Bahn plant tatsächlich, in ihren Zügen die aufsässigen, streikanfälligen Lokführer einzusparen. Um künftig mit Autopilot zu fahren.

Die Bahn glaubt, dass Menschen ihr Leben bei 300 Stundenkilometern einem Computer anvertrauen

Ausgerechnet die Bahn, deren Kunden in den elektronisch hochgerüsteten ICEs laufend technische Pannen erleben, sie glaubt, dass erwachsene Menschen ihr Leben (und das ihrer Familien) demnächst allein der angeblichen Unfehlbarkeit von Computersystemen anvertrauen, bei 300 Stundenkilometern? (Dass auch Menschen fehlbar sind, müssen wir hier nicht im Ernst diskutieren.)

Eigentlich steckt im Wort „Rationalisierung“ die Ratio. Also der Verstand. Höchst rationale Menschen aber denken sich zur Zeit auch automatisch gesteuerte Autos aus. Gerade waren deren Prototypen ein Hit der Consumer Electronic Show in Las Vegas. Besonders die führenden deutschen Autobauer sind schon ganz wild darauf. Dabei geht es nicht mehr um sinnvolle Einparkhilfen oder um Tempo(limit)automaten. Es geht um das Auto der Zukunft, in dem der bisherige Fahrer unterwegs völlig frei (frei?) arbeiten oder sich vergnügen kann.

Nur ein paar Juristen, Ethiker und Versicherungsexperten stellen jetzt ihre Fragen. Denn nehmen wir mal an, Sie fahren auf einer zweispurigen Straße mit Gegenverkehr, und direkt vor Ihrem Wagen springt hinter einem am Rand geparkten Pkw plötzlich ein kleines Kind auf die Fahrbahn. Nun gibt es drei denkbare Reaktionen: A) Vollbremsen, in der Spur bleiben und, wenn unvermeidlich, mit dem Kind zusammenprallen. Falls das nicht vorhersehbar war, träfe Sie bei angemessener Fahrgeschwindigkeit verkehrsrechtlich keine Schuld, und das Kind wäre vermutlich tot. B) Versuchen, auf die andere Fahrbahn umzusteuern und das Kind zu retten, aber einen Frontalzusammenstoß mit dem Gegenverkehr riskieren. C) Das Steuer rumreißen, um den Wagen in die geparkten Pkws am Straßenrand zu lenken, das Kind zu retten, möglicherweise aber sich und Passanten auf dem Bürgersteig zu gefährden.

Die analoge Revolution wird kommen - und wäre nicht das Schlechteste

Wie würde der Computer als Autopilot reagieren? Wie würden Sie (und ich) als Fahrer reagieren? Ich denke gerade noch nach, aber glaube zu wissen, die Rückkehr des Menschen – eine analoge Revolution – wäre doch nicht das Schlechteste. Und Sie wird kommen, wir werden es sehen.

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