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Kristina Schröder,33, ist seit November 2009 Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Seit 2002 sitzt die Soziologin aus Hessen für die CDU im Bundestag.

© dpa

Exklusiv

Die Bundesfamilienministerin im Interview: Schröder: "Schläger sind keine coolen Kerle"

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder spricht im Interview mit dem Tagesspiegel über Machokultur bei jungen Migranten und kündigt für 2011 eine Sprachoffensive für Brennpunkt-Kitas an.

Frau Ministerin, warum reagieren viele Menschen auf Thilo Sarrazins Thesen so anders als die meisten Politiker?

Das liegt daran, dass die Erfahrungen aus dem Lebensalltag der Menschen oft andere sind als das, was Politiker aussprechen. Politiker schrecken hier oft davor zurück, Probleme anzusprechen, aus Angst davor zu pauschalisieren. Dabei sprechen die Zahlen eine klare Sprache: Der allergrößte Teil der Migranten lebt völlig friedlich mit uns. Aber es gibt eben auch einen Teil, mit dem gibt es Probleme – und die müssen wir angehen. Zum Beispiel gibt es Studien, die bei bestimmten Gruppen junger männlicher Migranten eine im Vergleich erhöhte Gewaltneigung feststellen. Viele Politiker reden diese Probleme klein – und das stinkt vor allem den Bürgern, die in bestimmten Stadtvierteln, in der U-Bahn oder über ihre Kinder in der Schule täglich diese Konflikte erleben. Und dann bekommen sie von Teilen der Politik zu hören: Das liegt allein an den sozialen Umständen. Aber so einfach ist es eben nicht und ich glaube, genau das ärgert viele. Die höhere Bereitschaft zu Gewalt zum Beispiel hat viele Gründe. Wo Gewalt etwa zum Männerbild oder zur Erziehung gehört und wo Frauen als unselbstständiger Teil der männlichen Ehre gelten, da ist die Hemmschwelle zur Gewalt niedriger. Das gilt für alle, Migrationshintergrund hin oder her.

Was kann die Politik dagegen unternehmen?

Gewaltneigungen kann man nicht mit einem Gesetz aus der Welt schaffen. Wir müssen aber offen über die sogenannten Gewalt legitimierenden Männlichkeitsnormen reden – manche sprechen von Machokultur. Unsere ersten Ansprechpartner müssen die Menschen sein, die Werte prägen. In der islamischen Gesellschaft etwa spielen Imame hier eine sehr wichtige Rolle. Ihre Predigten müssen sich eindeutig auf dem Boden unserer Verfassung bewegen. Dazu gehört beispielsweise auch die Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Deshalb müssen wir schnell dahin kommen, diese Imame in Deutschland auszubilden, und wir müssen genau darauf achten, wer da ausbildet. Islamischer Religionsunterricht ist auch sinnvoll – aber nur unter drei Bedingungen: Er muss auf Deutsch erfolgen, die Lehrpläne müssen mit den Schulaufsichtsbehörden abgestimmt sein und die Lehrer sollen hier ausgebildet sein. Dann kann der Religionsunterricht dazu beitragen, einen liberalen Islam zu vermitteln.

Wo bleibt der große Beitrag der Familienministerin für bessere Integrationspolitik?

Ein ganz zentraler Aspekt der Integration sind die Deutschkenntnisse. Bei der Sprachförderung müssen wir nicht erst in der Schule, sondern schon im Kindergartenalter anfangen. Ich werde im kommenden Jahr eine Sprachoffensive für Brennpunkt-Kitas starten. Unser neues Programm soll am Ende 4000 Kitas unterstützen, in denen ein hoher Integrationsbedarf besteht.

Sie müssen sogar das Elterngeld kürzen. Wie wollen Sie das bezahlen?

Die Bundesregierung wird zwölf Milliarden Euro zusätzlich für Bildung und Forschung ausgeben. Davon erhält mein Ministerium 400 Millionen Euro für frühkindliche Bildung – und zwar für die Jahre 2011 bis 2014. Von diesem Geld werde ich die Sprachförderung finanzieren. Wir zahlen an jeder der 4000 Kitas eine Teilzeitstelle, die sich nur um das Thema Sprachförderung und Integration kümmert. Davon werden im Übrigen nicht nur Kinder mit Migrationshintergrund profitieren.

Wer soll die Förderarbeit leisten?

Das ist doch eine Riesenchance für junge Menschen, die sowohl Deutsch wie Türkisch sprechen. Ich hoffe, dass sich auch viele männliche Migranten um diese Stellen bewerben. Wir brauchen an den Kitas dringend mehr Erzieher, die positive männliche Rollenvorbilder vermitteln und einen gewaltfreien Umgang miteinander – dass Schläger eben keine coolen Kerle sind.

Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky will eine Krippenpflicht vom ersten Jahr an. Was halten Sie davon?

Ich bin strikt dagegen, Kinder unter drei Jahren zwangsweise in staatliche Betreuung zu geben. Das wäre ein krasser Eingriff in die elterliche Erziehungsverantwortung und mit meinem Demokratieverständnis nicht vereinbar. Die Eltern müssen weiter selbst entscheiden dürfen, wie sie ihr Kind fördern – denn das wissen sie meist am besten. Worum es eigentlich geht ist doch, dass Kinder Deutsch sprechen, wenn Sie in die Schule kommen. Und dafür brauchen wir keine Kitapflicht, sondern Sprachstandsfeststellungen und gute Angebote, wie es sie etwa in Hessen bereits gibt.

Das Gespräch führte Hans Monath.

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