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Hass im Internet: Die Fallzahlen sind im Zusammenhang mit der Flüchtlingsdebatte deutlich gestiegen

© Lukas Schulze/dpa

Update

Nazi-Symbole, Antisemitismus und Fremdenhass: BKA holt zum Schlag gegen Hetze im Netz aus

Hatespeech: Die Polizei durchsucht bundesweit 60 Wohnungen, elf davon in Berlin. Die Razzia richtete sich vor allem gegen eine geschlossene Facebook-Gruppe "Groß Deutschland".

Von Matthias Meisner

Die Polizei hat beim ersten bundesweiten Einsatztag zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet am Mittwoch in 14 Bundesländern die Wohnräume von rund 60 Beschuldigten durchsucht. Ziel sei, dem stark zunehmenden "Verbalradikalismus" und den damit verbundenen Straftaten im Netz entgegenzutreten, teilte das Bundeskriminalamt (BKA) mit. Die vermeintliche Anonymität im Netz lasse die Hemmschwelle beim Verfassen von Hasspostings sinken.

Allein in Berlin gab es elf Durchsuchungen - in den Stadtteilen Alt-Hohenschönhausen, Friedrichshain, Heiligensee, Karlshorst, Lichtenberg, Friedenau, Neukölln, Pankow, Reinickendorf und Steglitz. Elf Männer im Alter zwischen 36 und 62 werden in der Hauptstadt der Volksverhetzung beziehungsweise des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verdächtigt, wie die Berliner Polizei weiter mitteilte. Sie sollen unabhängig voneinander über soziale Netzwerke unter anderem Hassparolen in Bezug auf Flüchtlinge und andere fremdenfeindliche Inhalte verbreitet haben.

Der Hetze folgen Taten, erst sterben An- und Verstand, dann sterben Menschen, dem ist mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zu begegnen. Wir brauchen nicht einen "Aktionstag gegen Hatespeech", sondern 365. Pro Jahr, versteht sich.

schreibt NutzerIn mogberlin

Einige der Beschuldigten hätten die Vorwürfe bereits vor Ort zugegeben, teilte die Berliner Polizei auf Twitter mit. In Brandenburg gab es zwei Durchsuchungen, jeweils eine in Potsdam und in Strausberg.

Besondere Bedeutung hatte ein von der Staatsanwaltschaft Kempten geführtes Ermittlungsverfahren. Dabei ging es um eine geschlossene Facebook-Gruppe "Groß Deutschland", in der Nutzer in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres den Nationalsozialismus verherrlicht sowie fremdenfeindliche, antisemitische oder rechtsextremistische Inhalte ausgetauscht hatten. In diesem Zusammenhang durchsuchten Polizeidienststellen in 13 Bundesländern die Wohnräume von etwa 40 Beschuldigten.

Das sächsische Innenministerium teilte dazu mit, bei insgesamt acht Durchsuchungen bei Mitgliedern dieser Facebook-Gruppe - sechs in Ostsachsen, jeweils einer im Vogtland und in Chemnitz - hätten Smartphones, PCs sowie andere Speichermedien sichergestellt werden können. Die meisten der Beschuldigten - fünf Männer und drei Frauen - seien polizeilich noch nicht in Erscheinung getreten. Lediglich gegen einen 30-jährigen aus Ostsachsen wurde bereits wegen Volksverhetzung im Internet in einem Fall aus dem Jahr 2013 ermittelt.

Der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch. Er sagt: "Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte seien häufig das Ergebnis einer Radikalisierung, die auch in sozialen Netzwerken beginnt."
Der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch. Er sagt: "Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte seien häufig das Ergebnis einer Radikalisierung, die auch in sozialen Netzwerken beginnt."

© Michael Kappeler/dpa

BKA-Präsident Holger Münch sagte: "Die Fallzahlen politisch rechts motivierter Hasskriminalität im Internet sind auch im Zuge der europäischen Flüchtlingssituation deutlich gestiegen." Die Hasskriminalität im Netz dürfe nicht das gesellschaftliche Klima vergiften. "Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte sind häufig das Ergebnis einer Radikalisierung, die auch in sozialen Netzwerken beginnt. Wir müssen deshalb einer Verrohung der Sprache Einhalt gebieten und strafbare Inhalte im Netz konsequent verfolgen."

De Maizière: Wir haben moralische Grundsätze - offline wie online

Sehr deutlich gegen Hatespeech äußerte sich auch das Bundesinnenministerium. Es beobachtet im Internet täglich neue Bedrohungen, Nötigungen, Verunglimpfungen, extremistische Inhalte sowie unverhohlene Aufrufe zu Straf- und Gewalttaten. Auch fänden sich im Netz zunehmend "Hasslisten" zu Personen mit Nennung der Namen, Adressen und Arbeitgeber, die sich im Kampf gegen den Rechtsextremismus engagieren. Die Veröffentlichung sei verbunden mit dem offenen Aufruf zu Gewalttaten gegenüber diesen Personen. Verstärkt würden auch Menschen, die in Deutschland Schutz vor Verfolgung suchen, unverhohlen angefeindet.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) erklärte: "Gewalt - auch sprachliche Gewalt - in welcher Form und in welchem Zusammenhang auch immer, ist nicht zu akzeptieren." In unserer offenen Gesellschaft gebe es keinen einzigen Grund, Menschen mit Hass zu begegnen, sie zu beleidigen und zu verängstigen. "Wir haben moralische Grundsätze - offline wie online." Wer diese Grundsätze auf unerträgliche Weise und mit unterirdischem Niveau fortwährend verletze, bereite zugleich den Stimmungsboden für reale Gewalt." Auch Im Internet gelte das Strafrecht.

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Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) begrüßte die Aktion. "Das entschlossene Vorgehen der Behörden sollte jedem zu denken geben, bevor er bei Facebook in die Tasten haut", sagte der Minister. "Den Verfassern von strafbaren Hass-Postings drohen empfindliche Strafen. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Für Straftaten im Netz gibt es keine Toleranz." Maas mahnte aber, auch die Zivilgesellschaft sei in der Verantwortung, gegen radikale Hetze vorzugehen. "Analog wie digital gilt: Wir dürfen den radikalen Hetzern nicht das Feld überlassen. Die schweigende Mehrheit darf nicht länger schweigen."

Regierung legt Bericht zur Extremismusprävention vor

Die sich verändernden "Einstiegs- und Radikalisierungspfade junger Menschen" spielen auch eine wichtige Rolle in der Strategie der Bundesregierung zur Extremismusprävention und Demokratieförderung, die von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) und de Maizière am Mittwoch vorgestellt wurde. "Das Internet und die sozialen Medien spielen eine immer wichtigere Rolle", heißt es darin. Salafistische Gruppen und islamische Terrororganisationen wie der IS nutzten das Internet gezielt und zum Teil hochprofessionell für ihre Propaganda.

"Auch Rassismus, Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus sind im Netz ein anhaltendes Problem", wird in dem 64-seitigen Bericht bilanziert, der am Mittwoch vom Kabinett beschlossen wurde. "Die Versuche der Protagonisten, Jugendliche zu ködern, sind vielfältig. Das Spektrum im Netz reicht von subtiler Beeinflussung und subversiven Aktionsformen bis zu offen formuliertem Hass und Aufrufen zu Mord und Totschlag." Die Nutzung der sozialen Medien erscheine für nicht wenige - gerade im extremistischen Bereich - "mittlerweile glaubwürdiger und wichtiger als herkömmliche Medien wie Presse, Rundfunk und Fernsehen".

Die Bundesregierung beobachtet einen zunehmenden Extremismus, der sich vor allem in einer steigenden Zahl rechtsmotivierter Straftaten gegen Asylunterkünfte und in einer "immer unverhohleneren hasserfüllten und rassistischen Hetze in sozialen Medien" äußere.

Nach jahrelangem Rückgang hatte die rechtsextreme Szene im vergangenen Jahr wieder Zulauf erhalten. "Verschiedene Studien belegen zudem, dass Teile rechtsextremer und rassistischer Ideologien auch im Querschnitt unserer Gesellschaft verbreitet sind.", heißt es dazu. Die Entwicklung sei bei Weitem nicht ausschließlich auf aktuelle Entwicklungen wie die steigende Zahl von Flüchtlingen zurückzuführen. "Es handelt sich hier auch um langfristig wirkende Einstellungsmuster."

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