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Neue Handicaps in der Idylle. Die Clubs müssen ihren Sport für Neugolfer attraktiver machen als noch vor zehn Jahren. Früher mussten Platzreifekurse für einige hunderte Euro gebucht werden, heute dienen sie als Werbemaßnahme.

© dpa

Golfsport in Deutschland: Die Löcherdämmerung

Die einst so florierende Golflandschaft in Deutschland kämpft – wie die meisten anderen Sportarten auch – mit Stagnation. Der Golfsport hierzulande wandelt sich komplett, Clubs und Verbände müssen sich anpassen.

Nichts ist mehr so, wie es einmal war auf dem deutschen Golfmarkt. Einstmals teure Platzreifekurse werden von Golfclubs zum Nullpreis angeboten, ehemals verpönte Fernmitgliedschaften sind der letzte Schrei. Und auch der Blick aufs Handicap wird in den Club-Sekretariaten nicht mehr ganz so genau genommen. Selbst beim Deutschen Golf Verband gilt die Devise: „Alles steht auf dem Prüfstand.“ Das sagt Verbandspräsident Hans Joachim Nothelfer über die neue Lage. Was ist passiert?

Die einst so florierende Golflandschaft kämpft – wie die meisten anderen Sportarten auch – mit Stagnation. Im Jahr 2013 lag der Nettozuwachs an organisierten Golfern im Deutschen Golf Verband nur noch bei 0,4 Prozent. 53.370 Golfer legten ihre Mitgliedschaft nieder, 56.208 Neumitglieder traten ein, was ein Plus von nur 2638 Personen ergibt. Gleichzeitig wurden nur fünf neue Golfanlagen eröffnet, während gut ein Drittel aller deutschen Golfanlagen nach Ansicht des DGV, des Bundesverbandes Golfanlagen oder des Golf Management Verbandes Deutschland mit ernsthaften wirtschaftlichen Problemen kämpft.

Die Gründe dafür betreffen nicht den Golfsport allein. Vielmehr basieren sie eher auf einem gesellschaftlichen Wandel, den zum Beispiel eine aktuelle Studie der Techniker Krankenkasse dokumentiert. Demnach liegen Sport und Bewegung generell nicht mehr im Trend. 52 Prozent der befragten Personen bezeichneten sich als Sportmuffel. Gerade die Altersklasse der 35- bis 45-Jährigen sieht angesichts von Anforderungen durch Familie und Beruf immer weniger Zeit für Bewegung. Bei den Jugendlichen konkurrieren Sportvereine zunehmend mit Social Media und Spielkonsolen.

Der Golfsport muss sich wandeln und neuen Bedürfnissen anpassen

Die Konsequenz für den Golfsport ist einfach: Er muss sich wandeln und den neuen Bedürfnisse anpassen. „Wir haben nicht mehr diese relativ kleine Gruppe der Spieler, die sich mit Haut und Haar ihrem Hobby verschrieben haben. Sondern es wächst eine neue Gruppe Golfer heran: moderner, jünger, flexibler“, stellt Alexander Klose, Geschäftsführer beim Deutschen Golf Verband fest. „Wir haben es mit einem typischen Nachfragermarkt zu tun“, erklärt auch Thomas Hasak, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Golfanlagen.

Viele der deutschen Golfclubs haben auf diese Situation bereits reagiert und ein Umfeld geschaffen, das für Neugolfer weit attraktiver ist als noch vor zehn Jahren: Mussten Platzreifekurse früher für einige hunderte Euro gebucht werden, dienen sie jetzt selbst bei Spitzenanlagen wie dem GC Olching in München als Werbemaßnahme. Weitgehend erledigt hat sich auch die früher übliche hohe Einlagesumme, die durchaus im fünfstelligen Bereich liegen konnte, ganz zu schweigen von der nicht rückerstattbaren Spende, die inzwischen ohnehin nur noch eine Handvoll Anlagen in Deutschland verlangen können. Stattdessen verraten Clubmanager und Präsidenten hinter vorgehaltener Hand, dass Aufnahmegebühren und Darlehen in der Regel als verhandelbare Masse bei Neumitgliedern betrachtet werden.

All dies bedeutet keineswegs, dass Golf in Deutschland ins Billigsegment abrutscht. Vielmehr setzen zahlreiche Anlagen auf eine Ausweitung ihres Angebotes und eine Verbesserung bei Gastronomie, Pflege, Service und Jugendarbeit, um Greenfee-Gäste und Neumitglieder zufriedenzustellen. Der G & LC Berlin-Wannsee zum Beispiel, einer der renommiertesten Golfclubs Deutschlands und keineswegs vom Mitgliedernotstand betroffen, hat sich in Sachen Jugendrekrutierung mit der öffentlichen Golfrange Großbeeren zusammengetan. Der Hamburger GC Hittfeld punktet mit großzügig gestalteten neuen Übungsanlagen, im G&CC Motzen ergänzt eine weitere 9-Löcher-Schleife das Angebot. Viele Anlagen haben ihr Turnierangebot verändert und bieten vermehrt kurze 9-Löcher-Events an, die dem Bedürfnis nach geringem Zeitaufwand entgegenkommen. Auch deshalb gilt der Mercedes Benz After Work Cup über neun Löcher derzeit deutschlandweit als eine der erfolgreichsten Turnierserien.

Für 150 Euro kann man inzwischen Mitglied in einem deutschen Golfclub werden

Daneben hat das Geschäft mit den einstmals so verpönten Fernmitgliedschaften inzwischen große Teile der Clublandschaft erreicht. Zahlreiche Anlagen wie zum Beispiel der Golfclub Stolper Heide lassen ihre Mitgliedschaften über Online-Portale vermitteln und bessern damit ihr Budget auf. Der Vorteil liegt sowohl für den Golfer als auch für den Club auf der Hand. Für um die 150 Euro erhält ein Interessent inzwischen problemlos eine Mitgliedskarte samt Handicapführung in einem deutschen Golfclub. Letzterer hat mit dem Fernmitglied kaum Aufwand, weil sich dieses in der Regel so gut wie nie auf seine Anlage verirrt.

Wobei auch für das Handicap gilt: Selbst dessen Sinn und Zweck wird inzwischen auf höchster Ebene diskutiert. Hier ist allerdings nicht der Deutsche Golf verband, sondern die European Golf Association, kurz EGA, als regulierende Behörde zuständig. Diese aber beschäftigt sich zum Beispiel bereits seit einiger Zeit mit der Frage, inwieweit es Sinn macht, beim Handicap zwischen ambitionierten Turnierspielern und normalen Hobbygolfern zu unterscheiden. Letztere, so die Erkenntnis vieler Offizieller, finden die geltenden Regularien und Begriffe oftmals zu kompliziert und eher abschreckend. Kein Wunder: Welcher Neugolfer will sich schon mit Course Rating, Slope-Werten oder Pufferzonen herumschlagen. Stattdessen, so die Erkenntnis des Deutschen Golf Verbandes, gehe es doch darum, die Attraktivität des Golfsports zu vermitteln: das Naturerlebnis also, den Gesundheitsaspekt, das Familienerlebnis und den sportlichen und strategischen Anspruch des Spiels. Allesamt Details, die Golffans seit Jahrhunderten faszinieren.

Am Sonntag erscheint im Tagesspiegel wieder GRÜN, das Golfmagazin für Berlin und Brandenburg. Darin diskutieren unter anderem die Golfclubs der Region über ihre Zukunft, unsere Autoren wählen die besten 18 Löcher in Berlin und Brandenburg aus und haben versucht, wie viele Löcher man am längsten Tag des Jahres spielen kann.

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