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Ein Mitglied des Flüchtlingsrats Berlin demonstriert für Familiennachzug für alle Geflüchteten.

© dpa/Sophia Kembowski

Update

Flüchtlinge: Bundestag verlängert Aussetzung des Familiennachzugs

Der Familiennachzug für Flüchtlinge bleibt bis Ende Juli ausgesetzt. Der Bundestag nahm einen Kompromiss von Union und SPD an - zehn Gegenstimmen kamen auch aus der SPD.

Mit den Stimmen von Union und SPD hat der Bundestag hat am Donnerstag die weitere Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Geflüchteten beschlossen. Wer diesen zeitlich befristeten Schutzstatus hat, kann bis Ende Juli weiterhin weder Eltern noch Kinder zu sich holen, danach wird die Zahl der Angehörigen, die nach Deutschland kommen dürfen, auf monatlich tausend begrenzt. Hinzu kommen besondere Härtefälle – deren Zahl aber bisher niedrig liegt. Im vergangenen Jahr kamen so weniger als hundert Menschen zu ihren Familien. Für den Antrag der CDU/CSU-Fraktion stimmten 376 Abgeordnete, mit Nein 298 Abgeordnete – darunter auch zehn Mitglieder der SPD-Fraktion. Auch zwei der vier Enthaltungen kamen aus der SPD.

Union will nicht mehr Härtefälle

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) strich wie andere Redner der Union als besonderen Erfolg heraus, dass es künftig für subsidiär Geschützte keinen Rechtsanspruch auf Familiennachzug mehr geben werde. Über die Härtefälle, die über das monatliche Kontingent von 1000 hinaus gebe, werde „das Auswärtige Amt weiter verantwortungsvoll und menschlich entscheiden“. Über eine großzügigere Härtefallregelung will die SPD weiter streiten, man müsse sie „anders ausgestalten“. Im Gesetzentwurf sind allerdings keine Änderungen vorgesehen, der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer erklärte: „An dieser Regelung wird nicht gerüttelt.“ SPD-Fraktionsvize Eva Högl verteidigte die Einigung mit der Union. Familiennachzug sei „legal, sicher geordnet, nicht über Schlepper und Schleuser“, er habe folglich alles, was man sich wünsche. Es sei ihrer Fraktion daher nicht leicht gefallen, ihn zu beschränken. Die Einigung sei aber „ein akzeptabler Kompromiss“. Die gute Botschaft sei, dass es ab dem 1. August wieder Familiennachzug geben werde.

Pro Familiennachzug: Fraktionsmitglieder von Bündnis 90/Die Grünen vor dem Reichstag
Pro Familiennachzug: Fraktionsmitglieder von Bündnis 90/Die Grünen vor dem Reichstag

© dpa/Kay Nietfeld

In der Fraktionssitzung am Dienstag war der Widerstand der SPD-Abgeordneten noch heftiger ausgefallen, in der Probeabstimmung hatten viele mit Nein gestimmt. Fraktionschefin Andrea Nahles, die um die Regierungsbildung fürchtete, gelang es dann offenbar, so viele umzustimmen, dass am Ende zehn Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen blieben. Die SPD-Fraktion hat 153 Mitglieder.

"Auch vor deutschen Panzern auf der Flucht"

In der Debatte griffen Linke und Grüne griffen vor allem die SPD für ihre Zustimmung zur Abschaffung des Rechtsanspruchs auf Familie und die Kontingentierung auf monatlich tausend Personen an: „Sie sind noch in keiner Koalition“, sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. „Wie klein will sich die SPD noch machen?“ Der jetzige „unsägliche“ Kompromiss sei Betrug an Geflüchteten, denen man 2015 versprochen habe, es gehe nur um zwei Jahre ohne Familie. „Sie schaden dem Ansehen des Rechtsstaats, sie schaden auch dem Ansehen dieses Landes.“ Ein Härtefall sei jeder Fall einer Trennung von Geschwistern und der Eltern von den Kindern. Die neue Grünen-Parteichefin Annalena Baerbock verwies auf die lange Wartezeit, die die das Monatskontingent bedeute. „Vier Jahre bedeuten, dass Kinder vier Jahre lang täglich in Gefahr sind, durch Bomben zu sterben.“

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch sprach von einem „Trauerspiel“, das einen Vorgeschmack auf eine künftige schwarz-rote Koalition gebe. Gerade seien Menschen durch den türkischen Angriff in Syrien auch vor deutschen Panzern auf der Flucht. „Da engagieren sie sich, aber hier nicht.“ Mit der Union habe die SPD „unsagbar schlecht verhandelt“. Das Ergebnis, so Bartsch, wäre aber „ein glaubwürdiger Ansatz, aus diesem Wahnsinnsprojekt Große Koalition auszusteigen“.

Juristen sehen neue Härten im Kleingedruckten

Auch die FDP sah einen Verhandlungserfolg der Union. An die Fraktions- und Parteichefs der SPD gewandt, sagte ihr Abgeordneter Stephan Thomae: „Frau Nahles, Herr Schulz, wir sind gespannt, wie Sie dies Ihrer Partei schmackhaft machen.“ Über das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen will die SPD alle Parteimitglieder abstimmen lassen.

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Der Familiennachzug zu subsidiär Geschützten – gemeint ist die Kernfamilie, Ehepaare und Kinder - war 2015 im Asylpaket II auf zwei Jahre ausgesetzt worden. Die Neuregelung bindet ihn jetzt neben der Beschränkung auf tausend auch an Voraussetzungen. Die Ehepaare müssen bereits vor der Flucht geheiratet haben, wer nachzieht, darf kein „Gefährder“ sein. Auch wenn das Familienmitglied, das hier Schutz erhalten hat, demnächst wieder das Land verlässt, hat es keinen Anspruch darauf, Angehörige nachkommen zu lassen. Flüchtlingshilfsorganisationen kritisieren die Einschränkungen als integrationsfeindlich, weil Menschen, die in Angst um ihre Familien lebten, sich schlecht um Schule und Beruf kümmern könnten. Die Juristen der Wohlfahrtsverbände fürchten von der aktuellen Formulierung des Gesetzes zudem weiterreichende Einschränkungen. Sie wiesen in einer Stellungnahme darauf hin, dass es Betroffene künftig zwinge, ausreichend Einkommen und Wohnraum für nachziehende Familienmmitglieder nachzuweisen. Dies sei „de facto für kaum einen der Betroffenen zu schaffen“, vor allem nicht für Kinder, die hier auf ihre Eltern warteten.

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