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Hannelore Kraft

© dpa

Nordrhein-Westfalen: Krafts neuer Stil

Neue Gesichter auf der Regierungsbank, knappe Mehrheitsverhältnisse im Landtag: In Nordrhein-Westfalen bricht eine neue Zeit an.

Unverblümt und offen nahm die neue Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) in ihrer ersten Regierungserklärung Abschied von einer Finanzpolitik des Streichens, Kürzens und Sparens, die seit Jahrzehnten zur Grundausstattung aller Regierungen in Bund und Ländern gehörte.

„Wir stellen fest“, sagte Kraft, die sich gerne auf ihre Ausbildung als Bankkauffrau und Diplomökonomin beruft, dass die „Politik des Rotstifts bestenfalls kurzfristige Entlastungen bringt“ und die übliche Vorgehensweise mit Kürzung der Sozialausgaben und Abbau von Personal „nicht zu einer langfristigen Konsolidierung geführt hat“. Anders als die Bundesregierung, die selbst bei den Schwächsten spare, stehe ihre Regierung für eine nachhaltige Finanzpolitik und habe den Mut, in Vorbeugung, Betreuung und Bildung zu investieren. Diese Politik bedeute zunächst höhere Ausgaben und gegebenenfalls höhere Schulden. Doch sie sei überzeugt, dass sie im zweiten Schritt zu Wirtschaftswachstum, höheren Steuereinnahmen und sinkenden Staatsausgaben führen werde.

Der FDP-Vorsitzende Andreas Pinkwart sprach in einer ersten Reaktion von einer „horrenden Schuldenpolitik“. „Die Geldhähne werden aufgedreht“, spottete CDU-Fraktionschef Karl-Josef Laumann. Erst an diesem Donnerstag kommt die Opposition ausführlich zu Wort.

Dem Gelächter der Oppositionsabgeordneten hielt Kraft Studien über die Auswirkungen einer Politik, wie sie sie plant, entgegen. Wenn es durch vorbeugende Maßnahmen gelingt, die Zahl der Kinder zu halbieren, die in den Kommunen vorläufig unter Schutz gestellt werden müssen, ließen sich 400 bis 500 Millionen Euro im Jahr sparen. Das der Sympathie für sozialdemokratisches Gedankengut unverdächtige Ifo-Institut habe für NRW einen dreistelligen Milliardenbetrag als Zuwachs beim Bruttoinlandsprodukt prophezeit, wenn die Wachstumspotenziale durch bessere Bildung gehoben würden. Kraft sagte, bis 2050 hätten die Wissenschaftler einen Ertrag von knapp 148 Milliarden Euro errechnet, wenn es es dem Land gelinge, „in den kommenden zehn Jahren die Zahl der Risikoschüler mit unzureichender Bildung deutlich zu senken“. Und wenn es gelingen sollte, die Zahl der Schulabbrecher zu halbieren, könnte NRW 790 Milliarden Euro mehr an Wirtschaftsleistung schaffen.

Ganz auf die herkömmlichen Mittel der Haushaltskonsolidierung will auch die rot-grüne Minderheitsregierung nicht verzichten. 200 zusätzliche Betriebsprüfer bei den Finanzämtern sollen dafür sorgen, dass mehr Steuern in die Staatskassen fließen und Steuerhinterziehung öfter entdeckt wird. Außerdem will Kraft im Bundesrat dafür kämpfen, dass die Vermögensteuer wieder eingeführt und der Spitzensteuersatz erhöht wird. Versöhnliche Töne schlug Kraft in der Schulpolitik an. Das Ziel, beste Bildung zu ermöglichen, gelte für alle Kinder, „für Leon und Karoline genauso wie für Ayse und Mehmet“. Überall im Land sollen Gemeinschaftsschulen möglich werden, in denen die Kinder länger gemeinsam lernen.

Peter Jansen[Düsseldorf]

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