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Sri Sri Ravi Shankar

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Sri Sri Ravi Shankar: "Lachen ist der schönste Luxus!"

Sri Sri Ravi Shankar - Dieser Name sagt vielen hierzulande nichts und wenigen viel. Dabei zählt er zu den großen Denkern unserer Gegenwart. Der derzeit bedeutendste spirituelle Führer Indiens kommt heute aus Anlass der Asien-Pazifik-Wochen zu Besuch nach Berlin.

Die Ideen und Analysen des aus Bangalore stammenden Inders sind rund um den Globus gefragt, besonders auch bei Konzern-Managern, Spitzen-Politikern und Kirchenvertretern von Washington über London bis Seoul - und eben Berlin.

In Indien schlägt er bei seinen raren Großauftritten Millionen in seinen Bann. Fast 5 Millionen Menschen aus 150 verschiedenen Ländern waren im vergangenen Jahr nach Bangalore gekommen, um gemeinsam mit Ravi Shankar zu meditieren. Heute wird er im Roten Rathaus in Berlin sprechen. Bereits vor einer Woche besuchte der indische Denker die Hauptstadt. Gemeinsam mit Berlins Regierungschef Klaus Wowereit und weiteren hochrangigen Teilnehmern und Rednern aus Deutschland, Asien und den USA sprach Ravi Shankar bei der "Urban Sustainability Conference (USC)" des Asien-Pazifik-Forums im Roten Rathaus über die globalen Herausforderungen der Zukunft.

Geheimfavorit für den Friedensnobelpreis

Ravi Shankar ist ein hinduistischer Weiser und Guru; er ist Gründer der "Art of Living Foundation" ("Stiftung Kunst des Lebens"), die mit über 5000 Projekten an sozialen Brennpunkten in vielen Ländern präsent ist und im vergangenen Jahr ihr 25-jähriges Jubiläum feierte. Östliche Weisheiten bahnen sich immer mehr ihren Weg in den Westen. Anstelle von Geldgier, Stress und Maßlosigkeit setzen sie auf die Botschaft von Harmonie und Frieden. Krieg und Gewalt lehnen sie ab. Dem westlichen Beobachter fallen an Ravi Shankar zunächst die Äußerlichkeiten auf: das weiße Gewand, das wallende Haar und der üppige Bart. Doch dem indischen Meister selbst geht es gerade nicht um solche Äußerlichkeiten, die nur vom eigentlichen Ziel eines geglückten Lebens ablenken.

Gegenwärtig ist Ravi Shankar weltweit eine der wenigen integren Persönlichkeiten mit unbestrittener moralischer Reputation und Anerkennung. Wenn er die Stimme erhebt, zeigt es mehr Wirkung, als bei vielen anderen. Es gibt keine Handvoll Menschen auf der Welt, die auf vergleichbare Weise lagerübergreifend kampagnenfähig sind: Bischof Tutu, Nelson Mandela, der Dalai Lama, gelegentlich vielleicht auch der Papst. Fast hätte es im vergangenen Jahr schon für den Friedensnobelpreis gereicht. Er landete (inoffiziell) auf Platz drei. Für die nächsten Jahre gilt er für das Osloer Komitee als einer der ganz heißen Favoriten.

Genialer Außenseiter und "guter Hirte"

Als genialer Außenseiter, der seinen ganz eigenen Weg geht, möchte er, ohne jeden Dogmatismus, die Welt verändern. Dazu müsse man zunächst sich selber verändern, lernen sich zu beherrschen, lernen sich selber zu helfen. Nicht mehr außengeleitet zu existieren, sondern inspiriert von innen. Diesen Weg möchte Ravi Shankar den Menschen zeigen. Er ist als "guter Hirte" jenseits der Konfessionen unterwegs, traktiert niemand mit Theologismen und doktrinären Zumutungen.

Bereits im ganz jungen Alter hat er von seinem Heimatstaat Indien die Botschafterrolle als spiritueller Führer verliehen bekommen, besiegelt mit dem Ehrentitel "Sri Sri" ("Heilig Heilig"), der nur selten an besonders verdiente spirituelle Repräsentanten Indiens verliehen wird. Ravi Shankar wirkt klein, zerbrechlich, immer lächelnd strahlt er Ruhe und Gelassenheit aus ohne sich dabei selber wichtig zu nehmen. In seinen Augen sind alle Menschen gleich. Er macht keine Unterschiede und nimmt die Menschen an, wie sie sind.

"Die Kunst ist zu lachen, was Dir auch zustoßen mag", empfiehlt  Ravi Shankar. Wenn man sich beispielsweise zu unrecht beschuldigt weiß, soll man sich nicht provozieren lassen, sondern gelassen reagieren. Sonst mache man sich ja abhängig von der Böswilligkeit des anderen. Gerade dann aber soll man in sich ruhen. Diese Fähigkeit, selber stark zu sein, schaffe Selbstbewusstsein und soziale Kraft.

Vereinfachung birgt auch Gefahren

Bei einem Vortrag in der Indischen Botschaft in Berlin wurde Ravi Shankar von einem Studenten um ein Bild gebeten, womit dieser seinem wissenschaftsgläubigen Kollegen spirituelle Realitäten und die Existenz der Seele verständlich machen könne. "Das ist wie mit der Liebe oder der Freude", entgegnet Shankar: "Liebe, Freude, Seele und Geist sind nicht messbar wie das Körpergewicht oder die Zeit". Man spüre sie einfach. Es sei wichtig zu wissen, wer man ist. Aber es sei auch gut, immer wieder zu zweifeln. Auf die Frage, ob ein Hörer seine Schwiegermutter wieder treffen werde, antwortet der indische Guru mit einem verschmitzten Lächeln: "Wenn Du es wirklich willst, dann ja".

Der kritische Beobachter fragt sich, ob Ravi Shankar mit seiner Mischung aus indischer monistischer Philosophie und der westlichen Tradition des positiven Denkens nicht zuletzt zu allzu kurzsichtiger Lebensbetrachtung anhält. Die totale Vereinfachung birgt gewiss auch Gefahren. Die Probleme der Welt und der Menschheit kann Ravi Shankar mit seiner Haltung der Gelassenheit zu den Dingen gewiss nicht lösen - aber das weiß er. Es ist weder Macht noch ein hohes religiöses Amt, etwa als Vorsteher einer Weltkonfession, die Ravi Shankar innehat; es ist auch kein hoch-philosophischer Denker wie Hegel oder Kant, der einem hier begegnet, es ist einfach eine starke Persönlichkeit.

Promis weltweit schwören auf seine Yoga-Atemübungen

Spannend ist es, ihm zuzuhören, ihn zu erleben. Ravi Shankar ist offen, freundlich und nahbar. Er kuschelt sich gemütlich in das Sofa seiner Suite in einem großen Berliner Hotel. "Berlin hat einen lebendigen, eigenen Geist. Vielleicht den lebhaftesten in Europa", sagt Shankar, der die deutsche Hauptstadt bereits seit vielen Jahren kennt. Und er muss es wissen. Über 150 Länder hat er schon bereist, um seine Lebens-Lehre und das "Einmaleins" der richtigen Atmung zu vermitteln. "Deutschland hat viel Kultur und Disziplin. Indien hingegen verkörpert Freude, menschliche Werte. Eine Kombination aus beidem ist erstrebenswert", sagt er.

Asiatischer Spiritualität haftet in unseren Breitengraden oft der Touch des Esoterischen an oder gar eine Tendenz zur Scharlatanerie. Offenbar ist Ravi Shankar wider solche Anschuldigungen und Vorurteile weitestgehend gefeit. Westliche Mediziner bestätigen seinem Programm, besonders den Atemübungen, vorbeugende und heilende Wirkung (etwa bei Diabetes oder Nervenleiden). In bereits mehr als 150 Ländern wird die "Kunst des Lebens" kontinuierlich auf Seminaren und in Workshops vermittelt. Seine Yoga-Atemübungen sind ein echter Exportschlager - auch bei vielen Prominenten rund um den Globus. Mit wem hat er nicht schon alles über Krieg und Frieden und die Heilsamkeit richtigen Atmens geplaudert: Helmut Schmidt, Reinhold Messner oder der Dalai Lama haben - neben Hunderten anderen - bereits an Ravi Shankars Seminaren teilgenommen.

"Religion ist die Bananenschale und Spiritualität die Banane"

Öffentlich bekannt wurde Ravi Shankar durch zahlreiche Auftritte bei UN-Versammlungen, Menschenrechts- und Friedenskonferenzen. Unverblühmt prangert er den Turbo-Kapitalismus im Zuge der Globalisierung an und fordert eine gerechtere Verteilung der Güter und Gelder zwischen reichen und armen Ländern. Ravi Shankar macht sich für einen globalen Dialog stark. Ohne ideologische oder konfessionelle Scheuklappen will er seine "Botschaft von Frieden und Harmonie" unter den Menschen verbreiten: "Ich sage oft, Religion ist die Bananenschale und Spiritualität die Banane. Das Elend in der Welt ist entstanden, weil wir die Banane wegwerfen und die leere Schale festhalten. Wir müssen den spirituellen Aspekt unseres Lebens stärken."

Den westlichen Sünden Stress, Hast, Hektik, Maßlosigkeit, Hochmut, Geldgier und Neid stellt er eine aufgeschlossene, friedliche und tolerante Gesellschaft entgegen, deren Hauptinteressen nicht dem Wirtschaftswachstum und der Politik gelten, sondern der inneren Ruhe, der Gelassenheit und der bewussten Gestaltung des eigenen Lebens. Neben seinen Worten setzt der indische Lehrer auf das "Sudarshan Kriya", eine meditative und gleichzeitig kraftvolle Atemtechnik. Diese soll Stress und Verspannungen lösen und gleichzeitig die geistige Kraft in den gegenwärtigen Augenblick bringen.

Spaß und Lebensfreude möchte Ravi Shankar auch denen zurückbringen, die im Moment nichts zu lachen haben. Dazu beitragen sollen verschiedenste humanitäre Aktionen und Organisationen. Fast beiläufig erwähnt Pressesprecher Christoph Glaser die ehrenamtliche Hilfstätigkeit bei Flutkatastrophen, beim Anschlag auf das World Trade Center in New York oder für traumatisierte Kriegsopfer im Kosovo. Weltweit gab und gibt Ravi Shankar zahlreiche Anstöße für Hilfsprojekte im Gesundheits- und Sozialbereich, darunter Rehabilitationsmaßnahmen für Straftäter und Drogenabhängige; er entwickelte Anti-Stressprogramme für Politik und Management. In Indien begründete er von der Unicef anerkannte Schul- und Landbauprojekte.

Auch Chaos habe seinen Sinn: "Es ist Teil des Universums"

Sri Sri Ravi Shankar hat zwei Gesichter: Er verkörpert den scheinbar weltabgewandten, ganz in sich ruhenden Guru, der seiner weltweiten Gemeinde ein wenig von seiner Aura, von seiner totalen Selbstkontrolle vermitteln kann. Und er ist ein großer Kampagnenmacher, ein Organisator mit einer gesellschaftspolitischen Vision. Ravi Shankar hält nicht nur ein waches Auge auf Unrecht und weltliche Nöte, sondern handelt aktiv. Er unterstützt zahlreiche Hilfs- und Entwicklungsprojekte, pflanzt Bäume, lässt ganze Dörfer von Müll und Unrat befreien, lehrt die Menschen soziale Verantwortung und gibt Hilfe zur Selbsthilfe. Das unterscheidet ihn von esoterischen Gurus und anderen spirituellen Führern. Ihn scheint nichts zu erschüttern. Auch Chaos habe seinen Sinn: "Es ist Teil des Universums", so Shankar, der vom norwegischen Nobelpreiskomitee gerade erneut für den Friedensnobelpreis nominiert wurde. Mit dieser Auszeichnung hätte er natürlich noch mehr Möglichkeiten als weltweit anerkannte Persönlichkeit.

Seine Ziele für unsere Zukunft sind klar. "Die Menschen haben nach meinen Übungen mehr Kraft, ihre eigenen Ziele zu verfolgen und Nächstenliebe zu geben. Das lehre ich. Deswegen reise ich." Der indische Weise mit Star-Appeal am Meditations-Himmel ist gewiss kein hinterlistiger Scharlatan: Sri Sri Ravi Shankar fährt keine Nobelkarosse, kennt keine protzenden Partys, sondern lebt überaus bescheiden. "Der schönste Luxus für mich ist, wenn Menschen lachen."

Sri Sri Ravi Shankar spricht heute ab 15.20 Uhr im Rahmen der Asien-Pazifik-Wochen (dauern noch bis zum 23. September) im Roten Rathaus.

Der Mensch
Sri Sri Ravi Shankar wurde am 13. Mai 1956 in der südindischen Großstadt Bangalore als Spross einer angesehenen Kaufmanns-Familie geboren. Im Alter von vier Jahren sagte er bereits die Bhagavad Gita, das Grundlagenwerk des vedischen Wissens, auf. Die Veden sind die ältesten Schriften und Gesangstexte Indiens und stammen aus dem zweiten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung. Mit acht Jahren studierte er schon klassische vedische Literatur, aus der sich die Sanskrit-Schrift und -Sprache entwickelte. Im Alter von 17 Jahren schloss er eine Ausbildung in modernen Naturwissenschaften ab. Ende der 70er Jahre war Ravi Shankar Schüler von Maharishi Mahesh Yogi und wurde Lehrer für Transzendentale Meditation.

Der Guru

Spiritualität, Meditation und das Vermitteln der christlichen Botschaft der Nächstenliebe sind die Grundlagen von Ravi Shankars Lehre. 1982 münden seine Aktivitäten in Bangalore in die Gründung der gemeinnützigen und konfessions-übergreifenden Stiftung "Art of Living Foundation". Er begann die "Kunst des Lebens" zu lehren und gründete oder unterstützte mehr als 100 Schulen in ganz Indien. Ausbildung und Verpflegung sind dort kostenlos. 1986 wurde ihm vom indischen Staatspräsidenten auf der "World Conference on Yoga" in Neu Delhi der Ehrentitel "Yogashiromani", "Kronjuwel des Yoga" verliehen. Anfang 1990 begründete Ravi Shankar mit dem Dalai Lama (geistliches Oberhaupt der Tibeter) die "International Association for Human Values" (Internationale Vereinigung für Menschliche Werte). Diese Organisation arbeitet in weltlichen Netzwerken mit den Vereinten Nationen und den "Non-Governmental Organizations" (Nicht-Regierungs-Organisationen, NGOs) zusammen. Ihre Zentrale hat die Vereinigung in Genf.

Sophie Guggenberger

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