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In Heidenau läuft eine Menge schief - nicht nur am Bahnhof

© Arno Burgi/dpa

Update

Willkommensfest in Heidenau droht zu platzen: Polizeilicher Notstand in Sachsen

In Heidenau sollte es am Freitag ein Willkommensfest für Flüchtlinge geben. Doch die Polizei kapituliert vor dem rechten Mob.

Von Matthias Meisner

Es waren krasse Szenen, die sich am Mittwoch beim Besuch von Angela Merkel im sächsischen Heidenau abspielten. Als "Volksverräterin" wurde die Kanzlerin beschimpft, als "blöde Schlampe" und "Nutte". Dokumentiert ist das unter anderem auf einem im Netz kursierenden Video, das inzwischen Hunderttausende gesehen haben. Auf Transparenten eines aufgebrachten rechten Mobs wurde so in der Elbestadt auch gegen Flüchtlinge Stimmung gemacht, die seit der Nacht zum vergangenen Samstag in einem bisher leerstehenden Baumarkt eine Notunterkunft finden sollen.

Die AfD übrigens sagte später über die Demonstranten beim Kanzlerinnen-Besuch, es seien "gesprächsbereite Heidenauer" gewesen, die nur hätten wissen wollen, "wie es in puncto Asyl weitergeht". In derselben Erklärung nannte die rechtspopulistische Partei Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), der am Donnerstag Schüler des Heidenauer Pestalozzi-Gymnasiums traf, einen "Asyl-Touristen".

An diesem Freitag nun sollte es nun andere Bilder aus Heidenau geben - eigentlich. Das Dresdner Bündnis Nazifrei hatte zu einem Willkommensfest am Baumarkt geladen, bei dem am Nachmittag gemeinsam mit Flüchtlingen gefeiert werden sollte. Die Pläne: Unter anderem in Berlin gesammelte Spenden sollten verteilt, mit Kindern gespielt werden. Ein Lautsprecherwagen für Musik vom Band war schon organisiert, wie Silvio Lang, einer der Organisatoren, noch am Vormittag sagte.

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Doch das Willkommensfest an diesem Wochenende muss wohl ausfallen - und auch andere Demonstrationen in Heidenau. Denn in Heidenau sind für dieses Wochenende alle öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel verboten worden. Das Verbot gelte zwischen Freitag 14 Uhr und Montag 6 Uhr, teilte das Landratsamt Sächsische Schweiz-Osterzgebirge am Donnerstagabend mit. Das Versammlungsverbot wurde mit einer Überforderung der Polizei, einem sogenannten polizeilichen Notstand begründet. Die zur Verfügung stehenden Polizeikräfte seien nicht in der Lage, „der prognostizierten Lageentwicklung gerecht zu werden“, hieß es.

In einer Erklärung des Landratsamtes heißt es: "Bei allen Überlegungen steht der Schutz höchst persönlicher Rechtsgüter, insbesondere Leib, Leben und Gesundheit von Teilnehmern öffentlicher Versammlungen aber auch der Schutz von bei Versammlungen eingesetzten Polizei- und Ordnungskräften im Vordergrund."

"Unglaublich! Der Freistaat Sachsen darf nicht vor den Neonazis kapitulieren!", schrieb Grünen-Chef Cem Özdemir auf Twitter. Nach der Verfügung des Landratsamtes ergänzte er: "Wenn der Freistaat Sachsen kapituliert, wir tun es nicht! Wir kommen am Freitag nach Heidenau. #Willkommensfest." Ähnlich äußerte sich der sächsische Grünen-Chef Jürgen Kasek. Valentin Lippmann, Grünen-Innenpolitiker im Landtag, sagte: "In Sachsen ist man erneut nicht in der Lage, zentrale Grundrechte zu gewährleisten. Der Rechtsstaat kapituliert vor seinen Feinden."

Bosbach: Heidenauer Versammlungsverbot ist "problematisch"

Auch der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach kritisierte das Versammlungsverbot. Es sei "problematisch", sagte Bosbach dem Tagesspiegel, wenn der Staat nicht mehr in der Lage sei, die Bürger bei der Ausübung ihrer Grundrechte zu schützen. Und dazu gehöre das Versammlungsrecht. Gleichzeitig kritisierte der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses die Ankündigung von Grünen-Chef Özdemir, trotz des Verbots nach Heidenau zu reisen. Wenn die sächsischen Behörden ein Versammlungsverbot ausgesprochen hätten, sagte Bosbach, dann gebe es dafür hohe Hürden, und das Verbot müsse in einem Rechtsstaat beachtetet werden. "Auch Politiker müssen den Rechtsstaat respektieren", sagte Bosbach.  

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Am Donnerstagnachmittag hatte schon "Dresden Nazifrei" auf seinem Twitter-Kanal vom polizeilichen Notstand berichtet. Der Sprecher des sächsischen Innenministeriums, Martin Strunden, bestritt das bestritt das zu diesem Zeipunkt noch auf Twitter: "Es ist nichts entschieden. Polizei berät und führt Gespräche, was machbar ist." Es gehe nicht um eine Absage, sondern um das Ausloten der Möglichkeiten. Stunden sagte weiter: dies sei ein "normaler Vorgang": Nach Gesprächen gebe es eine bundesweite "polizeiliche Kräfteanforderung".

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Dagegen erklärte Silvio Lang, der Polizeiführer habe im Kooperationsgespräch dazu eine andere Information gegeben. "Dann wurde dieses beendet." Die Aktivisten seien im Kooperationsgespräch offenbar "vorsätzlich belogen" worden "oder in Sachsen macht jetzt jede Behörde was sie will". Und weiter: "Es ist der blanke Hohn, dass es offenbar genügend Polizeikräfte gibt, um sich tagelange Scharmützel mit alkoholisierten Nazi-Schlägern zu liefern, hingegen keine, um ein Willkommensfest zu schützen."

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Der Sprecher der Polizeidirektion Dresden, Thomas Geithner, erklärte am Nachmittag: "Für das Wochenende gibt es mehrere Versammlungsanmeldungen für Heidenau und Dresden. Dazu führt die Polizeidirektion Dresden, gemeinsam mit den Versammlungsbehörden, derzeit Kooperationsgespräche mit den jeweiligen Anmeldern durch. Eine Entscheidung für das Wochenende ist bisher nicht getroffen worden." Der sächsische Ausländerbeauftragte Geert Mackenroth warnte auf Twitter vor Spekulationen über eine Absage des Willkommensfestes: Die Besprechung der Akteure laufe, nichts sei entschieden.

Mit einem Polizeinotstand verboten ist nun auch eine andere Demonstration: Die rechtsradikale "Bürgerinitiative Heidenau", die inzwischen die Anti-Asyl-Proteste in der Elbestadt koordiniert, hat für Freitagabend zu einer Kundgebung auf dem Platz der Freiheit aufgerufen. Den Protest begründet sie mit einer gestörten Kommunikation zwischen Bürgern und Politik, ähnlich wie das 1989 das "Neue Forum" formuliert habe. Die Anti-Asyl-Initiative kündigte am Donnerstagabend an, rechtliche Schritte gegen ein Versammlungsverbot und Alternativen zu prüfen.

Dresden Nazifrei sucht nach neuer Lösung

‪"Sächsische Verhältnisse‬ nerven!", schrieb Dresden Nazifrei schließlich am späten Donnerstagabend auf seiner Facebook-Seite. Es habe positive Gespräche mit dem DRK Pirna gegeben, "was zu zwei, etwas reduzierten aber möglichen Alternativen" für Freitag führe. Ziel ist es demnach offenbar, das Willkommensfest direkt auf dem Gelände der Flüchtlingsunterkunft zu veranstalten. Allerdings stehe davor noch die Landesdirektion Sachsen als Eigentümerin des Geländes. "Die ganze Konfusion zeigt aber eines mal wieder mehr als deutlich: unter Minister Ulbig herrscht absolutes Chaos und offensichtlich behördliche Willkür bei Polizei und öffentlicher Verwaltung in Sachsen", griff das Bündnis den umstrittenen sächsischen Innenminister an.

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Soli-Demo am Samstag in Dresden geplant

Am Samstag soll die Solidarität mit Flüchtlingen in Dresden groß demonstriert werden - aber auch hier ist nun wegen noch laufender Verhandlungen zwischen Dresden Nazifrei und der Polizei noch nicht klar, ob das so stattfinden kann. Eine mindestens vierstellige Teilnehmerzahl erwarten die Organisatoren, eine gemeinsame Anreise wurde unter anderem aus Berlin, Jena und Frankfurt am Main organisiert. Motto des Protests: "Heute die Pogrome von morgen verhindern". Im Aufruf heißt es: "Die Saat von Pegida geht auf." Mit "Verharmlosung von Rassismus als Asylkritik" hätten sich "Nazis ermuntert fühlen, auch Heime anzugreifen".

Proteste gegen Pegida angekündigt

Auch Pegida soll künftig montags nicht mehr ohne öffentlichen Widerspruch durch Dresden marschieren. "Antifaschistische Zusammenhänge" aus Dresden erklärten auf der Internetseite linksunten.indymedia.org, Unterkünfte von Geflüchteten würden im ganzen Land in jeder Nacht angegriffen. "Wenn man nicht hinnehmen will, dass sich Geschichte wiederholen kann, darf man auch über Pegida nicht schweigen. Wir werden nicht warten, bis wieder Menschen in brennenden Häusern sterben."

Grüne kritisieren Umgang der Sachsen-CDU mit Pegida

Dass es in Sachsen besonders viele Angriffe auf Flüchtlingsheime gibt, dass Städte in Dresdens Umgebung wie Freital, Meißen oder nun Heidenau weltweit traurige Berühmtheit bekommen haben, beschäftigt derweil weiter die Politik. Der sächsische Grünen-Chef Kasek sagte dem Tagesspiegel: "Es gibt überall in Deutschland Angriffe gegen Flüchtlinge und Anschläge gegen deren Unterkünfte." Dennoch gebe es "durchaus sächsische Besonderheiten, wir haben sie gerade in Heidenau und zum Beispiel in Freital erlebt". In beiden Städten hätten sich Bürger von den Gewalttätern nicht abschrecken lassen und sich mit ihnen auch noch solidarisiert.

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Sachsen sei geprägt von einem sehr stark ausgeprägten autoritären Demokratieverständnis, sagte Kasek weiter: "Es fehlt tatsächlich an einer demokratischen Übung im Sinne einer lebendigen Debattenkultur, verbunden mit einer Mut- und Sprachlosigkeit der Politiker. Dazu gehört auch das Herumeiern in der Frage das Umgangs mit Pegida. Das hat letztlich dazu geführt, dass es hier stärker brennt als anderswo."
Die Hauptschuld dafür werde man nach 25 Jahren CDU-Herrschaft wohl auch bei der dieser Partei suchen müssen, sagte der Grünen-Politiker: "Ich warne allerdings davor, da nur einen Sündenbock zu suchen. Das Versagen hat viele Gesichter. Wenn man die Landtagswahl 2014 rekapituliere, dann hätten fast alle Parteien vor allem über Sachsen gesprochen, dass es dem Freistaat gar nicht so schlecht gehe. "Dieser Hochmut, diese Selbstbezogenheit, hat blind gemacht." (mit asi)

Endlich Frieden? Flüchtlinge in Heidenau
Endlich Frieden? Flüchtlinge in Heidenau

© Oliver Killig/dpa

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