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Blick auf ein ausgetrocknetes Wasserspeicher-Becken nahe der Ortschaft Villiersdorp.

© AFP/Rodger BOSCH

Südafrika: Kapstadts Angst vor dem letzten Tropfen

Die südafrikanische Metropole leidet unter der schlimmsten Dürre seit mehr als 110 Jahren. Die Stadtverwaltung hat deshalb nun drastische Notverordnungen erlassen.

Es regnet, endlich. Und das gleich mehrere Stunden. Doch am vergangenen Sonntagmorgen kommt die ernüchternde Erkenntnis: Wieder hat es nicht gereicht, um den Wasserpegel der ausgetrockneten Reservoirs auch nur annähernd anzuheben. Die Angst vor dem letzten Tropfen wird immer größer.

Die südafrikanische Region Westkap erlebt die schlimmste Dürre seit 113 Jahren. Bis August soll das Wasser in den fünf Auffangbecken rund um die Parlamentshauptstadt und Urlaubsmetropole Kapstadt noch reichen. Was geschieht, wenn der verbliebene Wasserrest durch die Leitungen laufen, das will sich am Kap derzeit niemand ausmalen. Die Ministerpräsidentin der Provinz Westkap, Helen Zille, erklärte die Region kürzlich zum Notstandsgebiet. „Dieser Status wird unserem Katastrophenschutz-Team helfen, Tag X zu verhindern, an dem die Wasserhähne trocken laufen“, gibt sie sich überzeugt. Wie ernst die Lage ist, haben die Südafrikaner spätestens erkannt, als selbst Meteorologen des US-Senders CNN über die Wasserpegel in Kapstadt berichteten.

Viel Wasser endet in den Pools

Um die Bewohner zum Sparen zu bewegen, hatte Kapstadts Regierung im Frühjahr eine Liste der 100 größten Wasserverschwender veröffentlicht – allerdings bloß unter Nennung der Straßennamen. Der gewünschte Effekt blieb denn auch aus. Selbst ein halbes Jahr nachdem die Regierung verschiedene gesetzliche Sparmaßnahmen verkündete, verbrauchen Kapstadts 30 Top-Haushalte nach wie vor so viel Wasser, dass damit monatlich fünf 50-Meter-Schwimmbecken gefüllt werden könnten.

Tatsächlich endet ein Großteil des Trinkwassers in den Pools der Nobelvororte. Das Nachfüllen ist jetzt ab 1. Juni verboten. Auch dürfen Kapstädter ab Donnerstag weder ihre Gärten gießen noch ihre Autos waschen. Seit vergangenem Jahr sind die „Water Restrictions“ in Kraft, nun werden sie noch einmal verschärft. Die Wasserpreise haben sich mittlerweile verdoppelt. Und die Aufrufe der Regierung an die Bewohner klingen immer verzweifelter: „Spült eure Toiletten nur, wenn es unbedingt nötig ist. Beschränkt eure Duschzeit auf zwei Minuten oder benutzt einen Lappen“, sagte die für Wasser zuständige Stadträtin Xanthea Limberg.

Ursache für den Ausnahmezustand ist eine Mischung aus Überbevölkerung und Wetteranomalien. Nachdem mit Nelson Mandela 1994 die Demokratie in Südafrika begann, wuchs Kapstadts Bevölkerung schlagartig um die Hälfte.

Die Speicherkapazität der Auffangbecken stieg in derselben Zeit allerdings lediglich um 15 Prozent. Für den ausbleibenden Regen macht Kevin Winter, Ökologe an der Uni Kapstadt, den Klimawandel verantwortlich: „Im globalen Wettersystem hängen Temperatur und Luftdruck eng zusammen – störst du die eine, wirkt sich das auf anderen aus. Dieses globale System hat jetzt begonnen, uns zu beeinflussen.“

Hoffnungen auf Winterregen wurden enttäuscht

Kapstadts Hoffnung ruht auf dem jährlichen Winterregen. Allerdings enttäuschte schon dieser Herbst mit ungewöhnlich warmen Temperaturen und kaum Niederschlag. Dass es bis August ausreichend regnet, steht laut Stadträtin Limberg „ernsthaft in Frage“. Ihre Regierung hat nun Notmaßnahmen eingeleitet und plant, Grundwasser bei Krankenhäusern und Schulen sowie das natürliche Reservoir unter dem Tafelberg anzuzapfen. Darüber hinaus soll eine Entsalzungsanlage Meerwasser als Trinkwasser aufbereiten. Eine sehr kostspielige und umstrittene Methode.

Politische Auswirkungen könnte die Wasserkrise jetzt vor allem für die Stadtregierung der „Demokratischen Allianz“ (DA) haben. Ihr wirft der national regierende Afrikanische Nationalkongress (ANC) vor, zu langsam reagiert zu haben. Er rief die Staatsführung zur Intervention auf. Ebenso warnte der Südafrikanische Gewerkschaftsbund (Cosatu) Staatspräsident Jacob Zuma in einem offenen Brief vor „Krieg und Toten“ im Westkap. „Die Reichen haben Geld für Wasser in Flaschen. Aber die Armen werden die ersten sein, die verdursten. Das alles, weil es keinen Plan zur Notversorgung gibt, wenn die Wasserhähne Ende Juli austrocknen.“

Kapstadts Regierung erwartet, dass die Wasserversorgung zumindest über den Winter gewährleistet ist und arbeitet an einer neuen Wasserpolitik. Laut Bürgermeisterin Patricia De Lille ist Dürre der „neue Normalzustand“. Umgerechnet 22 Millionen Euro will sie in den nächsten drei Jahren investieren, um die Auswirkungen der zunehmenden Trockenheit für Bauern, Wirtschaft und Bewohner so gering wie möglich zu halten.

Außerdem will Kapstadt von anderen Städten lernen, die bereits seit Jahren erfolgreich gegen Dürren kämpfen, zum Beispiel Los Angeles oder Mexiko City. Die Pläne sind umfassend – jedoch ohne einsetzenden Regen zum Scheitern verurteilt. Die Stadtpolitikerin Gisela Kaiser hatte bereits Mitte Mai den Delegierten eines Wassergipfels in Kapstadt mitgeteilt, warte man jetzt auf ein „Wunder“.

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