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Politik: Zu dünn, um Demokrat zu sein

Islamisten erkennen: Streit um Hannovers Liste.

Hannover - Für die niedersächsische Grünen-Landtagsabgeordnete Filiz Polat ist die Sache klar. „Die Broschüre muss eingestampft werden“, sagt sie. Ihre SPD- Kollegin Sigrid Leuschner hält „die Idee, mithilfe einer 26-teiligen Checkliste erkennen zu wollen, ob junge Menschen ins islamistische Lager abrutschen, an sich schon für absurd“. Auch muslimische Verbände und Datenschützer empören sich über die jüngste Publikation des Landesamtes für Verfassungsschutz.

Das Heft mit dem Titel „Radikalisierungsprozesse im Bereich des islamistischen Extremismus und Terrorismus“ soll Arbeitgeber, Erzieher und Lehrer in die Lage versetzen, ein Abdriften von jungen Muslimen in die radikalreligiöse Szene frühzeitig zu erkennen, um anschließend die Sicherheitsbehörden zu informieren. Auch Jugend- und Ausländerämter werden angehalten, in konkreten Verdachtsfällen „fallbezogene Informationen über die betroffene Person zwischen den Kooperationspartnern und den Sicherheitsbehörden auszutauschen“.

„Unser Ziel ist es, ein gesamtgesellschaftliches Präventionsnetzwerk zum besseren Schutz vor islamistischem Extremismus zu schaffen“, schreibt Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) im Vorwort. Deshalb habe der Verfassungsschutz ein umfassendes Handlungskonzept der Antiradikalisierung erarbeitet. Als Hilfsmittel zur Identifizierung gefährdeter oder bereits ins extremistische Milieu abgeglittener Muslime wird eine 26 Punkte umfassende Liste von „Radikalisierungsmerkmalen“ angeboten. Verdächtig machen sich junge Muslime demnach etwa durch häufige Reisen in Länder mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung, durch das Tragen bestimmter Kleidung, Veränderungen im Essverhalten oder auffälligen Gewichtsverlust. Hellhörig werden sollten die „Präventionspartner“ zudem, wenn Muslime kritische Äußerungen über den Islam als Angriff auf sich verstünden, Religion zum Dauerthema machten oder alles Westliche als feindselig ablehnten. Die Liste könne „nicht als abschließend oder als in ihrer Aussagekraft absolut angesehen werden“, schränken die Verfasser immerhin ein.

Gleichwohl sind Niedersachsens Muslime entsetzt. „Dadurch entsteht ein Klima der Angst“, sagt der Vorsitzende des Moscheeverbands Schura, Avni Altiner. Die Checkliste schüre Islamfeindlichkeit. Ein bereits terminiertes Treffen mit Schünemann sagten die Dachverbände der Muslime im Land deshalb ab.

Das sieht auch die Linke so. Schünemann beweise mit der Broschüre wieder einmal, dass er nicht an einem Dialog mit Muslimen interessiert sei, sondern lediglich die Konstruktion von Feindbildern verfolge, urteilt die Landtagsabgeordnete Pia Zimmermann. Die Checkliste Islamismus sei „unterstes Niveau“. Der stellvertretende Landesdatenschutzbeauftragte Rainer Hämmer hält die Aufforderung, bestimmte Personengruppen zu beobachten und zu melden, für rechtlich fragwürdig. So dürften Lehrer keine Informationen über ihre Schüler weitergeben. Und Privatpersonen nur dann den Behörden Meldung machen, wenn Gefahren für Leib und Leben bestünden. Reimar Paul

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