zum Hauptinhalt
Bolivianische Schuhputzer - die so genannte "Arbeit auf eigene Rechnung" wird nun offiziell schon ab einem Alter von 10 Jahren erlaubt.

© Archiv

Gesetzesänderung: Bolivien lässt Kinderarbeit ab zehn Jahren zu

Das Parlament in Bolivien hat entschieden: Auch Zehnjährige sollen arbeiten dürfen - wenn sie "auf eigene Rechnung" tätig sind. Das soll die extreme Armut im Land verringern.

In den Staaten Südamerikas ist es ein alltägliches Bild: Kleine Kinder laufen über die Straßen und bieten sich als Schuhputzer an, verkaufen Kaugummis, Süßigkeiten oder Zigaretten. Wer schon einmal in Südamerika war, kennt das Dilemma, das sich für Passanten dabei ergibt: Einerseits möchte man dem Kind helfen und ihm etwas abkaufen, andererseits weiß man, dass Kinder oft von ihren Eltern zur Arbeit gezwungen werden. In Bolivien ist „Arbeit auf eigene Rechnung“ nun offiziell erlaubt – ab einem Alter von zehn Jahren.

Bislang galt ausnahmslos eine Altersgrenze von 14 Jahren. Kinder, die jünger waren, durften gar keiner Arbeit nachgehen. Künftig sollen selbstständige Tätigkeiten mit zehn Jahren erlaubt sein, feste Beschäftigungsverhältnisse in Ausnahmefällen ab einem Alter von zwölf Jahren. Mit dem am Mittwoch in La Paz getroffenen Beschluss reagiert das Parlament auf Kritik, die bisherigen Regelungen seien realitätsfern. Viele Kinder müssten aus finanzieller Not ohnehin schon jünger anfangen zu arbeiten. Und obwohl seit 1998 eine achtjährige Schulpflicht besteht, besuchen nach Angaben der staatlichen deutschen Entwicklungsagentur GIZ 60 Prozent der Kinder gar keine Schule, noch weniger machen einen Abschluss.

Der Abgeordnete Javier Zavaleta sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Regelung solle helfen, das Land bis zum Jahr 2025 aus extremer Armut zu befreien. Im besten Fall werde Kinderarbeit ab 2020 nicht mehr notwendig sein.

Haltung zur Kinderarbeit ist kulturell geprägt

Auch Boliviens Präsident Evo Morales ist bekennender Befürworter von Kinderarbeit. Im Anschluss an ein Treffen mit Vertretern von Jugendorganisationen, die ein gesetzliches Mindestbeschäftigungsalter ablehnen, um Kinderarbeiter nicht in die Illegalität zu drängen, äußerte er Ende vergangenen Jahres: „Man darf die Kinderarbeit nicht abschaffen, ebenso wenig darf man die Kinder ausbeuten oder sie zur Arbeit antreiben. Manche aber arbeiten aus der Not heraus. Zudem käme die Abschaffung ihrer Arbeit der Abschaffung ihres sozialen Gewissens gleich.“

Morales, der erste indigene Präsident, wuchs selbst in bescheidenen Verhältnissen auf. In seiner Kindheit half er in einer Bäckerei aus und verdingte sich bei der Herstellung von Bauziegeln. Mit fünf Jahren begleitete er seinen Vater zur Zuckerernte nach Argentinien, als Teenager spielte der spätere Staatschef Trompete auf der Straße und verdiente sich so etwas dazu.

Präsident Evo Morales: Frühes Arbeiten fördere das soziale Gewissen, sagt er. Als Kind arbeitete der Staatschef selbst, half in der Bäckerei und bei der Zuckerernte.
Präsident Evo Morales: Frühes Arbeiten fördere das soziale Gewissen, sagt er. Als Kind arbeitete der Staatschef selbst, half in der Bäckerei und bei der Zuckerernte.

© Archiv

Seine Haltung ist in Lateinamerika weit verbreitet. Obwohl die Zahl derer, die statt Arbeit eine vernünftige Schuldbildung für Kinder fordern, zunimmt, wird es in großen Teilen der Bevölkerung als selbstverständlich erachtet, dass selbst die Jüngsten eine aktive Rolle in der Gemeinschaft übernehmen, auch, indem sie zum Familienunterhalt beitragen.

Offiziellen Daten zu Folge gehen 28 Prozent der Kinder und Jugendlichen zwischen fünf und 17 Jahren arbeiten, insgesamt sind es 850.000. 87 Prozent sind in gefährlichen Bereichen wie in Minen tätig, 77 Prozent haben keinen eigenen Verdienst, weil sie ihren Familie helfen.

Zur Startseite