zum Hauptinhalt
Am 6. Oktober, dem 40. Jahrestag des Jom-Kippur-Krieges, starben in Ägypten 28 Menschen in den Kämpfen zwischen Polizei und Muslimbrüdern.

© AFP

Terrorgefahr in Ägypten wächst: „Wir rufen zum Heiligen Krieg auf“

Drei Monate nach dem Sturz von Mohammed Mursi rückt die Terrorgefahr von der abgelegenen Sinai-Halbinsel in das ägyptische Kernland vor – in die Hauptstadt Kairo, zum Suezkanal sowie in die Feriengebiete am Roten Meer, wo gerade wieder die ersten Urlaubermaschinen landen.

In Sekundenschnelle hatten die maskierten Attentäter ihre Raketen geschultert. Augenblicke später sind auf dem nächtlichen Bekennervideo Explosionsblitze an den riesigen Satellitenschirmen zu sehen, mit denen Fernsehprogramme und internationale Telefongespräche ins All übertragen werden. „Die Brüder von Kataeb Al-Furqan geben bekannt, dass sie die Zentralen der Kommunikation, die Sprachrohre der Pharaonen, angreifen. Die Medien der Ungläubigen sollen wissen, wir kommen“, deklamiert dazu ein Manifest zu heroisch-frommen Gesängen. „Heute rufen wir zum Heiligen Krieg auf – das ist Beginn unseres Weges zu Sieg und Märtyrertod.“ Und an alle radikalen Gleichgesinnten appelliert der Text: „Eure Feinde sind die Feinde Allahs. Sie sind alle Ungläubige.“

Damit rückt drei Monate nach dem Sturz von Mohammed Mursi die Terrorgefahr wegen der anhaltenden, blutigen Spannungen im Land erstmals massiv von der abgelegenen Sinai-Halbinsel in das ägyptische Kernland vor – in die Hauptstadt Kairo, zum Suezkanal sowie in die Feriengebiete am Roten Meer, wo gerade wieder die ersten Urlaubermaschinen gelandet waren. „Es sieht so aus, als wenn jetzt immer mehr Gruppen einsickern“, meint David Hartwell, Nahostexperte von IHS Jane's, einem renommierten Verlag für Militärwissen. Denn noch nie zuvor hatten Terroristen im Stadtgebiet von Kairo Raketen eingesetzt. Auf dem Flughafen wurde Großalarm ausgelöst, da die attackierte Satellitenstation in Maadi genau unter der Einflugschneise liegt. Polizisten patrouillierten mit Sprengstoff-Suchhunden durch die Terminals und auf den Parkplätzen. In Maadi wohnen viele Diplomaten und Geschäftsleute, befinden sich zahlreiche Botschaften und ausländische Schulen.

Die Terrorgruppe Kataeb Al-Furqan (Bataillone des Korans) hatte erstmals vor fünf Wochen von sich reden gemacht, als sie auf dem Suezkanal ein chinesisches Containerschiff mit Raketen beschoss. In beiden Fällen war der Schaden gering, die Bordwand des Ozeanriesen hielt der Explosion stand, in der Satellitenschüssel klaffte zwar ein 25-Zentimeter großes Loch, was aber die Großanlage nicht außer Gefecht setzte.

Gleichzeitig mehren sich in der 20-Millionen-Metropole am Nil die Bombenalarme, mal in der Metro, mal in einem Kaufhaus, unter einer Brücke, vor einem Krankenhaus oder nahe einer Polizeistation. Zahlreiche Sprengsätze konnten rechtzeitig entschärft werden oder zündeten nicht, weil sie bislang nach Einschätzung von Fachleuten Basteleien von „Amateur-Terroristen“ sind. Bei den Pyramiden in Giza lieferten sich kürzlich vor Einbruch der Dunkelheit Bewaffnete ein halbstündiges Feuergefecht mit Soldaten.

Nahe der Suezstadt Ismailia schossen Attentäter aus einem vorbeifahrenden Auto auf Soldaten und töteten sechs Offiziere. In Port Said kam bei einer ähnlichen Attacke am Hafen ein Wachsoldat ums Leben. Selbst im bisher ruhigen Süd-Sinai am Roten Meer kam es diese Woche zur ersten schweren Bluttat. Im Städtchen Al Tur nahe Sharm al Sheikh und dem biblischen Berg Sinai sprengte sich ein Selbstmordattentäter vor dem Gebäude von Polizei und Inlandsgeheimdienst in die Luft und riss drei Menschen mit in den Tod. Über 40 wurden verletzt. „Ein solches Selbstmordattentat kann überall passieren“, versuchte Innenminister Mohammed Ibrahim die Gemüter zu beruhigen. Denn Ägyptens am Boden liegende Ferienbranche kann keine weitere Hiobs-Botschaften mehr vertragen, schon gar nicht in der Nähe ihrer lukrativen Badeküste. Man prüfe, Überwachungskameras in den Touristenregionen aufzustellen, erklärte Ibrahim, um dann gleich wieder zurückzurudern. „Wahrscheinlich aber ist das Ganze viel zu teuer.“

Zur Startseite