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Pro-Gaza-Demonstration am Freitag in Essen

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Klaus Lederer im Interview: Berliner Linke-Chef: Der Hass gegen Israel ist unerträglich

In der Linkspartei gibt es heftige Auseinandersetzungen über die Nahost-Politik. Der Berliner Landesvorsitzende Klaus Lederer mahnt: Wer über israelische Regierungspolitik spricht, darf über den Terror der Hamas niemals schweigen.

Von Matthias Meisner

Herr Lederer, in Essen kam es am Freitag nach einer Pro-Gaza-Demonstration, zu der die Linkspartei in Nordrhein-Westfalen aufgerufen hatte, zu Übergriffen auf proisraelische Demonstranten einer anderen Kundgebung. Wie konnte das passieren?

Der Demonstrationsaufruf hat im Nahostkonflikt einseitig Position bezogen, Israel wurde die alleinige Verantwortung zugeschoben. Daraus wird dann schwerlich eine Friedensdemonstration, sondern das mobilisiert auch Menschen und Gruppen mit Israelhass und antisemitischen Haltungen. Das kann eine Demonstrationsleitung dann nicht mehr unterbinden, indem Handzettel mit auf der Demo unzulässigen Parolen verteilt werden. Wenn im Anschluss von Teilen einer solchen Demonstration Hass und Gewalt gegen Menschen ausgeht, die gegen Antisemitismus protestieren, dann ist das für mich unerträglich. Und es ist beschämend für mich, wenn eine Synagoge stärkeren Polizeischutz bekommt, weil die Angst besteht, ausgehend von einer von Linken angemeldeten Demonstration könnten Angriffe auf sie erfolgen.

Die Polizei in Essen erklärt, sowohl die Pro-Gaza- als auch die Pro-Israel-Kundgebung seien friedlich verlaufen. Es sei gelungen, Menschen die ihre Meinung äußern wollten, eine störungsfreie Demonstration zu gewährleisten. Hat die Polizei richtig operiert?

Das kann ich aus der Ferne gar nicht beurteilen. Die Polizei hat die Aufgabe, das Demonstrationsrecht zu garantieren, und zwar völlig unabhängig vom Anliegen der Demonstranten. Was ich sicher sagen kann: Wenn dort Plakate getragen werden, wo Davidstern und Hakenkreuz kombiniert wird oder „Gestern angeblich Opfer, heute Täter“ geschrieben steht, dann sind das antisemitische Äußerungen – das verantwortet der Anmelder. Für Linke muss aus historischer Verantwortung zum Selbstverständnis gehören, dass Antisemitismus und auch Antizionismus absolut inakzeptabel sind. Durch Auschwitz wurde Israel zur Notwendigkeit. Wir kritisieren die israelische Regierungspolitik, selbstverständlich. Entscheidend ist, eine solche Kritik in Inhalt und Form so zu artikulieren, dass antisemitische Denkmuster keinen Anschluss finden. So etwas wie in Essen darf sich nicht wiederholen.

Warum brechen, gerade beim Nahostkonflikt, in der Linkspartei die Auseinandersetzungen zwischen dem linken Flügel und den Realpolitikern immer wieder auf?

Im Kalten Krieg ist die Welt auch von Teilen der Linken in sehr einseitiger Weise dargestellt worden, mit Israel als vermeintlich verlängertem Arm des US-Imperialismus. Umgekehrt war die pauschale Solidarisierung mit als nationalen Befreiungsorganisationen empfundenen Gruppierungen sehr stark. Die gesellschaftliche Linke ist nicht frei von einem als Antiimperialismus verbrämten Antisemitismus, der dringend kritischer Aufarbeitung bedarf. Die Hamas ist nun weiß Gott keine Gruppierung, mit der emanzipatorische Linke sich gemein machen dürfen. Und klar ist doch, etwas polemisch zugespitzt: Der Nahostkonflikt wird nicht hier gelöst. Entscheidend ist, dass wir als Partei, die sich dem Frieden verschrieben hat, auf eine friedliche Lösung drängen müssen. Die Kritik an der Eskalation trifft beide Seiten. Wer über israelische Regierungspolitik spricht, darf über den Terror der Hamas niemals schweigen.

Klaus Lederer
Klaus Lederer

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Was kritisieren Sie konkret an der israelischen Politik?

Schauen wir doch einfach auf die Kontroversen in der israelischen Öffentlichkeit selbst, die die aktuelle Politik der Regierung mit erheblichen Fragezeichen versehen. In den vergangenen Jahren haben Netanjahu und Lieberman manche Chance verpasst, unter Vermittlung und mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft zur Verständigung mit palästinensischen Akteuren aus der Westbank und dem Gazastreifen zu kommen. Auch die forcierte Siedlungspolitik lässt die Hoffnung auf eine solche Verständigung schwinden. Andererseits hat die Hamas keinerlei Interesse an einer friedlichen Lösung, sie lebt von der Geiselnahme der Leute in Gaza. Das ist das eigentlich Dramatische an der ganzen Geschichte. Mein Mitgefühl gehört den Opfern auf beiden Seiten und denjenigen, die auf beiden Seiten unter der Eskalation leiden. Das betrifft die Zivilbevölkerung im Gazastreifen genauso wie diejenigen, die jeden Tag in der Angst vor Kassam-Raketen leben müssen. Unter dem Strich: Wir stehen zum Existenzrecht Israels, wir stehen für eine friedliche Lösung im Nahostkonflikt und zur Zweistaatenlösung. Wir werden alle Schritte unterstützen, die eine solche Lösung perspektivisch befördern.

Klaus Lederer (40) ist Landesvorsitzender der Partei Die Linke in Berlin. Das Gespräch führte Matthias Meisner.

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