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Gar nicht erfreut waren Donald Trump und seine Familie - hier Tochter Ivanka - über die Rede von Ted Cruz.

© REUTERS

Parteitag der US-Republikaner: Ted Cruz düpiert Donald Trump

Der Ex-Rivale verweigert dem Spitzenkandidaten die Unterstützung und wird dafür ausgebuht. Dann rettet Vizekandidat Mike Pence den Tag für Trump.

Es ist inzwischen keine Überraschung mehr: Donald Trumps Kinder können herausragende Reden halten. Am dritten Tag des Parteitreffens zeigt auch Sohn Eric diese Begabung. Ein anderer Redner hingegen, dem der Ruf eines geübten Rhetorikers vorauseilt, verrechnet sich: Ted Cruz, Donald Trumps letzter großer Widersacher aus den Vorwahlen, verweigert die offizielle Unterstützung und erntet Buh-Rufe. Der Abend endet dennoch versöhnlich - dank Mike Pence. Der Vize, der als langweilige Wahl galt, zeigt hintergründigen Humor.

Parolen ohne Inhalt

Am Mittwoch hat man sich langsam daran gewöhnt. Jeder Tag der Convention hat zwar ein Motto, aber praktische Vorschläge, wie es eingelöst wird, liefern die Republikaner nicht. "Make America Safe Again" hieß es am Montag. Rezepte gegen die ausufernde Gewalt zwischen Polizei und Bürgern fehlten. "Make America Work Again" hieß es am Dienstag. Doch Ideen, die Wirtschaft und Arbeitsmarkt voranbringen, suchte man vergebens. Da war es keine Überraschung, dass am Mittwoch wenig Konkretes zu hören war zum Versprechen "Make America First Again".

Viel spannender fanden die Delegierten ganz andere Fragen: Wie würden sich Donald Trumps Rivalen Marco Rubio und Ted Cruz aus der Affäre ziehen? Marco Rubio, der mit Trump noch vor wenigen Monaten Beleidigungen unterhalb der Gürtellinie ausgetauscht hatte - bis hin zu Andeutungen über die mutmaßliche Größe der Geschlechtsorgane - ordnet sein Ego der Einheit der Partei unter. "Es ist Zeit, die internen Kämpfe zu beenden." Die Republikaner haben ihren Präsidentschaftskandidaten bestimmt. Also ruft auch Rubio dazu auf, Trump zu wählen. Hillary Clinton müsse verhindert werden.

Cruz' riskante Wette

Ted Cruz entscheidet sich für eine andere Positionierung. Er wählt seine Formulierungen so zweideutig, dass man ihm formal keinen Vorwurf machen kann und doch klar wird, dass er auf Distanz bleibt. Es ist eine riskante Wette, die man ganz brutal so beschreiben kann: Cruz setzt darauf, dass Trump die Wahl krachend verliert und möchte sich bereits jetzt für 2020 positionieren.

Offenbar setzt Ted Cruz setzt darauf, dass Donald Trump die Wahl krachend verliert.
Offenbar setzt Ted Cruz setzt darauf, dass Donald Trump die Wahl krachend verliert.

© AFP

Cruz weiß, dass die meisten der 559 Delegierten, die nicht für Trump gestimmt haben, lieber ihn als Spitzenkandidaten gesehen hätten. So genießt er erstmal den langen Applaus, als er ans Mikrofon tritt. Als erstes gratuliert er Donald Trump zur Nominierung. Es ist das einzige Mal, dass er den Namen des offiziellen Kandidaten in den Mund nimmt. Seine Empfehlung: Jeder Republikaner solle "nach dem Gewissen abstimmen. Wie ihr möchte auch ich, dass unsere Prinzipien im November siegen."

Verteidigung der Homosexuellen

Lange spricht Cruz über einen der in Dallas ermordeten Polizisten, Michael Smith, und dessen 9-jährige Tochter Caroline und malt in Einzelheiten aus, wie sehr der jetzt der Vater fehlt. Der rote Faden aber ist die Treue zur Verfassung. Das wirkt wie ein Codewort. Die meisten im Saal wissen, dass Cruz Trump immer wieder vorgeworfen hat, dass der die Verfassung nicht achte. "Ob homo- oder heterosexuell, unsere Verfassung schützt die Rechte der Bürger." Auch das ist ein Seitenhieb auf Trump.

Die Fernsehkommentatoren hatten zuvor diskutiert, ob Cruz Trump unterstützen werde. Und waren mehrheitlich der Meinung, wenn er einen prominenten Redeplatz auf dem Parteitag akzeptiere, müsse er das tun. Wenn er das nicht wolle, hätte er ja zuhause bleiben können - wie die Bushs, wie Mitt Romney und John McCain, die Kandidaten von 2008 und 2012, und wie einige Dutzend Abgeordnete und Senatoren.

Zorn auf das Establishment

Cruz lässt es an kleinen Verbeugungen vor Trumps Programm nicht fehlen. 2016 sei ein Jahr, in dem sich "die Bürger gegen das Establishment wenden. Die Leute haben Regierungen satt, die nicht zuhören." Und, jawohl, es sei richtig, eine Mauer zu bauen, damit Amerika sicher ist. "Wir brauchen eine Regierung, die aufhört, IS-Terroristen als Einwanderer zuzulassen."

Cruz' Kernthema aber ist die Freiheit. "Nur wenn wir Freiheit zulassen, werden wir eine bessere Zukunft haben. Wir können das schaffen." Und schon fällt Cruz wieder in indirekte Kritik an Trump zurück. Er lobt die Familie von Alton Sterling, des in Baton Rouge von Polizisten erschossenen Schwarzen. Denn die rief dazu auf, den Hass zu beenden. Er lobt die Familien der in einer Kirche in Charleston ermordeten Schwarzen, weil die dem Attentäter vergaben. Solches Lob für Afroamerikaner hat Trump nie geäußert.

Die Trumps blicken versteinert

Während er redet, werden die Delegierten, die auf die Unterstützungserklärung für Trump warten, immer unruhiger. Und als klar wird, dass sie nicht kommt und Cruz zum finalen Appell anhebt, werden Buhrufe laut. Die Kameras richten sich auf die Gesichter der Trump-Familie im Saal, die wie versteinert wirken. "Bleibt nicht zu Hause im November, geht wählen", schließt Cruz seine Rede. "Stimmt für Kandidaten, die die Freiheit verteidigen. Unser Land verdient einen Führer, der klare Prinzipien hat. Der die Verfassung verteidigt." Aus Cruz' Sicht ist Trump nicht dieser Führer. Sonst hätte er jetzt zu dessen Wahl aufgerufen.

Donalds kleine Rache

Donald Trump muss es geahnt haben. Und er weiß, wie er sich rächt. In dem Moment, als sich entscheiden könnte, ob die Buh-Rufe oder der Beifall für Cruz lauter sind, betritt Trump die Arena und stiehlt Cruz die Aufmerksamkeit. Der muss ohne richtigen Schlussapplaus von der Bühne.

Die Delegierten haben die Illoyalität noch gar nicht recht verarbeitet, da steht bereits Eric Trump auf der Bühne. Der zweitälteste Sohn liefert einen makellosen Auftritt ab - wie am Vortag Bruder Donald und Halbschwester Tiffany. Vor 13 Monaten habe der Vater "die Familie versammelt und gesagt, dass er den Niedergang unseres Landes nicht länger mit ansehen kann. Heute steht mein Vater vor euch als der Präsidentschaftskandidat mit den meisten Stimmen, die ein republikanischer Bewerber je in den Vorwahlen bekommen hat." Millionen hätten sich als neu in die Wählerlisten eingetragen - als Anhänger der Republikaner.

Sohn Eric: Die Kandidatur ist ein Opfer

Ein Opfer sei es, dass Donald Trump kandidiere. "Mein Vater gibt den Lebensstil auf, der der Traum des ganzen Landes ist. Er tut es, um dem Volk diesen Traum zurück zu bringen." Es sei "Zeit für einen Präsidenten mit Common Sense. Für einen Präsidenten, der ,The art of the Deal' beherrscht", zitiert Eric den Bestsellertitel seines Vaters. "Amerika ist in einem Zustand, der meinem Vater keine Wahl lässt": die schlechte Infrastruktur, die falsche Einwanderungspolitik, die schädliche Außenpolitik.

"Ihr Arbeitslosen, mein Vater kandidiert für Euch. Ihr Angestellten in den unterfinanzierten Krankenhäusern, mein Vater kandidiert für Euch. Ihr Lehrer in den unterfinanzierten Schulen, mein Vater kandidiert für Euch. Ihr Arbeiter in der Ölförderung, die von einer rücksichtslosen Umweltbehörde gequält werden: Mein Vater kandidiert für Euch. Stimmt für den Kandidaten, der als einziger diesen Job nicht nötig hat."

Eric schließt mit einer Liebeserklärung: "Vater, Du bist mein Held. Du wirst der nächste Präsident der USA."

Und wieder nichts Persönliches

Die Arena klatscht vor Euphorie. Die Enttäuschung über Cruz scheint verflogen. Und es fällt kaum auf, dass auch Eric die Lücke nicht füllen kann, die schon in den Reden von Ehefrau Melania und den Kindern Donald und Tiffany klaffte. Kein Familienmitglied erzählt etwas wirklich Persönliches und Unverwechselbares über Donald Trump. All die angeblichen Anekdoten aus dem Privatleben sind so allgemein gehalten, dass jeder sie erzählen könnte. Und niemand verlässlich nachprüfen.

Die Hauptrede am Mittwochabend der Parteitagswoche aber hält traditionell der Vizekandidat. Trump hat Mike Pence ausgewählt, um auf Nummer Sicher zu gehen. Weil er ein konventioneller und verlässlicher Gouverneur aus einem Nullachtfünfzehn-Staat ist: Indiana. Weil er nicht extrovertiert ist. Und weil er religiöse Wähler anziehen kann, die in den Vorwahlen noch auf Ted Cruz gesetzt hatten.

Parlamentspräsident Paul Ryan stellt Pence kurz vor - mit Eigenschaften, die Republikaner lieben, ganz voran einer angeblich makellosen Wirtschaftsbilanz. Pence habe die Steuern gesenkt und dennoch das Budget ausgeglichen und zudem die Arbeitsplätze in Indiana vermehrt.

Christ, konservativ, Republikaner - in dieser Reihenfolge

Pence geht nicht gleich zum Mikrofon, sondern erstmal an den Bühnenrand, deutet auf seine Frau und seine Kinder im Publikum und hebt beide Daumen. Er beginnt mit dem entscheidenden Satz: "Ich akzeptiere Eure Nominierung, als Vizepräsident zu dienen." Und definiert sich politisch: "Ich bin Christ, konservativ und ein Republikaner, in dieser Reihenfolge."

Gut gemacht. Donald Trump lobt den Auftritt seines Vizes Mike Pence.
Gut gemacht. Donald Trump lobt den Auftritt seines Vizes Mike Pence.

© Brian Snyder/Reuters

Hatte jemand gesagt, Pence sei eine langweilige Wahl? Er lässt einen hintergründigen Humor jund Selbstironie aufscheinen. Eigentlich habe er diesen Abend dort drüben in der Delegation von Indiana verbringen wollen, deutet er zu seinen Landsleuten in der Arena. Aber dann kam vor einer Woche dieser Anruf aus New York. Trump sei "ein Mann von großem Charisma. Deshalb vermute ich, dass er in mir wahrscheinlich einen Ausgleich suchte."

Vizekandidat Pence zeigt Humor

"Für die, die mich nicht kennen – und das sind wohl die meisten von euch", spielt Pence auf Umfragen an, dass die Mehrheit der Amerikaner keine Meinung über ihn haben: "Ich bin an der Front des amerikanischen Traums aufgewachsen." Er stammt aus einfachen Verhältnissen, die Eltern führten eine kleine Tankstellenkette. Er stellt kurz seine Mutter von und seine Frau Karen, eine Lehrerin. Dann buchstabiert er, was er "meinen wichtigsten Beruf" nennt: „D-A-D“. Er sei Vater von drei wunderbaren Kindern: einer Schriftstellerin, einem Offizier in der Eliteeinheit, den "US Marines", und einem Schulmädchen.

"Bisher musste Donald allein kämpfen", fährt Pence fort - und viele denken, nun komme er auf seine eigene Rolle zu sprechen. Aber nein, über sich selbst redet Pence kaum. Trump kämpfe nicht mehr allein, "weil er die Partei wieder geeint hat". Deshalb sei er sich: "Im November werden wir Donald Trump zum 45. Präsidenten der USA wählen."

Der Angriff auf den politischen Gegner gehört zu den Hauptaufgaben des Vize. "Wir müssen Hillary Clinton verhindern, damit das Staatsbudget sich nicht nochmals verdoppelt wie in den acht Jahren unter Obama." Rasch kehrt Pence zum Loblied auf Trump zurück. "Donald ist einer, der handelt in einem Job, wo die meisten nur reden. Er tänzelt nicht um die tausend Regeln der Political Correctness herum. Er sagt, was er denkt. Er kann hart mit Männern auf der politischen Bühne um – und ich vermute, wir werden mehr davon sehen." Da lacht das Publikum.

"You can't fake good kids"

Und überhaupt, sind nicht Trumps Kinder der beste Beweis, was für ein großartiger Mann der Donald ist. "You can't fake good kids."

Noch rasch ein paar grundsätzliche Bekenntnisse: Amerika steht fest an Israels Seite. Und vor allem eines darf im politischen Streit nicht untergehen: "Wir Amerikaner sollten uns erinnern - uns verbindet mehr als uns trennt. Ich glaube fest daran, dass Gott unser Land heilen kann."

Ihm stiehlt Donald Trump nicht den Applaus. Er wartet geduldig in der Kulisse, bis die Delegierten Pence ausgiebig gefeiert haben. Dann kommt Trump kurz auf die Bühne, um ihm zu gratulieren und zu danken, sagt aber kein Wort. Mit erhobenem Daumen zeigt er seine Zufriedenheit, deutet dann eine kurze Umarmung an und tritt ab.

Mike Pence darf den Beifall noch eine Weile genießen.

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