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Sport: Zu Hause in Berlin

Der Kenianer Felix Limo demonstriert trotz nasskalter Bedingungen eindrucksvoll, warum sein Land im Marathon übermächtig ist

Berlin - Im Ziel empfing Felix Limo eine Gruppe kenianischer Fans. Bei der Siegerehrung sangen sie laut die kenianische Nationalhymne mit, während der Sieger des Berlin-Marathons mit der Nationalfahne posierte. An der Strecke waren zuvor keine kenianischen Fahnen oder Fans zu sehen, allerdings wurde Felix Limo von den rund 750000 Zuschauern angefeuert als hätte er die deutsche Staatsbürgerschaft. Mit der Weltklassezeit von 2:06:44 Stunden, dem drittschnellsten Ergebnis dieses Jahres, gewann der 24-Jährige die 31. Auflage des spektakulärsten deutschen Straßenlaufes.

Für die Kenianer gab es beim Berlin-Marathon in den letzten Jahren viel zu feiern. Seit 1999 kommt der Sieger aus dem ostafrikanischen Land. Erst im vergangenen Jahr stellte Paul Tergat mit 2:04:55 Stunden den noch gültigen Weltrekord auf. Es war diese Marke, die Felix Limo in Berlin angreifen wollte. Doch das Wetter war nicht ideal für eine Rekordjagd. „Ich hoffe, dass ich nächstes Jahr wieder nach Berlin kommen kann und dass dann die Sonne für uns scheint. Denn ich glaube, ich könnte in Berlin bei guten Bedingungen 2:04:45 Stunden laufen“, erklärte Limo und fügte selbstbewusst hinzu: „Was Paul Tergat kann, das kann ich auch.“

Besonders in der ersten Phase des Rennens hatte sich Felix Limo mehr darum gekümmert, wo er hintrat. Zwischenzeiten und Tempoverschärfungen waren ihm da noch egal. „Ich wollte nicht in Pfützen treten, denn dann kommt Wasser in die Schuhe und mit nassen Füßen zu laufen, das ist ziemlich unangenehm“, erzählte Limo. Die Ideallinie konnte er also nicht immer ganz einhalten.

Nachdem Felix Limo im April den Rotterdam-Marathon in der weiterhin gültigen Jahresweltbestzeit von 2:06:14 Stunden gewonnen hatte, war er trotzdem nicht für die Olympischen Spiele nominiert worden. Mit einer Portion Enttäuschung hatte er sich daraufhin im kenianischen Hochland in Kaptagat auf den Berlin-Marathon vorbereitet, um hier den Weltrekord anzugreifen. „Er hat das Potenzial dazu, diese Marke zu knacken“, sagt sein holländischer Manager Jos Hermens. „Zwischendurch hatte ich ein leichtes Rückenproblem, deswegen habe ich das Tempo reduziert, um noch Kräfte zu haben für die letzten Kilometer.“ Erst auf den letzten 1000 Metern wurde er seinen letzten Verfolger los, seinen überraschend starken Landsmann Joseph Riri.

Die Dominanz der kenianischen Marathonläufer beschränkt sich längst nicht auf den Berlin-Marathon. In diesem Jahr haben sie alle bedeutenden Rennen gewonnen – London, Boston, Rotterdam und nun Berlin. In Chicago und New York gehören sie in den nächsten Wochen ebenfalls zu den Favoriten. Noch vor rund zehn Jahren war das anders. Bis zur Halbmarathondistanz dominierten sie große Rennen. Doch im Marathon lief selten einmal ein Kenianer eine Weltklassezeit. Es gab damals offenbar ein Defizit im Wissen um das richtige Training.

Doch längst haben die Kenianer diesen Rückstand aufgeholt. Europäische Manager haben mit entsprechendem Wissen um das im Gegensatz zu den 10000 Metern oder auch einem Halbmarathon andere, langfristig ausgelegte Training dafür gesorgt, dass die Kenianer nun auch über die klassische Distanz ganz vorne mitlaufen. Mehr noch: Kenia ist im Marathon fast übermächtig. Das schlägt sich eindrucksvoll in Statistiken nieder: Von gut 150 größeren Marathonläufen weltweit haben die Kenianer im vergangenen Jahr 59 Prozent gewonnen. Auf Rang zwei liegen unter anderen Tansania und Brasilien mit jeweils 4,5 Prozent. Und von weltweit 1054 Ergebnissen unter 2:20 Stunden kamen 2003 alleine 368 von Kenianern.

Heute sind es vor allen Dingen zwei Management-Gruppen, die mit kenianischen Läufern die internationale Marathon-Szene beherrschen. Der Italiener Gabriele Rosa, dessen Athleten in den letzten Jahren mehrfach auch beim Berlin-Marathon triumphierten, ist der eine. Paul Tergat ist das Aushängeschild dieses Teams. Bei der anderen Gruppe (Kim International Management) spielt ein Berliner Trainer eine entscheidende Rolle. Dieter Hogen, der Coach der dreifachen Berlin- und Boston-Marathonsiegerin Uta Pippig, betreut wechselnd in Kenia und in Colorado ein Team von Topläufern. Im Gegensatz zu Gabriele Rosa hält Dieter Hogen die Gruppe seiner Läufer bewusst klein, um eine persönliche Betreuung realisieren zu können. Die Erfolge sind beeindruckend – in Chicago, London und Boston stellte Hogen zuletzt die Sieger. In Berlin war gestern keiner seiner Läufer am Start. Sie laufen stattdessen in Chicago und New York. Im nächsten Jahr könnte sich das ändern.

So machte der Berlin-Marathon eine Ausnahme. Felix Limo gehört zu keiner der beiden Gruppen.

Weitere Berichte: Seiten 11 und 13

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