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Politik: „Immer mehr Kinder im Kongo werden zwangsrekrutiert“

World-Vision-Mitarbeiter Keyzer über die dramatische Lage in dem vom Bürgerkrieg zerrütteten Land in Zentralafrika.

Im Osten des Kongo kam es in den vergangenen Tagen immer wieder zu schweren Kämpfen zwischen den Rebellen der M23-Bewegung und Regierungstruppen. Was macht Ihnen besonders Sorge?

Die Zwangsrekrutierungen von Kindersoldaten nimmt stark zu. Die Lage ist sehr angespannt, Familien leben in ständiger Angst vor Übergriffen. Erst kürzlich wurden 200 Kinder von bewaffneten Truppen entführt. Wir schätzen, dass circa 10 000 Kinder vor den Kämpfen nach Uganda und Ruanda fliehen. Viele Kinder verstecken sich in den Wäldern im Osten des Landes. Oft sind sie alleine, getrennt von ihren Familien.

Wer rekrutiert die Kindersoldaten?

Die Kinder müssen oft für die Rebellentruppe M23 („Bewegung des 23. März“) kämpfen. Circa 600 Soldaten hatten sich im April von der Regierungsarmee losgesagt, deren Teil sie vorher waren. Die Truppen werden aktuell von Oberst Sultani Makenga angeführt. Ihr vorheriger Anführer, Bosco Ntaganda, wird vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gesucht. Ihm werden schwere Kriegsverbrechen vorgeworfen wie Folterungen und Vergewaltigungen und der Einsatz von Kindersoldaten.

Wie rekrutieren die Rebellentruppen die Kinder?

Das hängt davon ab, wie viel Zeit sie haben. Sind sie in Eile, durchkämmen sie die Häuser, holen die Kinder aus der Schule, lesen sie von den Straßenrändern auf, wenn diese fliehen wollen. In den von ihnen kontrollierten Gebieten starten sie Kampagnen. Sie rufen die Bevölkerung auf, die Jugend in den Kampf zu schicken. Vielen Kindern wird anschließend in Trainingslagern der Umgang mit Waffen gelehrt. Ein Camp der M23-Rebellen befindet sich zum Beispiel in der von ihnen kontrollierten Region Rutshuru, nördlich der Hauptstadt Goma.

Welche Aufgaben haben die Kindersoldaten in den M23-Truppen?

Jungs müssen meistens wie erwachsene Soldaten kämpfen. Auch gegen ihre eigene Dorfgemeinschaft und Familie. Mädchen werden oft als Trägerinnen eingesetzt und außerdem durch sexuelle Gewalt ausgenutzt. Die Kinder sind meist zwischen zwölf und 18 Jahren alt.

Warum setzten die Rebellen gerade Kindersoldaten in den Kämpfen ein?

Kinder können sich schwerer wehren und können leichter zu Handlungen gezwungen werden, die Erwachsene ablehnen würden. Sie werden großen Gefahren ausgesetzt. Außerdem haben die Truppen oft nicht die volle Unterstützung der Bevölkerung und bauen ihr Soldatenheer mit Kindern aus.

Was macht das mit den Kindern?

Sie sind oft von den Kämpfen traumatisiert, haben psychische Probleme und Albträume. Ihre Körper sind später schwächer als die ihrer Altersgenossen. Word Vision betreibt im Kongo mehrere Zentren, um die ehemaligen Kindersoldaten in die Gesellschaft zu integrieren.

Wie können Rekrutierungen verhindert werden?

Für die Regierungstruppen im Kongo war eine offizielle Ablehnung von Kindersoldaten wirksam. Auf die Rebellentruppen muss weiter Druck von der internationalen Öffentlichkeit ausgelöst werden.



Dominic Keyzer (28)
ist seit Februar für World Vision im Kongo. Die Kinderhilfsorganisation ist dort seit 1994 tätig. Mit ihm sprach Hanna Gieffers.

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