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Wie werden die jungen Polen wählen? Ein Wahlkämpfer versucht diese jungen Frauen mit Flyern von Jaroslaw Kaczynski zu überzeugen.

© AFP

Wahlen in Polen: „Ich wähle das kleinere Übel“ - Was junge Polen denken

Die Kandidaten haben ihren Endspurt beendet. Am Sonntag wird in Polen nach dem Tod von Lech Kaczynski ein neuer Präsident gewählt. Das Rennen ist knapp - und viele junge Polen sind noch unentschlossen. Eine Reportage.

Warschau - Der 18-jährige Przemyslaw darf an diesem Sonntag zum ersten Mal wählen, und er weiß genau, bei welchem Namen er sein Kreuz machen wird. Denn der Schüler engagiert sich in der Jugendorganisation der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PIS), und er will seinen Favoriten auch im Wahlkampf unterstützen. Unter einem Poster von Jaroslaw Kaczynski verteilt er auf der schicken Straße Krakowskie Przedmiescie (Krakauer Vorstadt) eine Wahlkampfzeitung, in der immer wieder Jaroslaw und sein verstorbener Bruder Lech zu sehen sind: als Babys, kleine Jungs oder Abiturienten.

Der Abstand zwischen Kaczysnki und seinem Mitbewerber Bronislaw Komorowski von der regierenden Liberalen Bürgerplattform (PO) ist in den vergangen Tagen zusammengeschmolzen. Lange hatte Komorowski als Favorit gegolten. In den jüngsten Umfragen wurde Komorowski ein Stimmenanteil zwischen 41 und 51 Prozent vorausgesagt. Bekäme er mehr als 50 Prozent, wäre er im ersten Wahlgang gewählt. Kaczynski kann auf 29 bis 35 Prozent der Stimmen hoffen. "Für mich ist Jaroslaw Kazcynski die Zukunft", sagt Przemyslaw, der ein schwarzes Jackett trägt. Der Flugzeugabsturz in Smolensk sei für ihn ein historisches Ereignis gewesen: "Ich würde das mit der Solidarnosc-Bewegung vergleichen". Kaczynskis Konkurrent Komorowski wisse hingegen nicht einmal, wie er Polens Finanzen im Griff behalten wolle.

Schräg gegenüber von Wahlkämpfer Przemyslaw steht der 25-Jährige Jacek vor dem Präsidentenpalast. Dort ist seit Wochen ein großes Foto des verstorbenen Präsidentenpaares aufgestellt, neben dem fast immer frische Blumen liegen. Darunter brennen Kerzen, vor allem rote.

Jacek trägt – wie so viele Jugendliche in diesen Tagen – ein Metallica-T-Shirt. Für deren Konzert ist er aus Danzig nach Warschau gekommen. "Ich mochte Lech Kaczynski nicht, aber das Unglück in Smolensk hat mich trotzdem sehr erschüttert, und für die Familien muss es ganz schrecklich sein“, sagt er. Hinter der Staffelei mit dem Präsidentenpaar erinnert eine Foto-Ausstellung an das Unglück, man sieht Jaroslaw Kaczynski an der Absturzstelle, fassungslos, im Hintergrund ragen ein paar Räder des Flugzeugs aus der Dunkelheit. Andere Fotos zeigen die Särge des Präsidentenpaares und die weinende Tochter der Verstorbenen. Und ein gigantisches Meer aus Kerzen und Blumen.

"Wenn ich das so sehe, muss ich schon schlucken“, sagt Jacek, der am Sonntag trotzdem nicht wählen will. „Mich überzeugt keiner der Kandidaten, dabei sind es zehn Stück“, sagt er. Viel wichtiger sei für ihn im Moment die Frage, wie es mit dem Hochwasser weitergehe.

Unzufrieden mit den Präsidentschaftskandidaten ist auch die 20-Jährige Studentin Katarzyna, die gerade auf ziemlich hohen Absätzen auf dem Weg zur Uni ist. Beim Thema Smolensk rollt sie erst einmal mit den Augen, antwortet dann aber doch: „Was dort passiert ist,  das ist eine menschliche Tragödie.“ In seiner Bedeutung für Polen werde der Unfall aber stark überschätzt. „Ich finde es schon lange schwer, in der polnischen Gesellschaft Vorbilder für mich zu entdecken, Menschen, die man mit gutem Gewissen zum Präsidenten wählen kann“, sagt sie. Und auch, dass es sie störe, dass unter den zehn Kandidaten keine einzige Frau sei. Wählen gehen werde sie aber trotzdem: Bronislaw Komorowski, das „kleinere Übel“.

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