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Emmanuel Macron nach der französischen Präsidentschaftswahl am Sonntagabend in Paris.

© imago

Frankreichs neuer Präsident: Macron muss schnell Erfolge präsentieren

Im Wahlkampf warb er für ein "optimistisches Frankreich" und versprach große Reformen. Eine Schonfrist wird es für Emmanuel Macron nun nicht geben.

Er hat alles richtig gemacht. Emmanuel Macron präsentierte sich als Newcomer und Außenseiter, obwohl er doch Teil des Pariser Politikbetriebs ist. Nun wird er sogar an dessen Spitze aufrücken – als neuer Präsident Frankreichs. Dass er die rechtsextreme Marine Le Pen am Ende mit 65,7 Prozent der Stimmen besiegen konnte, hat seinem Selbstbewusstsein noch einmal einen Schub verliehen.

Als die ersten Hochrechnungen seinen Sieg bestätigten, sagte Macron: „Unsere Zivilisation stand auf dem Spiel.“ Doch nun sei ein neues Kapitel in der französischen Geschichte aufgeschlagen worden. Hoffnung und Vertrauen seien wiedergefunden. „Ich werde mich durch nichts aufhalten lassen“, sagte er bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach Schließung der Wahllokale. Doch ein Makel bleibt: Mit 34,3 Prozent schnitt Le Pen deutlich besser ab als seinerzeit ihr Vater Jean-Marie Le Pen, der es 2002 gegen den Konservativen Jacques Chirac in die zweite Runde schaffte. Mit 17,8 Prozent zu 82,2 Prozent wurden Vater Le Pen und sein Front National (FN) damals noch klar in die Schranken verwiesen. So deutlich schaffte Macron das nicht. Und anders als Chirac schaffte er es auch nicht, die politischen Lager im Kampf gegen Rechts hinter sich zu versammeln. Rund neun Prozent der Wähler, mehr als vier Millionen Franzosen, machten ihre Stimme ungültig, rund 26 Prozent gingen laut Schätzungen erst gar nicht zur Wahl. Man muss lange in der Statistik zurückgehen, um auf eine noch schlechtere Wahlbeteiligung zu stoßen.

Schnelle Reformen sind gefragt

Für Macron bedeutet das: Eine Schonzeit gibt es für ihn nicht. Im Wahlkampf warb er für ein „optimistisches Frankreich“ und versprach große Reformen. Vor allem die marode Wirtschaft will er wieder in Schwung bringen, die Arbeitslosigkeit senken, der Jugend wieder Hoffnung geben, die unzufriedenen Bevölkerungsschichten, die zu Populisten tendieren, besänftigen, Integrationsprobleme in den Banlieues bewältigen und die Spaltung der französischen Gesellschaft überwinden. Sollten sich nicht in kurzer Zeit erste Erfolge einstellen, dürfte der Newcomer-Bonus des erst 39-Jährigen schnell aufgebraucht sein.

Mit John F. Kennedy und dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau wurde er oft verglichen. Der Arztsohn, der Philosophie studiert hat, steht für ein proeuropäisches Projekt, will die Wirtschaft liberalisieren und doch die soziale Sicherheit erhalten. Der Eliteschüler der ENA (École nationale d’administration) und ehemalige Rothschild-Investmentbanker muss schon große Ziele gehabt haben, als er vor einigen Jahren auf sein Banker-Gehalt verzichtete und sich für deutlich weniger Geld in der Politik verdingte. Zuerst 2012 als Wirtschaftsberater des bisherigen Präsidenten François Hollande, als dessen Ziehsohn er gilt. Die Wirtschaftsprogramme von Hollande basieren auf seinen Empfehlungen. 2014 wurde er Wirtschaftsminister, und schon damals sagten ihm viele eine große Zukunft voraus. Der „Mozart im Elyséepalast“ wurde der begabte Klavierspieler genannt.

Er wollte viel und das schnell. Doch der Widerstand im linken Lager der sozialistischen Partei setzte ihm Grenzen. Das frustrierte ihn. Als die französische Regierung immer mehr auseinanderfiel, verabschiedete er sich und trat von seinem Amt zurück. Schon einige Monate vorher, im April 2016, hatte er seine Bewegung „En Marche“ („Auf geht’s“) gegründet, die seine Initialen trägt. Er erklärte, dass er weder rechts noch links stehe und die Kräfte der politischen Mitte vereinen wolle.

Er hat ein gutes Timing

In wenigen Monaten entstand eine derartige Dynamik, dass die Bewegung schon bald mehr als 200.000 meist junge Mitglieder zählte. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich „En Marche“ über ganz Frankreich. Dabei wusste lange Zeit niemand wirklich, was Macron überhaupt vorhatte. Allein durch seine energische Persönlichkeit nahm er die Franzosen für sich ein. Sein Programm veröffentlichte er erst spät, deutlich später als seine Konkurrenten. Viel hat bei ihm mit dem richtigem Timing zu tun. Manche fragten sich aber, ob sein Aufstieg nicht vor allem durch den Abstieg der Sozialisten möglich wurde – und des Konservativen François Fillon, den die Affäre um die Scheinbeschäftigung seiner Frau schwächte. Zweifel an seinem Programm gibt es überdies. Wie etwa will er seine Reformen durchsetzen in einem Land, dessen Bürger schon bei kleinsten Veränderungen auf die Straße gehen, um zu protestieren?

Nicht alle sehen in ihm den Erneuerer, vielen gilt auch er als Vertreter des verhassten Establishments, das keine Berührungspunkte mehr zum einfachen Volk hat. Andere fürchten eine allzu großen Nähe zur Wirtschaft. Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon sah in ihm die „Macht des Geldes“ verkörpert, Marine Le Pen warf ihm vor, ein „Handlanger der Eliten“ zu sein. Fraglich ist auch, ob es ihm gelingt, bei der Parlamentswahl im Juni mit seiner Bewegung eine Mehrheit zu erlangen. Sollte es so kommen, hätte Macron als Präsident viel Macht. Muss er mit anderen Parteien regieren, könnte sein Eifer schnell erlahmen.

Besonders die Wirtschaft erhofft sich viel von Macron, denn er hat versprochen, das strenge französische Arbeitsrecht zu lockern, das viele Unternehmen davon abhält, neue Mitarbeiter einzustellen. Er will zwar nicht die 35-Stunden- Woche abschaffen, aber in den Unternehmen mehr Vereinbarungen zur Arbeitszeit zulassen – und hat vorgeschlagen, die Unternehmensteuer von derzeit 33 Prozent auf 25 Prozent zu senken. Der Sozialliberale will Frankreichs Schulden durch Einsparungen im öffentlichen Dienst, im Gesundheitswesen und bei der Arbeitslosenversicherung reduzieren. Laut einer Umfrage glauben 57 Prozent der Franzosen allerdings nicht daran, dass sein Wirtschaftsprogramm die Lage Frankreichs verbessern wird.

Pro Europa, aber nicht unbedingt pro Berlin

Für Berlin könnte Emmanuel Macron ein unbequemer Partner werden, obwohl er bekennender Europäer ist. Er betonte zwar: „Ich will mehr Europa und will es mit Deutschland. Ich vertraue Deutschland.“ Was Euro, den Schengen-Raum und die Flüchtlingspolitik angeht, steht der neue französische Präsident an Deutschlands Seite. Doch er will mehr: ein gemeinsames Budget und eine EU-Finanzregierung, was den Auftakt zur Vergemeinschaftung europäischer Schulden bedeuten könnte. Er kritisierte die deutschen Handelsüberschüsse und hält die deutschen Investitionen für zu niedrig. Deutschland wird sich mehr in Frankreichs Richtung bewegen müssen, wenn es den französischen Partner und damit Europa stärken will. Denn die Franzosen fühlten sich in den vergangenen Jahren von Deutschland oft gegängelt und zu Unrecht kritisiert – vor allem beim Thema Schuldenabbau.

Macron hat es verstanden, sich im Wahlkampf mit den richtigen Leuten zu umgeben. Er stellte ein Team von Wirtschaftsexperten auf und gewann so das Vertrauen einiger Politiker anderer Lager, die sich schon vor dem ersten Wahlgang zu ihm bekannten. Doch seine wichtigste Stütze ist sicherlich seine 64-jährige Frau Brigitte. Schon die Tatsache, dass er mit einer deutlich älteren Partnerin zusammen ist, ließ Macrons Popularität steigen. Das Paar inszenierte sich zudem offensiv, zeigte sich auch mal in Badeanzug und Badehose am Strand. Emmanuel verliebte sich mit kaum 16 Jahren in Brigitte, als sie im nordfranzösischen Amiens Lehrerin an seiner Schule war. Der junge Macron sagte zu ihr: „Ich werde sie heiraten“, was beweist, dass er schon damals sehr zielstrebig war. Die Mutter von drei Kindern im Alter von Macron verließ später ihren Mann für ihren ehemaligen Schüler.

Brigitte, die sich feministisch und zugleich fröhlich gibt, lässt ihren Mann nahbarer erscheinen. Im Elyséepalast wird sie sich sicherlich nicht dezent im Hintergrund halten, wie so viele andere First Ladys vor ihr. Macron selbst sagt: „Brigitte wird ihren Platz haben.“ Schon häufiger wurde Brigittes Einfluss mit dem von Michelle Obama verglichen, die ebenfalls sehr präsent war. Eines ist klar: Mit Emmanuel und Brigitte Macron ziehen zwei ungewöhnliche Persönlichkeiten in den Elyséepalast ein.

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