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Laut einer Umfrage der Europäischen Grundrechte-Agentur ist Antisemitismus in Europa nach wie vor ein großes Problem.

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Juden fürchten wachsenden Antisemitismus: Neue alte Ängste

Die Mehrheit der Juden in Europa befürchtet einen wachsenden Antisemitismus. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage der Europäischen Grundrechte-Agentur (FRA). Was sind die Gründe?

66 Prozent der befragten Juden Europas sehen Antisemitismus weiterhin als großes Problem an. Für 76 Prozent hat sich die Situation in den vergangenen fünf Jahren in ihrem Land sogar verschärft. „Antisemitismus ist ein verstörendes Beispiel dafür, wie Vorurteile über Jahrhunderte bestehen können“, sagte FRA-Direktor Morten Kjaerum bei der Vorstellung der Umfrage am Freitag in Wien. In Deutschland gaben die Befragten sogar an (61 Prozent), dass Antisemitismus das größte Problem sei, gefolgt von Arbeitslosigkeit und wirtschaftlicher Entwicklung.

Für den Bericht wurden im Herbst 2012 mehr als 5800 Juden im Alter über 16 Jahre in jenen EU-Ländern befragt, in denen zusammen 90 Prozent der jüdischen Bevölkerung in der EU leben. Darunter fallen Großbritannien, Belgien, Deutschland, Frankreich, Ungarn, Italien, Lettland und Schweden. 21 Prozent der Befragten berichteten, sie hätten allein in den vergangenen zwölf Monaten antisemitische Äußerungen oder andere Belästigungen erfahren. Zwei Prozent der Befragten seien in der Zeit Opfer eines gewaltsamen Übergriffs geworden. Der Großteil dieser Angriffe wurde von den Betroffenen nicht gemeldet. Ein Viertel gab an, jüdische Veranstaltungen aus Sicherheitsgründen zu meiden.

Antisemitismus - ein EU-weites Problem

Das Problem Antisemitismus besteht EU-weit und hat doch unterschiedliche Ursachen: In Frankreich lassen sich die Feindseligkeiten gegenüber Juden wohl zu einem großen Teil auf den Nahostkonflikt zurückführen. Viele aus Nordafrika eingewanderte Araber haben gewissermaßen das Schicksal der Palästinenser im Gepäck. In diesem Zusammenhang werden Juden oftmals für Israels Besatzungspolitik verantwortlich gemacht.

Besonders aggressiv ist der Antisemitismus in Ungarn, wie die Studie zeigt. Juden beklagen seit Jahren, dass sie beschimpft, drangsaliert und körperlich angegriffen werden. Auch politisch wird dem Treiben der rechtsextremen Jobbikpartei kaum Einhalt geboten.

Dass deutsche Juden den Antisemitismus auf dem Vormarsch sehen, hängt eventuell auch mit dem Zeitpunkt der Umfrage zusammen. Im Herbst 2012 war die Beschneidungsdebatte im vollen Gang. Viele Juden empfanden die Diskussionen als diskriminierend und als Eingriff in ihre persönliche Freiheit. Es gab Ängste, ob jüdisches Leben in Deutschland überhaupt noch möglich sei. Gerade im Internet waren Kommentare zu finden, die Juden als antisemitisch empfanden.

Das Netz sehen drei von vier Befragten als Ort für antisemitische Attacken. „Was als Informations- und Kommunikationsmittel gedacht ist, wird als Instrument für antisemitische Schikane genutzt“, kritisierte Kjaerum. Mit Blick auf die Umfrageergebnisse fordert die FRA die EU auf, antisemitische Übergriffe besser und umfangreicher zu dokumentieren.

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